Exzerpt:Merli 2020
Autorin
Die Autorin Claudia Merli ist eine außerordentliche Professorin für Kulturanthropologie an der Universität Uppsala (Finnland). Sie beschäftigt sich vor allem mit der medizinischen Anthropologie sowie der Anthropologie von Katastrophen und Körperpraktiken. Seit 2016 forscht sie im Gebiet des Sakurajima Vulkans im südjapanischen Kyūshū zu Vulkanasche und Schutzpraktiken. Davor war sie vor allem in Thailand aktiv [1].
Inhalt
Der Artikel handelt von der Wiederentdeckung- und -belebung des yōkai (妖怪) amabie (アマビエ), seinen historischen Bezügen und Parallelen.
Im ersten Abschnitt befasst sich die Autorin zunächst mit den Eckdaten zu der amabie. Diese hat sowohl menschliche als auch vogel- und fischartige Züge. Der Legende zufolge tauchte sie zuerst 1846 in Kumamoto aus dem Meer auf, wo ein Offizier sie erblickte. Sie sprach davon, dass die gute Ernte sechs Jahre anhalten und man im Falle einer Epidemie jeden ein Bild von ihr zeigen sollte. Die Amabie ist somit eine Botschafterin von Fülle (aufgrund der guten Ernte), aber auch Katastrophen - eine Doppeldeutigkeit, die man bei ningyo(人魚), also Kreaturen mit Charakteristika von Menschen und Fischen, häufiger findet. Abbildungen die bei Katastrophen helfen sollen, sind in Japan keine Seltenheit, wie Holzdrucke des namazue (鯰絵) bei Erdbeben, hashikae (麻疹絵) sogenannte Maserndrucke, hōsōe(放送絵) bei Windpocken und ningyo- Drucke bei Masern [2]. Der zweite Abschnitt behandelt den zeitlichen Ablauf und historische Bezüge des Phänomens. Das erste Mal ist die amabie als Zeichnung des Manga- Künstlers Shigeoka Hide auf dessen Social Media erneut aufgetaut und verbreitete sich von dort weiter. Die amabie gibt es mittlerweile unter anderem als verschiedene Merchandise-Produkte und in Kampagnen, wie einer des Gesundheitsministerium, die auf asymptomatische Ansteckungen hinweist. Dieser Aufruf zur Eigenverantwortung konnte man auch auf manchen hashikae in der Edo- Zeit sehen. Die Künstlerin Diana Moll, zeichnete die amabie zusammen mit einem Pestarzt Italiens des 17. und 18. Jahrhunderts, beide sind mittlerweile Ikonen einer Seuche [3]. Im letzten Abschnitt weist Merli darauf hin, dass die nicht nur die schuppige amabie mit dem Virus assoziiert wird, sondern auch Schuppentiere, die auf dem Markt von Wuhan, wo Covid-19 ausbrach, konsumiert werden. Interessanterweise werden diese auch oft mit dem Schutz vor Krankheiten in Verbindung gebracht. Sie erwähnt, dass wahrscheinlich durch niederländischen Einfluss in der Edozeit dem Konsum von ningyo gewisse heilende Eigenschaften zugesprochen wurden, heute hingegen kann man amabie wagashi (アマビエ和菓子)-Süßigkeiten essen. Die im zweiten Absatz erwähnte KünstlerIn zeichnete die amabie , mit dem aufgrund von Polizeigewalt verstorbenen George Floyd, laut ihr kann man Gesundheit und Politik nicht trennen. Hier zieht Merli die Verbindung zu den ningyo , die im 13. Jahrhundert mit dem Mord an zwei Shōguns und Unruhen assoziiert wurden [4].