Kanon

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Allgemeines

Wortherkunft

Der Ausdruck Kanon stammt aus der christlichen Theologie und dem kirchlichen Rechtswesen des 4. Jahrhunderts. Seitdem bezeichnet man die im damals christlich werdenden Römischen Reich Rechtsverbindlichkeit erhaltende Sammlung alt- und neutestamentlicher Schriften als Kanon. (griech. kanón „Maßstab, Richtschnur, Regel“; aber auch „Tabelle, listenartige Aufzählung“). Ein früher Beleg ist die Bestimmung, die auf dem Konzil von Laodicea in Kleinasien um ca. 360 n.Chr. besagt, „dass man in der Kirche nicht die 'gewöhnlichen' Psalmen und nichtkanonischen (akanonistá) Bücher verlesen darf, sondern allein die kanonischen (tà kanoniká,also biblia, Bücher) des Neuen und Alten Bundes.“ So bezeichnet der Begriff Kanon im ursprünglichen Sinn nur die Bibel als verbindliche Grundlage christlicher Theologie und Liturgie.


(Was hat „Kanon“ mit „Kanone“ zu tun?)

Begriffsfeld

Kanon als religiöser Text

Unter Kanon wird die für eine Religionsgemeinschaft, speziell deren Insititutionen wie Liturgie, Theologie, Schule und Rechtswesen, maßgebliche Sammlung heiliger Texte bzw. Bücher verstanden. Kanonischen Schriften wird gegenüber anderen Schriften ein besonderer Vorrang zugestanden, so dass der Kanon ein zentrales Fakutm der religiösen Literaturgeschichte darstellt. Vor allen in sogenannten Buchreligionen, wo die Idee eines abgeschlossenen und unüberbietbaren Kanons vorkommen kann, erlangt dieser einen besonderen Status, wie z.B. die Bibel im Christentum oder der Koran im Islam. Religion existiert aber natürlich auch ohne heilige Schriften, aber wenn solche vorhanden sind, gibt es auch die Vorstellung eines Kanons. [1]

Kanon in der Literaturwissenschaft

Als Kanon wird im allgemeinen ein Corpus von Texten bezeichnet, das eine Gesellschaft oder Gruppe für wertvoll hält und an dessen Überlieferung sie interessiert ist. Betrachtet man z.B. Verlagsprogramme daraufhin, von welchen Autoren verschiedener Nationalitäten Gesamtausgaben erstellt worden oder welche dieser Texte zur Zeit verfügbar sind, dann hat man eine ungefähre Vorstellung vom Kanon der Weltliteratur. Die Gegenwartsliteratur müsste allerdings davon ausgeschlossen werden, da Kanonisierung immer mit einiger zeitlicher Verzögerung stattfindet. Ein Kanon wäre etwa auch eine Liste der 100 wichtigsten literarischen Werke, die Germanistikstudenten bis zur Abschlussprüfung gelesen haben müssen, voraussgesetzt ist dabei allerdings, dass sich eine Gruppe (wie die Mehrheit der Germanistikdozenten) finden lassen würde, die in Übereinstimmung die Titel festlegt, die in eine solche Liste gehören könnten.

In der Literaturwissenschaft kann man sich in einer Art doppelten Perspektive mit dem Kanon-Begriff befassen: Einerseits kann man deskriptiv vorgehen und untersuchen, welche Texte nach welchen Kriterien tradiert worden und welche Gründe eine Rolle spielen, sie in den Kanon aufzunehmen oder davon auszuschließen. Andererseits kann man von einer normativen Perspektive ausgehen und nach adäquaten Kriterien für die Kanonisierung literarischer Texte sowie für Neu-/Umbildung von Kanones suchen. Bei beiden Betrachtungsweisen hängt das Problem der Kanonbildung eng mit dem der Wertung von Literatur zusammen.

Fragt man z.B. nach dem 'bildungsbürgerlichen' Kanon, sind andere Fragen zu stellen, als wenn man den akademischen Kanon bestimmten will. Bei ersterem könnte man etwa prüfen, ob die Leseausgaben eines bestimmten Autors dauerhaft im Handel erhältlich sind, ob diese Texte in "Klassikerbibilotheken" aufgenommen werden oder auch, ob es Einträge z.B. in Universallexika oder Zeitungsartikel dazu gibt. Auch häufige Theateraufführungen oder intertextuelle Bezugnahmen können ein Anhaltspunkt sein. Als besonderes Indiz kann man es ansehen, wenn ein Text zur Pflichtliteratur des Deutschunterichts in der Schule wird. [2]

Beispiele für schriftliche Kanones

Literatur und Links

  • Lang, Bernhard: Art. 'Kanon'. In: HrwG. Hrsg. von H. Cancik, B. Gladigow u.a. Bd. III, Stuttgart 1993, S. 332-334.
  • Winko, Simone: Art. 'Literarische Werke und Kanonbildung'. In: Grundzüge der Literaturwissenschaft. Hrsg. von H.L. Arnold und H. Detering. München 2008, S.585-600.

Anmerkungen

  1. Lang 1993, S. 332-334.
  2. Winko 2008, S.585-600.