Exzerpt:Miyata No 1995
Das Buch Namazu-e. Shinsai to Nihon bunka [„Wels-Bilder“. Erdbeben und die japanische Kultur], das vom japanischen Volkskundler Miyata Noboru und dem Literaturhistoriker Takada Mamoru herausgegeben wurde und 1995 erschienen ist, versteht sich laut Vorwort als eine Ergänzung zu dem 1964 erschienen und vom holländischen Anthropologen Cornelius Ouwehand verfassten Werk Namazu-e and their themes: An Interpretative Approach to some aspects of Japanese Folk Religion, das bis heute ein Standardwerk zum Thema namazu-e darstellt. Es soll als eine Art Enzyklopädie dienen und verschiedenste Aspekte der namazu-e erklären. Obwohl bereits seit längerer Zeit an diesem Werk gearbeitet worden war, beschleunigte sich das Schaffen enorm, als 1995 Japan erneut von einem Erdbeben heimgesucht wurde, das diesmal vor allem Kobe und Awaji betraf, wie Takada Mamoru im Epilog erklärt.
Gliederung
Das Buch besteht aus fünf Teilen, die wiederum aus Essays von insgesamt 26 Autoren bestehen und die Themen wie Seismologie, folkloristische Vorstellungen, Kunstgeschichte etc. ansprechen. In dieser Rezension soll vor allem der dritte Teil behandelt werden, damit auch andere Kolleginnen die Möglichkeit haben, eine Rezension über das vorliegende Werk zu verfassen, falls es die Hauptquelle für ihre Arbeit darstellt.
Inhalt
Auch der dritte Teil ist wie alle anderen durch umfangreiches Bildmaterial von den anderen getrennt und enthält zuerst zwei Kapitel, die sich mit dem Erdbeben an sich befassen. Das erste wurde von dem 1930 geborenen Itô Kazuaki verfasst, der jahrelang als Berichterstatter beim NHK gearbeitet hat und für Katastrophenmeldungen zuständig war. Es beschäftigt sich detailliert mit dem Hergang des Erdbebens und mit Gefahren von Erdbeben allgemein, insbesondere wird auch auf „Nachwirkungen“ von Erdbeben (z.B. Brände) eingegangen (S.142-147). Das nächste Kapitel stellt genaue Daten und Statistiken über das Erdbeben zur Verfügung und wurde vom 2004 verstorbenen Geophysiker Rikitake Tsuneji geschrieben (S.148-156).
Daran schließt sich ein meiner Meinung nach überaus faszinierendes Kapitel an, das sich mit Darstellungen des namazu in der Kunst bzw. im Kunsthandwerk befasst. Es beginnt mit einer Holzschnitzerei und einem 1926 verfassten Gedicht des Bildhauers, Lyrikers und Essayisten Takamura Kôtarô (1883-1956) (S.157). Die nächste Seite (158) zeigt eine „Stäbchenbank“ (in Essenspausen werden die Spitzen der Stäbchen darauf abgelegt) aus Keramik von Shimizu Kôshô (1911-1999), der jahrelang im Todai-ji Oberpriester gewesen war und dessen Keramiken noch heute weithin Anerkennung finden. Außerdem ist ein Teller des Töpfers Katô Tokurô (1897-1985) abgebildet. Weiters enthält dieser Abschnitt z.B. ein Haiku mit dazugehörigem Bild des bekannten Haiku-Verfassers Nagata Kôi (190-1997), ein Tuschebild (sumi-e 墨絵) von Ogawa Usen (1868-1938), ein Ölbild des Malers Kazuki Yasuo (1911-1974) und Schnitzereien sowie ein sumi-e von Seki Gentei (geb. 1919), es werden also Werke verschiedenster namhafter japanischer Künstler abgebildet.
Als nächstes findet sich eine Seite mit Briefmarken aus aller Welt, die allesamt Welse abbilden (S.165). Im Anschluss daran berichtet der letzte Abschnitt dieses Kapitels ausführlich über den Lebensraum des Welses und über verschiedene Arten (S.166-172). Hier finden sich besonders viele Bilder und detaillierte biologische Beschreibungen.
Kritik
Ich fand dieses Kapitel sehr hilfreich, was v.a. von den vielen Bildern und anschaulichen Statistiken herrührt, allerdings waren einige Beiträge etwas kurz, eine Meinung, die auch Suzuki Keiko in ihrer 1996 erschienenen Rezension zu diesem Werk teilt (Suzuki 1996:356). Dennoch ist das Werk insgesamt auf alle Fälle eine große Bereicherung, da es sich mit Themen befasst, die sonst im Bezug auf namazu-e noch kaum oder gar nicht untersucht worden sind. Zudem enthält es eine ungewöhnlich große Fülle an namazu-e, die im letzten Kapitel des Buches alle noch einmal aufgelistet sind und genauer erklärt werden. Meiner Meinung nach von fast unschätzbarem Wert ist dabei, dass auch alle Texte, die auf den namazu-e stehen, dort (lesbar!) ausgeschrieben sind. Allerdings hätte ich es nachvollziehbarer gefunden, wenn die namazu-e dort so gereiht worden wären, wie sie im Laufe des Buches auftauchen, ich fand es nämlich etwas irritierend, dass in meinem Kapitel das Bild mit der Nummer sieben neben dem Bild 87 zu finden ist. Auf alle Fälle kann jedoch gesagt werden, dass dieses Buch eine große Hilfe ist, wenn man auch den Kontext von namazu-e verstehen möchte und dass es eine gute Ergänzung zu Ouwehands Werk darstellt.
Quellen
- Cornelius Ouwehand 1964Namazu-e and their Themes: An interpretative approach to some aspects of Japanese folk religion. Leiden, Netherlads: E.J.Brill 1964.