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Izanami izanagi hiroshige.jpg

Die schwebende Himmelsbrücke (Ame no ukihashi) Blockdruck, nishiki-e (Papier, Farbe) von Utagawa Hiroshige (1797–1858). Um 1850; aus der Serie Honchō nenreki zue (Illustrierte Chronologie Japans); 15 x 33,9 cm
Bild © Museum of Fine Arts, Boston. (Letzter Zugriff: 2011/5)
Gift of L. Aaron Lebowich
Izanami und Izanagi auf ihrer Himmelsbrücke nach Erschaffung der ersten Insel, Onogoroshima. Eine Bachstelze (sekirei) zieht die Aufmerksamkeit der Gottheiten auf sich.


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Die Reformen der Heian-Zeit

Die Vorlage:Glossar:heian-Zeit (794–1185) verdankt ihren Namen der Tatsache, dass der Sitz der Zentral·macht in dieser Zeit in Heian-kyō, dem heutigen Kyoto lag. Während die Politik ihr Zentrum wechselte, blieben die großen Klöster in Vorlage:Glossar:nara. In der neuen Haupt·stadt Heian hin·gegen waren Tempel vorerst nur außer·halb der Stadt·grenzen geduldet. Zwischen dem Kaiser·hof und der Führung des bud·dhis·tischen Klerus kam es also zu einer markanten geo·gra·phischen Trennung, die wohl auch eine politisch-kulturelle Ent·fremdung zum Aus·druck brachte. Doch damit war der Bud·dhis·mus nicht auf Dauer vom politischen Zentrum ent·fernt worden.

Schon bald nach Gründung der Hauptstadt traten zwei Persönlichkeiten auf, die die religiöse Land·schaft nach·haltig veränderten: Vorlage:Glossar:saichou und Vorlage:Glossar:kuukai. Beide wurden zu·nächst — sogar mit der gleichen offiziellen Gesandt·schaft — nach China ge·schickt, um dort ihre bud·dhis·tischen Kennt·nisse zu vertiefen. Beide kehrten zurück mit den Weihen bislang in Japan un·be·kannter Schulen. Und beide wurden zu den Gründer·vätern neuer Rich·tungen im ja·pa·nischen Bud·dhis·mus: Vorlage:Glossar:tendaishuu und Vorlage:Glossar:shingonshuu, die über Jahr·hunderte das Wesen des japanischen Buddhismus prägten.

Am Beginn der Heian-Zeit, zu Lebzeiten von Saichō und Kūkai, war der ja·pa·nische Bud·dhis·mus bereits im Besitz einer un·über·schau·baren Menge bud·dhis·tischer Schriften. Das geistige Klima war allen Einzel·lehren gegen·über prinzipiell tolerant, doch herrschte wohl auch das Bedürfnis, Ordnung in die einander oft wider·sprechenden Dogmen zu bringen. Wie auf den folgenden Seiten genauer aus·ge·führt wird, kamen Saichō und Kūkai diesem Bedürfnis ent·gegen, indem sie jeder auf seine Weise einen Maß·stab zur Be·wer·tung der Schriften an·legten und einzelne als be·sonders wichtig her·vor·strichen. Sie trafen damit eine Aus·wahl, setzten inner·halb des vor·handenen bud·dhis·tischen Schrift·tums Akzente und legten den Grund·stein für spezifisch japanische Aus·for·mungen der buddhistischen Lehre.

Populäre Glaubensvorstellungen

Bereits in der Vorlage:Glossar:nara-Zeit begannen einzelne Mönche, den japanischen Buddhismus zu popularisieren, d.h. seine Inhalte in allgemein verständliche Texte zu fassen. Diese Tendenz setzt sich in der Heian-Zeit weiter fort: Bud·dhis·tische Mönche ver·fassen Legenden, die den Wert bud·dhis·tischer Moral·vor·stellungen erläutern, und ver·breiten sie in japanischer Sprache unter den Laien. Damit sind, wohl·gemerkt, nicht nur die breiten Be·völke·rungs·schichten ge·meint, wie man der Be·zeichnung „Popu·lari·sierung“ viel·leicht ent·nehmen könnte. Die Adressaten der ein·heimischen bud·dhis·tischen Erzähl·literatur waren zunächst und vor allem die Adeligen, und erst in weiterer Folge die rest·liche Be·völke·rung. Auch wurden die heute oft naiv an·mutenden Vor·stellungen nicht nur von den Laien, sondern auch vom Klerus selbst durch·aus ernst ge·nommen.

Ein frühes Beispiel buddhistischer Erzählliteratur ist das Vorlage:Glossar:nihonryouiki (mit vollem Titel Nihonkoku genpo zen'aku ryōiki „Be·richte von Wundern Vorlage:Skt:karma Ver·geltung für Gutes und Böses in Japan“, ab·ge·fasst zwischen 810 und 823 von Kyōkai), ein Werk, das auf sehr drastische Weise die Aus·wir·kungen von gutem und schlechtem Karma in diesem und in den nächsten Leben illustriert. Das Nihon ryōiki ist das erste er·haltene Werk der soge·nannten Vorlage:Glossar:setsuwa-Literatur. Setsuwa be·deutet wört·lich Lehr·erzählung, ge·meint ist natür·lich die bud·dhis·tische Lehre. Die be·kannteste und umfang·reichste Sammlung von Lehr·erzählungen ist das Vorlage:Glossar:konjakumonogatarishuu („Erzählungen aus alter und neuer Zeit“, 12. Jh.) mit über tausend Legenden und Anekdoten, die z.T. auch in Indien und China an·ge·siedelt sind. In dieser Sammlung und auch in manchen späteren setsuwa-Sammlungen tritt der unter·haltsame Aspekt der Geschichten gegenüber dem didak·tischen Anliegen bis·weilen in den Vor·der·grund. Unter der Hand er·fährt man dabei viel über die all·ge·meinen Lebens·um·stände der damaligen Zeit.

Hölle und Unterwelt

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Zu den populären buddhistischen Glaubensvorstellungen, die in den setsuwa ver·treten sind, zählen auch Höllen·bilder, be·ziehungs·weise die Aus·schmückung der so·ge·nannten Sechs Bereiche (Vorlage:Glossar:rokudou) der Wiedergeburt (s. Jenseitsvorstellungen). Ein zentraler Text in diesem Zu·sammen·hang ist das Vorlage:Glossar:oujouyoushuu („Essentielle [Lehren] der Wieder·geburt“, 985 ver·fasst von Vorlage:Glossar:Genshin), ein theoretischer Traktat, in dem aber die Bereiche der Wieder·geburt und vor allem die Hölle in sehr an·schau·lichen, sprich brutalen, Bildern ge·schildert werden. Der Höllen·glaube ging Hand in Hand mit Ent·wick·lungen in China, wo es ab der Vorlage:Glossar:Tang-Zeit (618–907) zur Aus·gestal·tung der Figur des Höllen·fürsten Vorlage:Glossar:enma (skt. Vorlage:Skt:Yama Vorlage:Skt:raja, chin. Vorlage:Glossar:yanlou), be·ziehungs·weise der Zehn Richter der Unter·welt kam. In Japan blieb dieser spezifisch chi·ne·sische Aspekt des Unter·welt·glaubens da·durch er·halten, dass Enma und sein Gericht stets in chinesischer Tracht ab·gebildet wurden.

„Angemessene Mittel“

Eine gängige Grundannahme des Mahayana Buddhismus geht davon aus, dass es je nach Grad der Er·leuchtung ver·schiedene Formen der Wahr·nehmung und damit auch der Wahr·heit gibt. Im Lotos Vorlage:Skt:Sutra wird dies an·hand der Parabel vom brennenden Haus soweit aus·ge·führt, dass der Vorlage:Skt:Buddha selbst so·zu·sagen legitime Täuschungen an seiner An·hänger·schaft vorge·nommen habe, um sie — gleich Kinder aus einem brennenden Haus — Schritt für Schritt aus dem Stadium der Ver·blendung in das Stadium der Erleuch·tung zu führen. Der Fach·aus·druck für diese legitimen Täuschungs·manöver lautet auf Sanskrit Vorlage:Skt:upaya, jap. Vorlage:Glossar:houben, wtl. „ge·schickte“ oder „an·ge·messene Mittel“. Die Vor·stellung von der Not·wendig·keit ange·messener Mittel wurde in der späteren Heian-Zeit da·durch ver·stärkt, dass man glaubte, be·reits in eine Phase des spirituellen Nieder·gangs, in die „Endzeit des Gesetzes“ (mappō) einge·treten zu sein, in der die ur·sprüng·liche Lehre des Buddha nicht mehr verständlich sei.

Endzeit-Denken (mappō)

Das für den Buddhismus der Heian-Zeit typische Endzeit Denken beruhte auf dem Dogma der stufen·weisen Ver·wässerung der bud·dhis·tischen Lehre, die mit natur·gesetzlicher Konsequenz vor·an·schreiten würde. Es gab in diesem Zusammen·hang ein sehr konkretes Dreistufen-Modell:

  1. das „Wahre Gesetz“ (Vorlage:Glossar:shoubou), die Zeit, in der die Lehre Buddhas noch ganz in seinem Sinne ver·standen wird. Sie dauert 500 Jahre, nach manchen Vor·stellungen auch 1000 Jahre lang an.
  2. das „Imitierte Gesetz“ (Vorlage:Glossar:zoubou), weitere 500 oder 1000 Jahre, in denen die Lehre Buddhas nur dem Wort·laut nach aber nicht in ihrer Essenz ver·standen wird.
  3. die „End·zeit des Gesetzes“ (Vorlage:Glossar:mappou), die folgenden 10.000 Jahre, in denen die Lehre des Buddha nicht mehr ver·standen wird.

Viele Heian-zeitliche Buddhisten fühlten sich bereits in der Endzeit, die selbst optimistischen Ein·schätzungen zu Folge mit dem Jahr 1052 erreicht war.

Der mappō-Gedanke brachte aber nicht nur Pessimismus und depressive Lethargie mit sich, wie es manch·mal in der Sekundär·literatur dar·ge·stellt wird. Er wurde von vielen Mönchen auch als Legitimation und Anreiz an·ge·sehen, um neue Strategien (= angemessene Mittel) zur Er·langung des Seelen·heils zu pro·pa·gieren, die zu Zeiten des historischen Buddha noch nicht adäquat ge·wesen waren. Das Argument dabei: Wie kann das, was Buddha einst predigte, heute noch gültig sein, wenn nie·mand mehr sein lebendiges Beispiel vor Augen hat, und wenn seine Lehre von nie·mandem mehr ver·standen wird? Der mappō-Gedanke war somit in erster Linie eine Recht·fertigung, um den historischen Wandel des Bud·dhis·mus und die Abkehr von orthodoxen Tradi·tionen zu legitimieren, ohne den Buddhismus als Ganzes abzulehnen.

Die wichtigste Neuerung, die mit der Betonung der End-Zeit einherging, war der Glaube an die Errettung in Amidas Paradies (Vorlage:Glossar:gokuraku) bzw. Reines Land (Vorlage:Glossar:joudo). Diese Vor·stellung wurde zu·nächst vor allem vom Vorlage:Glossar:Tendaishuu-Buddhismus pro·pagiert, bevor sie — ab dem Mittel·alter — die Form einer eigenen Sekte/Schule annahm (s. Amidismus). Das Haupt·argument dieser Richtung war, dass man in der End·zeit nicht mehr aus eigener Kraft (Vorlage:Glossar:jiriki) zur Er·leuchtung ge·langen könne, sondern nur durch gläubiges Ver·trauen in Amidas „andere Kraft“ (Vorlage:Glossar:tariki).

Ein weiteres Beispiel, was man sich unter den ange·messenen Mitteln vorstellte, ist die Auf·fassung, dass sich Buddhas in Japan in Form von ein·heimischen Gott·heiten offen·baren, um so besser und un·mittel·barer ver·standen zu werden. Auf diese Konzeption wird unter dem Stich·wort honji suijaku noch genauer eingegangen.

„Schule“ oder „Sekte“?

Im Japanischen gibt es den Begriff Vorlage:Glossar:shuuha (nach Eigen·namen meist zu Vorlage:Glossar:shuu verkürzt: Tendai-shū, Shingon-shū, Jōdo-shū, ...), der in der west·lichen Fach·literatur unter·schiedlich, entweder mit „Sekte“ (sect) oder „Schule“ (school) über·setzt wird. Der Begriff „Sekte“ ver·schwindet aller·dings lang·sam aus der Fach·literatur, nach·dem berechtigt darauf hin·ge·wiesen wurde, dass „Sekte“ im christlich-euro·päischen Kontext einen aus·ge·sprochen pejo·rativen Bei·ge·schmack hat (nämlich als Be·zeich·nung für un·ortho·doxe Ab·spal·tungen von der offiziellen Amts·kirche). Auf Japan über·tragen hieße das, dass der ge·samte japanische Bud·dhis·mus lediglich eine An·sammlung un·ortho·doxer Abspal·tungen dar·stellt, was mit dem Begriff shūha zweifel·los nicht ge·meint ist. Anderer·seits lässt „Schule“ eher an theo·retische theo·logische Unter·schiede denken, weniger an institutionelle Trennungen. Es fragt sich also, was für Unter·schiede eigent·lich zwischen den einzelnen japanischen shūha bestehen.

Der Buddhismus der Vorlage:Glossar:Nara-Zeit wird oft durch die Schlag·worte „Sechs Schulen“ und „Sieben Große Tempeln“ um·rissen. Es bildeten sich näm·lich Sechs Richtungen her·aus, die ihre Zentren in sieben Tempeln hatten, wobei keines·falls nur jeweils eine Richtung in einem Tempel ver·treten war. Der Begriff Vorlage:Glossar:shuu wurde damals im übrigen oft mit dem gleich·lauten·den Zeichen 集 geschrieben, was soviel wie „Gruppe“ bedeutet. Die Sechs Schulen waren also Experten-Runden oder Studien-Gruppen, die sich je·weils be·sonders mit einem be·stimmten Text oder einer Gruppe von Texten be·fassten. In jedem der großen Tempel wurden mehrere der von den Sechs Schulen diskutierten Themen an·ge·schnitten. Es herr·schte also nicht — wie in der späteren Ent·wicklung — das Prinzip, dass jeder Tempel einer be·stimmten Richtung zuzu·ordnen war. In·so·fern sind die Sechs Nara-Schulen orga·nisa·torisch ge·sehen eher als eine einzige Richtung auf·zu·fassen und werden daher zu·meist auch als Einheit an·ge·sehen.

In der Vorlage:Glossar:Heian-Zeit ent·wickelte sich vor allem die Tendai-shū zu einer institutionell völlig vom Nara Buddhismus un·ab·hängigen religiösen Körper·schaft und trat mit diesem immer mehr in Konkurrenz. Sie spaltete sich also vom Haupt·strom des damaligen Bud·dhis·mus ab und kann zu·mindest in ihrer Früh·zeit sehr wohl als „Sekte“ im engeren Wort·sinn an·ge·sehen werden. Gegen Ende der Heian-Zeit war der Tendai Bud·dhis·mus aller·dings bereits so ein·fluss·reich, dass der Begriff „Sekte“ (im Sinn von Abspaltung) nicht mehr wirklich passend erscheint.

In der folgenden Vorlage:Glossar:kamakura-Zeit kam es inner·halb des Tendai Bud·dhis·mus wiederum zu Ab·spal·tungen, die einen signifikant „sektiererischen“ Charakter hatten. Aber auch diese Rich·tungen, bei·spiels·weise Vorlage:Glossar:joudoshuu, ent·wickelten sich mit der Zeit zum Mainstream Bud·dhis·mus und haben ihre ein·sti·gen radikalen Züge längst ab·gelegt. Ob also „Sekte“, „Schule“, „Richtung“ oder ein anderes Wort als adäquate Über·setzung von shūha er·scheint oder nicht, ändert sich mit dem historischen Kontext. Eine historisch und sprach·lich konsistente Über·setzung von shūha ist daher meines Erachtens kaum mög·lich und wird daher auf diesen Seiten gar nicht ver·sucht.

Wichtig ist jedoch, sich vor Augen zu halten, dass es sehr wohl markante Unter·schiede zwischen den einzelnen Sekten oder Schulen gab, die heute aller·dings weit·gehend ver·loren ge·gangen sind. Das ver·hältnis·mäßig homogene Er·scheinungs·bild des japanischen Bud·dhis·mus ist ein Phänomen der frühen Neuzeit (1600-1868, siehe terauke System). In der Heian-Zeit und im ja·pa·nischen Mittel·alter existierten aber nicht nur aus·ge·prägte Unter·schiede zwischen den einzelnen Richtungen, es gab auch Inte·ressens·gegen·sätze zwischen ver·schiedenen Klöstern, die zu hand·festen, mitunter kriegerischen Aus·einander·setzungen führten. Diese Kämpfe, die an Aggresivität den europäischen Glaubens·kriegen kaum nach·standen, voll·zogen sich daher nicht not·wendig entlang kon·fessioneller Grenzen sondern zwischen Netz·werken von Klöstern, die wiederum unter·schied·lichen Richtungen angehören konnten.