Buddhistische Verdienstökonomie

Aus Kamigraphie
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Im frühen Buddhismus in Indien entwickelte sich ein ökonomischer Austausch zwischen buddhistischen Institutionen und Laien, der darauf beruhte, dass die Laien materielle Waren, Essen oder Geld an buddhistische Mönche/Nonnen oder Klöster spendeten und im Gegenzug spirituelle Dienstleistungen und karmischen Verdienst erhielten. Dieser Austausch kann als buddhistische Verdienstökonomie (engl. merit economy) verstanden werden und hatte weitreichende wechselseitige Einflüsse zwischen der ökonomischen und der religiösen Sphäre, welche unter anderem auch die buddhistische Doktrin und das Verständnis von karmischem Verdienst prägten.

Problematisches Verhältnis zwischen Askese-Ideal und Ökonomie

Sowohl im populären westlichen Verständnis von Buddhismus als auch in der Forschung zur buddhistischen Religion hält sich das Vorurteil, dass der Buddhismus eine besonders asketische, anti-materialistische und weltabgewandte Religion oder Lebensphilosophie sei, die keine Verbindungen zu einer proto-kapitalistischen Ökonomie hat, weil sie einzig nach einer spirituellen Erlösung, dem Ausstieg aus dem Kreislauf der Wiedergeburten, strebt. Dieses Bild des Buddhismus als anti-ökonomisch eingestellte Religion findet sich auch in Max Webers Schriften. [1]

Beispiel früher buddhistischer Architektur in Indien: Das Große Stupa von Sanchi [Abb. 1]

Nach dem heutigen Forschungsstand waren buddhistische Institutionen aber spätestens seit dem 5. Jhd. v.u.Z. auch ökonomisch im indischen Kulturraum und insbesondere entlang der Seidenstraßen tätig: Unter anderem zum Bau und Erhalt von Klöstern und Stupas waren Förderungen durch Laien nötig, aber auch Bettelmönche waren auf Spenden angewiesen. Auch finden sich in vielen frühen buddhistischen Texten enge Verknüpfungen mit der Händler-Kaste sowie Verweise auf die Logik eines ökonomischen Austauschs von Spenden und karmischem Verdienst. Der Buddhismus war also eingebettet in eine ökonomisch agierende Gesellschaft und musste sich als in diesem Kontext agierende Religion mit ihren Institutionen an die ökonomischen Gegenbenheiten anpassen. [2]

Dies wirft die Frage danach auf, welches Verhältnis der Buddhismus im indischen Kulturraum zur Ökonomie entwickelt hat, und wie sich die ökonomische Tätigkeit buddhistischer Institutionen mit dem Askese-Ideal des Buddhismus vereinbaren lässt, bzw. wie der Buddhismus selbst in seinen Texten eine solche Spannung doktrinär bearbeitet und die ökonomischen Dimensionen in der buddhistischen Verdienstökonomie rechtfertigt.

Karmischer Verdienst im indischen Buddhismus

Karma und karmischer Verdienst spielen im Buddhismus eine entscheidende Rolle, denn sie bestimmen nicht nur die zukünftigen Wiedergeburten sondern auch die Möglichkeit der Erlösung als dem Ausstieg aus dem Wiedergeburtenkreislauf. Auch in der buddhistischen Verdienstökonomie ist karmischer Verdienst (engl. merit, skt. puṇya, pāli puñña) ein wichtiges Element.

Karmischer Verdienst entsteht durch gute bzw. förderliche Handlungen (karma) und drückt sich in zukünftigen guten Resultaten wie positiven Wiedergeburten aus, die auf Grundlage solcher verdienstvoller Handlungen karmisch heranreifen. Zu solchen förderlichen Taten zählt für Laien insbesondere die Praxis des Spenden-Gebens (dāna) an buddhistische Praktizierende und Institutionen. Dadurch sammeln sie Verdienst an, der dann zu guten, weniger leidvollen Wiedergeburten führt. Im Gegensatz dazu, sollen buddhistische Mönche und Nonnen, deren Ziel nicht bessere Wiedergeburten sondern die Erlösung durch die Auslöschung karmischer Bindungen im Wiedergeburtenkreislauf ist, den buddhistischen Heilsweg vielmehr durch das Praktizieren einer moralisch-heilsamen Lebensweise erlangen. FUSSNOTE (Melford Spiro bezeichnet diese Unterscheidung in zwei Weisen buddhistischer Praxis als den kammatischen und den nibbanischen Buddhismus).

Buddhistische Verdienstökonomie

Buddhistisches Spendenwesen

Buddhistische Mönche beim Empfangen von Essens-Spenden [Abb. 2]

Das Spendenwesen ist der grundlegende ökonomische Austausch im Buddhismus und wird bereits in den frühen buddhistischen Texten erwähnt: Die buddhistischen Laien spenden Essen, materielle Gegenstände, Geld, eine Unterkunft etc. an den Buddha oder buddhistische Mönche/Nonnen oder an buddhistische Institutionen wie Klöster oder Stupas und erhalten im Gegenzug folglich den guten karmischern Verdienst ihrer förderlichen Handlung.

In vielen frühen buddhistischen Texten, wie z.B. in der Textsammlung Divyāvadāna wird dieser Austausch zwischen Spenden und karmischem Verdienst sowohl dargestellt als auch beworben: Die zukünftigen Resultate für die Spendenden, wie z.B. die Wiedergeburten als reiche Personen als Resultat einer Geldspende, zielen darauf ab, das ökonomische Interesse der Laien am Spenden zu wecken bzw. heben die Relevanz solcher Taten für das eigene zukünftige Wohl hervor.

Zugleich wird in den Texten immer wieder betont, dass die Spende alleine nicht entscheidend ist, sondern dass auch die Intention mit der die Spende getätigt wird und der Geisteszustand des Spendenden eine Rolle spielen. D.h. nur eine selbstlose Spende ist karmisch wirksam. Und auch der Rezipient der Spende ist relevant für den karmischen Verdienst, denn gewisse würdige Empfänger von Spenden, wie etwa Buddhas, Bodhisattvas oder Bettelmönche sind ein "Feld karmischen Verdienstes" (engl. "field for merit", skt. puṇya-kṣetra), da sie aufgrund ihres spirituellen und moralischen Fortschritts (wie ein Feld mit gutem Boden) die an sie gerichteten Spenden (als Samen) in besonders wirksame, gute Taten verwandeln, die dementsprechend großen karmischen Verdienst (als Frucht) produzieren.

Dennoch besteht eine Ambivalenz zwischen den ökonomischen Interessen der Laien, die mit Versprechen besserer Wiedergeburten zum Spenden angehalten werden, und der doktrinären Rechtfertigung des Spendenwesens, in der die Spende als eine Praxis der Selbstlosigkeit verstanden wird, die die Nicht-Anhaftung an materiellem Besitz und die Verehrung würdiger Rezipienten wie dem Buddha beinhaltet und die Laien damit in heilsamen Geisteszuständen schult.


Moralische und ökonomische Implikationen

Im Divyāvadāna wird mittels moralischer Beispielgeschichten das karmische Schicksal von buddhistischen Laienanhängern dargestellt, wobei die darin zum Tragen kommende Verdienstökonomie eine wirtschaftlich orientierte Marktlogik sowohl übernimmt als auch rechtfertigt:

  • in Texten wie dem ... wird gezeigt, wie durch eine Missachtung einer natürlichen Ordnung (dharma), die z.B. beinhaltet, dass Untertanen Steuern an einen König zahlen, schlimme kosmologische Konsequenzen wie Dürre- und Hungerkatastrophen drohen, bis der natürliche Zustand durch eine Spende des Königs und die Macht eines Bodhisattvas wieder hergestellt werden kann. Die Logik des Marktes, die gewissen Institutionen und Waren ihren Wert zuschreibt, wird in solchen buddhsitischen Texten moralisch und kosmologisch gerechtfertigt.
  • karmischer Verdienst ist nicht mehr nur Teil einer sprituellen Dimension, in der er die karmische Kausalität gewisser Taten erklärt, sondern wird Teil eines kommerziellen Systems, in dem er sowohl als Ware, die mit guten Taten und Spenden erkauft werden kann, als auch als Währung, die gegen gute karmische Resultate eingetauscht werden kann, fungiert. Da karmischer Verdienst damit zugleich die Ursache und das Kapital für zukünftige gute Taten und Resultat wie z.B. eine Wiedergeburt in einer reichen Familie ist, wird Wohlstand auch zum Anzeiger für die eigene moralische Qualität, da er bedeutet, dass man in vergangenen Existenzen gut gehandelt haben muss, um nun die Früchte eines solchen Verdiensts zu genießen.

Als Resultat davon wird in der buddhistischen Verdienstökonomie karmischer Verdienst kommodifiziert und die wirtschaftliche Dimension moralisiert.

Die Rolle von prasāda

...

Askese Ideal vs. Verdienstökonmie?

...

Buddhistische Ökonomie in Japan

Die Idee der buddhistischen Verdienstökonomie und ihre doktirnären Implikationen gelangen mit der Verbreitung des Buddhismus über China auch nach Japan und bleiben dort ein Teil buddhsitischer Praxis. Insbesondere das Spendenwesen ist bis heute im japanischen Buddhismus weit verbreitet: Im japanischen Tempel-Buddhismus werden o-fuse als Spenden von Laien an die Tempel gegeben. Im Austausch dafür erhalten die Laien religiöse Dienstleistungen wie Beerdigungen, Zeremonien, Gebete etc., die jedoch als spirituell wertvoller als die entgegengebrachte Spende angesehen werden. Auch fest ausgeschriebene Preise für Dienstleistungen in den Tempeln, die auch als "religious corporations" agieren, sind als Spenden deklariert, was ihnen zum einen den Anschein einer freiwilligen, selbstlosen Gabe verleiht, und sie zum anderen in Japan von der Steuer befreit. Dennoch werden die Spenden im Alltag von vielen Gläubigen eher als eine gewohnheitsmäßige Pflicht wahrgenommen und sind weniger durch ein verdienst-ökonomisches Kalkül motiviert.

Historisch entwickelte sich die Verknüpfung zwischen buddhistischen Institutionen und ökonomischer Sphäre in Japan grob folgendermaßen:

  • Bereits in der Nara- und Heian-Zeit sind buddhistische Tempel und Klöster wichtige, oft reiche, ökonomische Akteure mit eigenem Landbesitz, und werden durch den Hof finanziell gefördert.
  • In der Kamakura-Zeit sind buddhistische Institutionen ein bedeutender wirtschaftlicher Wachstumsfaktor; sie werden aber auch abhängiger von privaten Spendenden. So entsteht ein "Buddhist capitalism".
  • Seit der Tokugawa-Zeit bildet das Danka-System den Kern der Tempel-Ökonomie. (Zum Danka-System siehe auch den Artikel Ökonomische Veränderungen der Schreine in der Meiji-Zeit).

Zwei weitere interessante Entwicklungen des Verhältnisses des Buddhismus zur Ökonomie in Japan:

Verweise

Fußnoten

  1. Williams-Oerberg 2019, S. 21.
  2. Williams-Oerberg 2019, S. 21.

Verweise

Literatur

Rupert Gethin 1998
The Foundations of Buddhism. Oxford: Oxford University Press 1998.