Bishamon-ten

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Die Gottheit Bishamon-ten 毘沙門天 ist in Japan unter verschiedenen Namen bekannt,[1] der Einfachheit halber wird sie hier jedoch stets mit dem Namen Bishamon(-ten) bezeichnet. Zur Unterscheidung der wichtigsten Bezeichnungen Bishamon und Tamon siehe Tamon-ten.

Bishamon-ten zählt zur Gruppe der Devas, in Japan als Tenbu 天部 bezeichnet. Darin sind jene Göttergestalten zusammengefasst, die eine Verbindung ins brahmanische Pantheon aufweisen. Der Buddhismus übernahm sie bei seiner Entstehung zumeist als Schutzgötter in sein Pantheon. So gehört auch Bishamon in seiner Funktion zu den Dharmapāla,[2] meist grimmig-kriegerischen Schutzgottheiten, die sich der Bewahrung der buddhistischen Lehre und der Buddhas und Bodhisattvas verschrieben haben. In Japan ist Bishamon der Anführer der Shitennō 四天王 [3], der Vier Großen Himmelskönige, hat die Schutzherrschaft über den Norden inne und ist der Herrscher der Yakṣas 薬叉/夜叉.[4] Zudem gilt er als Schutzherr der Nation, als Krieger und als Mitglied der Sieben Glücksgötter 七福神. Als -ten findet Bishamon, der das Ergebnis eines Jahrhunderte andauernden Transformations- und Überlieferungsprozesses ist, seinen Vorgänger in der Hindu-Gottheit Kubera.

Bishamons Vorgeschichte

Kubera ist eine Figur der vedisch-brahmanischen Religion, die als Schutzherr der Reichtümer und der (nördlichen) Himmelsrichtung sowie als Herrscher der Rakṣas und Yakṣas [5] gilt. Zum ersten Mal wird Kubera im Atharvaveda, einer wahrscheinlich um 1000 v. Chr. zusammengestellten und bis ins Jahr 200 v. Chr. mündlich tradierten Schrift, erwähnt (Atharvaveda 8.10.28) [6]. In der Folgezeit werfen zahlreiche Schriften der śruti-Literatur [7] verschiedene Konzeptionen und Eigenschaften Kuberas auf, jedoch noch in bruchstückhafter und desorientierter Form, die erst in der späteren „epischen“-Phase in eine ausgearbeitete „Biographie“ der Gottheit zusammengeführt werden. Dennoch sind bereits in den frühen Referenzen zu Kubera zwei Entwicklungen auszumachen: Kuberas spätere Rolle als Reichtumsgott, lokapāḷa [8] des Nordens und Herr der Rakṣas und Yakṣas wird bereits angedeutet, womit ein gradueller Anstieg seiner Popularität einhergeht.


Kubera in den Epen und Purāṇas

Um 200 v.Chr. begann mit dem Rückgang und der Umgestaltung der vedischen Religion (1750 – 500 v.Chr.) durch Inkorporation volkstümlicher Glaubensauffassungen die Periode des klassischen Hinduismus (200 v. Chr. – 1100 n. Chr.). Dieser Vorgang wird besonders in den mannigfaltigen Ausgestaltungen des vedischen Pantheons ersichtlich, in dem die vedischen Götter in ihrer Bedeutung zunehmend von neuen Gottheiten verdrängt werden und schlägt sich auch in den beiden Nationalepen Indiens, Mahābhārata und Rāmāyaṇa [9] nieder. Von dieser Veränderung der Religion profitierte auch Kubera (vgl. Michaels 2002; Satapathy 2002:93-94): In den Epen und Purāṇas [10] werden die in den älteren Schriften erwähnten Konzepte und Merkmale Kuberas erstmals in ein System gebracht. Sowohl Mahābhārata als auch Rāmāyaṇa bezeichnen Kubera als Abkömmling Brahmās, des höchsten indischen Gottes und beschreiben seinen Werdegang. Bis auf wenige Ausnahmen und Variationen halten sich die inhaltlichen Hauptstränge der beiden Werke eng aneinander und sollen hier kurz in einer allgemeinen Zusammenfassung wiedergegeben werden: Als Sohn des tugendhaften Asketen Viśravas erhält Kubera bei seiner Geburt den Namen Vaiśravaṇa: „Since the child resembles Vishravas, he shall be known as Vaishravana“ (Rāmāyaṇa 7.3) [11]. Vaiśravaṇa zieht sich in angemessenem Alter zurück und nachdem er 1000 Jahre Askese geübt hatte, heißt es im Mahābhārata „[…] pleased with Vaishrávana, his father gave him immortality, lordship of wealth, protectorship of a quarter, friendship with Ishána [12], a son, Nala-kúbara, and the royal seat and dwelling place of Lanka, full of troops of demons; he also gave a vehicle called Púshpaka […] which would go anywhere he wished, and the lordship of the yakshas, and sovereignty over kings” (Mahābhārata 3.274) [13]. Auch die Purāṇas, die zwar unzählige Ausschmückungen des Kubera-Mythos umfassen, halten sich weitgehend am Hauptstrang der Epen: Kubera ist weiterhin Brahmā zugeordnet, der ihm seine Rolle zuteilt (z.B. Agni Purāṇa 1.11.2 [14]; Brahma Purāṇa 4.27.4.7 [15]; Brahmāṇḍa Purāṇa 2.3.8.38-40 [16]; Padma Purāṇa 5.6.16-29 [17]).


Kubera, der Herr der Reichtümer und nördlichen Himmelsrichtung

Die Schutzherren der Himmelsrichtungen scheinen bereits in der vedischen Literatur auf und werden als dikpāḷa oder lokapāḷa bezeichnet. Schon in den frühen Schriften wird Kubera dem Norden oder Nordwesten zugeordnet. Das Rāmāyaṇa lässt uns darüber im Dunkeln, welcher Himmelsrichtung er zugeteilt wird, im Mahābhārata und den Purāṇas ist es der Norden (z.B. Brahma Purāṇa 4.27.2 [18]; Mahābhārata 5.102 [19]; Padma Purāṇa 1.21.199b-200 [20]; Skanda Purāṇa 13.82.23-35 [21]). Ist Kubera bereits in frühen Schriften mit Reichtum assoziiert, so wird er in den Epen von Brahmā explizit zum Herren der Reichtümer und Schätze erhoben (Mahābhārata 3.274 [22]; Padma Purāṇa 2.34.83 [23]; Rāmāyaṇa 7.3 [24]) und viele weitere Textstellen weisen auf diese Rolle Kuberas hin, indem sie ihn als Herren der Schätze (Mahābhārata 3.152 [25]; Padma Purāṇa 2.41.15-16 [26]), Schatzmeister der Götter (Varāha Purāṇa 1.30.4-5) [27] oder als Spender von Reichtümern (Skanda Purāṇa 10.13. 164 [28]) betiteln. Kubera ist von goldener Hautfarbe (Mahābhārata 3.42) [29] und seine Residenzen sind goldene Städte. Zudem herrscht eine gewisse Übereinstimmung zwischen Kuberas Rolle als Schutzgottheit des Reichtums und lokapāḷa der nördlichen Himmelsrichtung, gilt der Norden in der vedischen Mythologie als Region des Goldes und der Reichtümer (Mahābhārata 3.141) [30].


Kuberas Übernahme in den Buddhismus

Kubera-Vaiśravaṇa wird als Schutzgottheit des buddhistischen Dharma in das buddhistische Pantheon integriert. Im Pāli-Kanon [31] erscheint er als einer der Vier Großen Götterkönige, Cātummahārājikā devā, dem buddhistischen Äquivalent der lokapāḷa, und regiert über den Norden. Zudem bleibt er der Herrscher der Yakṣa.



Der japanische Bishamon

Bishamon-ten mit Gefolge

Bishamon-tens Entwicklungsgeschichte beginnt fast zeitgleich mit der Inkorporierung des Buddhismus in Japan. Nach offizieller Geschichtsschreibung [32] kam der Buddhismus 552 n.Chr. nach Japan und spaltete die mächtigsten Familien Asuka-Zeit飛鳥時代 in zwei Lager: Die Soga 蘇我 traten für die Verbreitung des Buddhismus ein, die dem einheimischen Glauben folgenden Mononobe 物部 dagegen. Dieser Umstand gipfelte 587 in einer bewaffneten Auseinandersetzung der beiden Fraktionen, dessen Hergang im Nihon shoki 日本書紀 (720) wie folgt beschrieben ist: „蘇我馬子宿禰大臣。勸諸皇子。與羣臣。謀滅物部守屋大連。[Aufzählung diverser Namen von Verschwörern]. 廐戸皇子。[…] 是時廐戸皇子。束髪於額。而随軍後。[…] 乃斮取白膠木。疾作四天王像。置於頂髪。而發誓言。今若使我勝敵。必當奉爲護世四天王。起立寺塔。Der Ōomi Soga no Umako Sukune (蘇我馬子宿禰大臣) [33] riet den vielen kaiserlichen Prinzen und Ministern, am Plan, den Ōmuraji Mononobe no Moriya zu beseitigen, teilzunehmen. […] Zu dieser Zeit band Prinz Umayado (廐戸皇子) die Haare an der Stirn und folgte der Armee nach. […] Dann fällte er einen Sumach-Baum und erschuf schnell Figuren der Vier Himmelskönige (Shitennō 四天王). Er platzierte sie oben auf das Haar und schwörte: ‚Wenn ihr heute meinen Sieg über die Feinde veranlasst, werde ich den Vier Himmelskönigen, Weltherrschern, dienen und ihnen einen Tempel und eine Pagode errichten.‘“ (Nihon shoki 1239:1[34], vgl. Florenz 1919, S. 319).

Tatsächlich gingen die Soga siegreich aus dem Kampf hervor und mit der Niederlage der Mononobe verschwand auch der Widerstand gegen den Buddhismus. Als Dank für den von den Shitennō gewährten Sieg ließ Prinz Umayado 廐戸皇子, der nach seinem Tod den Namen Shōtoku Taishi 聖徳太子 (574–622) erhielt, den Shitennō-ji 四天王寺 in Ōsaka erbauen, den ersten staatlich geförderten Tempel des Landes. Somit zeigt sich, dass nicht lange nach der Einführung des Buddhismus die Vier Großen Götterkönige, Shitennō 四天王 und damit auch Bishamon, erstmals erwähnt werden. Die Shitennō sind eine Gruppe von vier Figuren, die jeweils die Schutzherrschaft einer Himmelsrichtung übernehmen und den buddhistischen Dharma bewahren. Im Osten herrscht Jikoku-ten 持國天, Zōchō-ten 增長天 im Süden, Kōkomu-ten 廣目天 im Westen und Tamon-ten 多聞天/ Bishamon-ten 毘沙門天 im Norden.

Als wenige Jahre später 592 Suiko Tennō 推古天皇 (593-628) die Regierungsgeschäfte übernahm, wurde Shōtoku Taishi von 593–622 zu ihrem Regenten ernannt. Die Propagierung des Buddhismus setzte sich unter Shōtoku Taishi fort, der zu einem der wichtigsten Förderer des Buddhismus in der japanischen Religionsgeschichte wurde.

Die Staatsschutzsūtren

Die Idee, den Buddhismus als Staatsreligion zu konzipieren, die den japanischen Staat bewahren sollte, nahm unter Shōmu Tennō 聖武天皇 (724-749) im 741 gegründeten Kokubunji-System 国分寺 konkrete Formen an: Ein landesweites Netz an Provinztempel unterstand dem 752 vollendeten Tōdai-ji 東大寺 in Nara 奈良. In diesen Tempeln oblag den Mönchen die bedeutende Aufgabe, innerhalb eines gewissen Zeitraumes Sūtren zur Bewahrung des Staates zu rezitieren. Die zentralen Schriften in diesem Kontext waren die Chingo kokka sanbun 鎮護国家三文, die „drei Sūtren, die den Staat schützen“: Ninnō hannya-kyō [35] 仁王般若経, Konkōmyō saishoō-kyō[36] 金光明最勝王経 und das Hoke-kyō[37] 法華経. In diesen versprechen die Shitennō und andere Devas und Bodhisattvas den Schutz jener Länder, die dem Buddhismus folgen (Bender 1979:134/148, De Visser 1935:446). Mit der großen Bedeutung dieser Schriften stieg auch der Status der Vier Großen Götterkönige, die nun im ganzen Land verehrt wurden. Zunächst blieb Bishamon undifferenziert in die Gruppe der Shitennō eingebunden, mit dem Lotos-Sūtra wurde er erstmals unabhängig von den anderen drei genannt: Er verspricht Buddha, jene Menschen zu schützen, die das Lotos-Sūtra verehren und wird zudem als Manifestation Kannons genannt.

Generell ergibt sich aus den Chingo kokka sanbun eine breite Palette an Schutzfunktionen, die den Götterkönigen zugestanden werden: Darin versprechen sie, den buddhistischen König, seines Volkes und aller Gläubigen vor Naturkatastrophen, Krankheiten und Annexionen. Mehr noch scheint es, dass alles diese Schutzfunktionen mit Bishamons späteren Aufgaben korrelieren.

Nach der Blüte der Chingo kokka sanbun und vor der Etablierung des esoterischen Buddhismus kamen neue Übersetzungen von Sūtren nach Japan. Diese nannten Bishamon unabhängig von den Shitennō und unterstützten so seinen Ablösungsprozess weiter. Zudem brachten sie neben seiner Schutzfunktion nun einen neuen Aspekt mit ein: Bishamons Verknüpfung mit Reichtum und Glück.

Tobatsu Bishamon

Bishamon erreichte den Höhepunkt seiner Popularität als die Figur des Tobatsu Bishamon 兜跋毘沙門天 nach Japan gelangte, die seine Loslösung aus der Gruppe der Shitennō letztendlich besiegelte. Der Kult um Tobatsu Bishamon war wahrscheinlich in Zentralasien entstanden: sowohl den Einwohnern von Tokhara am Oxus als auch im Königreich Khotan galt er als Schutzherr der Nation (Chaudhuri 2003:23; Watters 1904:295-296). Die erste Plastik Tobatsu Bishamons soll Kūkai von seiner China-Reise mitgebracht haben. Diese soll zunächst im Rajōmon 羅城門, dem Südtor Kyōtōs, aufbewahrt, später aber in den Tō-ji überstellt worden sein (vgl. Frank 1991:19; Parent 2001; Schumacher 1995-2011). Das koinzidiert mit einer Episode des Sōkōsōden 宋高僧傳 [38], die beschreibt, Tobatsu Bishamon sei dem von Feinden bedrohten, zentralasiatischen Toupa [39], Tobatsu 兜跋, erschienen und habe diese in die Flucht geschlagen. Dabei soll er sich über dem nördlichen Stadttor manifestiert haben (Taishō Shinshū Daizōkyō 50, 741a4-10). Tobatsu Bishamons Rolle als Beschützer der Nation wird schon in den Chingo kokka sanbun als eine seiner Aufgaben genannt.


Ikonographie

Tobatsu Bishamons Ikonographie stellt eine Sonderform dar. Seine früheste Darstellung, hier auf der ersten Abbildung gezeigt, soll Kūkai im 8. Jh. von China gebracht haben. Nachfolgende Abbildungen sind zumeist Kopien dieser Statue. Tobatsu Bishamon trägt eine anliegende Rüstung und eine Krone auf seinem Haupt. Auf dem Brust- und Schulterpanzer sind dämonische Gesichter zu erkennen. Als Tobatsu Bishamon steht er nicht auf einem jaki, sein Podest ist hier die Göttin Ji-ten 地天 [40]. Links und rechts von Ji-ten sind zwei Dämoninnen abgebildet: Ranba 藍婆 und Biranba 毘藍婆 (Frédéric 1995:243; Schumacher 1995-2011), die bereits im Lotos-Sūtra, Hoke-kyō 法華経, neben Bishamon als Beschützer der Gläubigen auftreten (vgl. Taishō Shinshū Daizōkyō 9, 262: 59a22-29). Tobatsu Bishamon kann auch mit dem Königsstab ausgestattet sein, wie die zweite Abbildung von links illustriert. Es gibt jedoch noch eine andere, rein-japanische (?) Ausformung Tobatsu Bishamons, wie die Abbildung des Butsuzō zu-i zeigt. Diese wird als Tōhachi Bishamon 刀八毘沙門 bezeichnet und mit vier, zornigen Gesichtern mit jeweils drei Augen und zwölf Armen auf einem Löwen sitzend dargestellt. Auf seinem obersten Kopf ist ein kleiner Buddha, kebutsu 化仏, abgebildet. In acht seiner Händen hält er Schwerter, in den anderen vier die Pagode, einen Dreizack und Wunscherfüllungsperlen, nyoi no tama 如意の玉.

Bishamon im esoterischen Buddhismus

Der Heian-zeitliche Buddhismus 平安時代 (794-1185) wurde in erster Linie von zwei Mönchen Saichō 最澄 (767-822) und Kūkai 空海 (774–835) geprägt. Nach ihrem Studienaufenthalt in China gründeten beide neue buddhistische Schulen in Japan. Saichō/Dengyō Daishi 伝教大師 etablierte die Tendai-shū 天台宗 mit ihrem Haupttempel Enryaku-ji 延暦寺 am Berg Hiei 比叡山. In diesem Kontext ist allerdings besonders Kūkai/Kōbō Daishi 弘法大師 von großer Bedeutung, der den esoterischen Buddhismus, mikkyō 密教, in Form der Shingon-shū 真言宗 Japan begründete. Im esoterischen Buddhismus steht der rituelle Aspekt im Vordergrund. Schüler werden in die Tradition initiiert und die Lehre von einem Meister ausschließlich an sie weitergegeben. Eine prominente Stellung in esoterischen Rituale nehmen Mantras, Gebetsformeln; Mūdras, Gebetsgesten; und Visualisierungen in Form von Maṇḍalas ein (Bowring 2005: 138-139, 141-142; Scheid 2001-2011). Am Berg Kōya 高野山 errichtete er den Kongōbu-ji 金剛峰寺, ein zweites Zentrum der Shingon-shū war der Tō-ji 東寺 in Kyōtō. Mit dem esoterischen Buddhismus fanden neue Figuren Eingang ins japanisch-buddhistische Pantheon, deren ikonographische Formen oftmals auf Kūkai selbst zurückgehen sollen (Bowring 2005:135-137, 146-147; Matsuo 2007:36-37; Scheid 2001-2011).

Die Hauptschrift der Shingon-shū, das Dainichi-kyō 大日経 [41], spricht Bishamon eine Glücksspendenden und Reichtumsgewährenden Funktion zu (Taishō Shinshū Daizōkyō 18, 848: 2b16-17, 19). Zudem wird Bishamon der Gruppe der Jūni-ten 十二天 [42], der zwölf Deva-Wächter, zugeordnet, die mit Einführung des esoterischen Buddhismus in ihrer Funktion zunehmend die Shitennō ersetzten. Auch hier ist er der Wächter der nördlichen Himmelsrichtung. Das Shi happō-ten Gisoku 施八方天儀則 beschreibt die Jūni-ten als Gewährer göttlichen Schutzes und Reichtums (Taishō Shinshū Daizōkyō 21, 1294: 379b29, 26; 21, 1294: 379c6, 11). Sie tauchen zu dieser Zeit oftmals in Maṇḍalas, z.B. dem Jūni-ten Maṇḍala 十二天曼荼羅 oder Taizōkai Maṇḍala, oder Rollbildern auf.


Ikonographie

Das Butsuzō zu-i präsentiert Bishamon in der Gruppe der Jūni.ten mit der typischen Rüstung und Pagode, jedoch ohne Waffe. Stattdessen hält er einen Königsstab. Jūni-ten Bishamon ist die einzige seiner Formen, die sich invariabel an diese Vorlage hält.

Bishamon-tennō-kyō

Ein buddhistischer Text, der sich ganz der Figur des Bishamon-ten widmet, ist das Bishamon-tennō-kyō 毘沙門天王經. Es wurde im 11. Jh. von Mönchen der Tendai-Schule neu übersetzt. Ganz seiner Funktion als Schutzherr des Buddhismus schwört er die Bewahrung des Dharma (Taishō Shinshū Daizōkyō 21, 1244: 215b, 4), das Hauptaugenmerk legt das Sūtra jedoch auf Bishamons Reichtumsassoziation: Demnach verfügt die Gottheit über „[…] 安樂。豐饒財寶護持國界故。Frieden und Freude, reichlich Reichtümer und Schätze und beschützt und erhält die Grenzen der Nation. […] 如真多摩尼寶王能滿眾願。Er ist der Herrscher, der gleich einem Wunscherfüllungsjuwel, die Wünsche der Menschen erfüllen kann […]“ (Taishō Shinshū Daizōkyō 21, 1244: 215a, 10-12). Aufrichtigen Gläubigen, die sein Sūtra verehrten und es rezitieren, gewährt er einen Teil seines Reichtums (Taishō Shinshū Daizōkyō 21, 1244: 215b, 20; 22-23).

Auch wenn die Idee, welche die Chingo kokka sanbun in der Nara-Zeit vermittelten, nicht mehr so einflussreich waren, blieb Bishamon seiner Rolle als Dharmapāla wie auch als Schutzherr der Funktion weiter treu. Doch, und so belegt auch das Bishamon-tennō-kyō, wurde seine Verbindung zum Reichtum immer bedeutender. Vielleicht liegt auch gerade hierin die Quelle für seine große Popularität, die es ihm schließlich erlaubte, sich aus der Gruppe der Shitennō abzulösen und sich als Einzelfigur zu etablieren.

Kriegsglück

Das Ende der Heian-Zeit zeichneten heftige Auseinandersetzungen aus, insbesondere der japanischen Kaiser, der Fujiwara 藤原 und der beiden Kriegerklans, Minamoto 源 und Taira 平. Diese kriegerischen Konflikte endeten mit der Gründung des Kamakura-bakufu 鎌倉幕府, als Minamoto no Yoritomo 源頼朝 (1147-1199) als shōgun 将軍 die Macht in Japan übernahm. Aufgrund von Bishamons kriegerischer Darstellung ist es durchaus nachvollziehbar, weshalb er von Kriegern als ihre Schutzgottheit verehrt wurde (Frédéric 1995:243). Belege dafür finden sich im Azuma Kagami 吾妻鏡, das Ereignisse der Jahre 1180 bis 1266 wiedergibt: In einigen Episoden wird Bishamon mit den einflussreichsten Kriegerpersönlichkeiten der Heian- und Kamakura-Zeit in Verbindung gebracht: Folgt man dem Azuma Kagami dürften ihn die Minamoto und Taira als Kriegsglück gewährenden Gott aufgefasst und seinen Kult propagiert haben.

Schutz vor Krankheit und Dämonen

Die schon in den Chingo kokka sanbun beschriebene Rolle Bishamons als Bewahrer vor Krankheiten wurde im 12. Jahrhundert in Form des Shigisan engi Emaki 信貴山縁起絵巻 aufgegriffen und popularisiert. Das Rollbild illustriert die Geschichte des Mönches Myōren 命蓮, von dem es heißt, er hätte mit Bishamons Hilfe den kranken Tennō Daigo 醍醐天皇 (885-930) geheilt (Armbruster 1959:134-142; Frédéric 1995:242-243; Murashige 1991:22; Schumacher 1995-2011).

Eines der fünf ebenfalls aus dem 12. Jh. stammenden Hekija-e 辟邪絵 zeigt Bishamon im Kampf gegen feindliche Dämonen und beschreibt ihn als Beschützer des Dharma und des Lotos-Sūtra (National Institutes for Cultural Heritage 2011; Schumacher 1995-2011).


Ikonographie

Das Hekija-e zeigt Bishamon untypischerweise ohne Pagode, dafür mit Pfeil und Bogen. Die wenigen Zeilen, die dem Hängerollbild zugefügt sind, weisen in als Beschützer der Buddhistische Lehre aus.

Bishamon im Hekija-e

Bishamon, der Glücksgott

Im Laufe der Muromachi- 室町時代 (1333–1600) bzw. Edo-Zeit 江戸時代 (1600-1868) wurde Bishamon in die Gruppe der Sieben Glücksgötter, Shichi Fukujin 七福神, integriert. Diese sind eine indigen-japanische Konzeption, deren Entstehung an die Entwicklung der städtischen Kultur in der Muromachi-Zeit geknüpft ist (vgl. Casal 1958). In der Edo-Zeit standardisierte sich ihre bis heute erhaltene Form.

Auch als Glücksgott wird Bishamon ikonographisch weiterhin als Kriegsherr dargestellt und lässt schwerlich Unterschiede zu seiner vorhergehenden Ikonographie erkennen. Seine respekteinflößende Gestalt wird jedoch durch einen freundlicheren Gesichtsausdruck und fülligeren Körperbau etwas aufgelockert.

Neben seiner Aufgabe als Dharmapāla wurde er in Japan, wie die Ausführungen dieser Seite gezeigt haben, schon früh mit Reichtum und Glück in Verbindung gebracht. Somit erscheint es durchaus verständlich, dass ausgerechnet er unter den vielen kriegerischen Gottheiten als Mitglied der Shichi Fukujin ausgewählt wurde. Im Glücksgott werden die mit Bishamon assoziierten Konzepte, Reichtum, Glück und seine martialische Schutzfunktion letztendlich vollends verschmolzen und finden so ihren finalen Ausdruck.


Ikonographie

Der Glücksgott Bishamon unterscheidet sich kaum von den anderen Formen. Er ist wie seine Vorgänger in eine Rüstung gekleidet und trägt meist Pagode und Dreizack. Allerdings hat seine Körperfülle zugenommen und der Gesichtsausdruck ist etwas freundlicher geworden. Zudem scheint es, dass seine ikonographischen Attribut nicht mehr allzu strikt festgelegt sind und manchmal durchaus Pagode oder Waffe fehlen.

Quellen

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Anmerkungen

  1. Die Ausführungen dieser Seite basieren auf der Masterarbeit von Sarah-Allegra Schönberger am Institut für Religionswissenschaft: Kriegsglück und Reichtum. Zur ikonographischen Transformation Bishamon-tens. Indien – Japan. Alle klassisch chinesischen Zitate wurden von der Autorin für ihre Masterarbeit übersetzt.
  2. Als Dharmapāla, „Dharmaschützer“ werden jene aus prä-buddhistischer Zeit stammende Gottheiten bezeichnet, die von Buddha bekehrt wurden und den Schutz der buddhistischen Lehre versprachen.
  3. Die Shitennō sind eine Gruppe von vier Figuren, die jeweils die Schutzherrschaft einer Himmelsrichtung übernehmen und den buddhistischen Dharma bewahren. Im Osten herrscht Jikoku-ten 持國天, Zōchō-ten 增長天 im Süden, Kōkomu-ten 廣目天 im Westen und Tamon-ten im Norden.
  4. Die Yakṣas sind ein dämonisches, jedoch nicht zwangsmäßig übelwollendes Volk der vedischen und brahmanischen Religion, die der Buddhismus in niederen Rängen in sein Pantheon übernahm
  5. Zwei vedisch-mythologische Dämonenvölker.
  6. Griffith 1895-96:353.
  7. Die śruti-Literatur enthält Texte, die als göttlich, ewig vorhanden und von Weisen „gehört“, aufgefasst und auf 1500 bis 300 v. Chr. datiert werden. Ihren Kern bilden die vedischen Sammlungen.
  8. Als lokapāḷa oder dikpāḷa werden die Schutzherren der Himmelsrichtungen bezeichnet.
  9. Die Verfassungszeit des Mahābhārata geht auf die Periode zwischen 540 und 300 v. Chr. zurück, jene des Rāmāyaṇa des Valmiki auf das 1. vorchristliche Jahrhundert.
  10. Die Purāṇas gelten als bedeutendste Quelle der hinduistischen Mythologie und wurden zwischen 300 und 900 n. Chr. verfasst.
  11. Shastri 1985a:380.
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  18. Shastri 1986:856.
  19. Ganguli 1883-1896:208.
  20. Deshpande 1988:306.
  21. Tagare 1997:309.
  22. Johnson 2005:33.
  23. Deshpande 1989:432.
  24. Shastri 1985a:380-381.
  25. Fitzgerald 1975:511.
  26. Deshpande 1989:533.
  27. Iyer 1985a:101.
  28. Tagare 1996:137.
  29. Fitzgerald 1975:304.
  30. Ganguli 1883-1896:292.
  31. Der Pāli-Kanon ist der Korpus des frühen, orthodoxeren Buddhismus, zumeist als Therāvada bezeichnet
  32. Nihon shoki 1084:1; 1130:3; 1131:1,2, 3 (Brown 2010); siehe auch Bakshi 1979:2-5; Matsuo 2007:16; Thakur 1992: 9)
  33. Das Oberhaupt des Soga-KLans
  34. Brown 2010.
  35. Sūtra der barmherzigen Könige
  36. Sūtra des goldenen Lichts
  37. Lotos-Sūtra
  38. Die „Überlieferung hochrangiger Mönche der Sòng-Zeit“ ist ein chinesisches Werk aus dem 10. Jh.
  39. Toupa wird verschiedentlich als Tibet, Tu-fan 吐蕃/Toban 吐番 (Parent 2001d; Schumacher 1995-2011) oder Khotan aufgefasst (Frank 1991:196).
  40. Ich persönlich stimme mit Schumacher überein, dass der Grund für die Wahl der Ji-ten als Podest mit seiner Rolle als Schutzherr der irdischen Schätze, allem Voran in Form von Gold, koinzidiert
  41. Dainichi 大日 gilt im esoterischen Buddhismus als höchstes Wesen.
  42. Die Jūni-ten schützen wie die Shitennō die Himmelsrichtungen. In dieser Konstellation aber nicht vier, sondern 12 Richtungen: Die Himmels- und Zwischenhimmelsrichtungen, oben, unten, Sonne und Mond.