Ise Schrein: Unterschied zwischen den Versionen

Aus Kamigraphie
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Zeile 12: Zeile 12:
  
 
===Ursprünge der Naturverehrung===
 
===Ursprünge der Naturverehrung===
Die Ursprünge der Naturverehrung sollen laut Kawazoe und Tange bereits in der mittleren Jômon-Zeit (8000 v. Chr. – 300 v. Chr.) gefunden werden können. In der mittleren Jomon-Zeit soll der Glaube vorgeherrscht haben, dass die gesamte Natur von übernatürlichen Kräften durchdrungen sei. Vor allem natürliche (wenn auch herausragende) Stein- und Felsformationen wurden als religiöse Symbole übernatürlicher Erscheinungen (kami; 神) angesehen und verehrt. In der späten Jômon-Zeit vollzog sich dann ein Wandel – die natürlichen Formationen wurden nicht länger als eigentliche Besitzer der übernatürlichen Kräfte betrachtet sondern das diese Formationen eher als 'Wohnorte' der übernatürlichen Erscheinungen dienten. (Kawazoe/ Tange, S. 23). Im Hinblick auf die Entwicklung der Naturverehrung mag die Erklärung von Kawazoe und Tange durchaus stimmen, allerdings sollte darauf hingewiesen werden, dass die Angabe der Jahreszahlen fraglich ist. In verschiedenen Werken, welche die Geschichte Japans behandeln findet man teilweise sehr unterschiedliche Angaben. So dauert die Jômon-Zeit laut Linhart von 10 000 vor Christus bis 300 vor Christus – auch beschränkt er die mittlere Jômon-Zeit auf einen Zeitraum von 3500 vor Christus bis 2500 vor Christus (Linhart, S. 255 und 257). Als Erklärung der Änderung in der Betrachtungsweise der 'heiligen' Naturerscheinungen kann man vermutlich auf die Veränderung des Klimas zurückführen. Linhart schreibt außerdem, dass es in der späten Jômon-Zeit zu einer Verschlechterung des Klimas kam – diese Entwicklung brachte die Menschen dazu die unwirtlich gewordenen Berge zu verlassen und sich dem Leben der östlichen Küstenbewohner anzupassen und auch deren Bräuche und Eigenheiten anzunehmen. So weisen zum Beispiel, die in Nordjapan vorkommenden rund 30 Steinkreise, welche vermutlich als Begräbnisstätten gedient haben auf die vermutlich erste Form des Totenkults hin. Aber Linhart weist auch darauf hin, dass neben der Bestattungsfunktion diese Steinkreise auch als Zerimonialstätten für eine gute Lachsfangsaison gedient haben könnten – da Lachs im Norden eines der wichtigsten Nahrungsmittel darstellte. Diese Schlussfolgerung wird durch eingravierte Lachsdarstellungen in mehreren Steinen nahe gelegt. Eine andere Auslegung dieser Steinkreise wäre, dass es sich um Kultstätten für ein Sonnenverehrungsritual handelt. Interessant hierbei ist auch, dass es aus der späten und spätesten Jômon-Zeit viele Gegenstände bekannt sind, die in Zusammenhang mit diesem Kult gestanden haben dürften: Tonmasken, Tierdarstellungen und Tonfigürchen. Mittlerweile hat sich nun auch die  Ansicht laut Linhart durchgesetzt, dass  die einheimische japanische Religion wohl ihre Ursprünge im Kult der Jômon-Bevölkerung hat – somit würde auch erklärt werden können warum der Nassreisanbau so schnell in der darauffolgenden Yayoi-Zeit übernommen werden konnte, denn der Ackerbau wurde schon länger betrieben (Linhart, 1983).
+
 
 +
'''Jômon-Zeit:'''
 +
 
 +
Die Ursprünge der Naturverehrung sollen laut Kawazoe und Tange bereits in der mittleren Jômon-Zeit (8000 v. Chr. – 300 v. Chr.) gefunden werden können. In der mittleren Jomon-Zeit soll der Glaube vorgeherrscht haben, dass die gesamte Natur von übernatürlichen Kräften durchdrungen sei. Vor allem natürliche (wenn auch herausragende) Stein- und Felsformationen wurden als religiöse Symbole übernatürlicher Erscheinungen (kami; 神) angesehen und verehrt.  
 +
 
 +
In der späten Jômon-Zeit vollzog sich dann ein Wandel – die natürlichen Formationen wurden nicht länger als eigentliche Besitzer der übernatürlichen Kräfte betrachtet sondern das diese Formationen eher als 'Wohnorte' der übernatürlichen Erscheinungen dienten. (Kawazoe/ Tange, S. 23). Im Hinblick auf die Entwicklung der Naturverehrung mag die Erklärung von Kawazoe und Tange durchaus stimmen, allerdings sollte darauf hingewiesen werden, dass die Angabe der Jahreszahlen fraglich ist. In verschiedenen Werken, welche die Geschichte Japans behandeln findet man teilweise sehr unterschiedliche Angaben. So dauert die Jômon-Zeit laut Linhart von 10 000 vor Christus bis 300 vor Christus – auch beschränkt er die mittlere Jômon-Zeit auf einen Zeitraum von 3500 vor Christus bis 2500 vor Christus (Linhart, S. 255 und 257). Als Erklärung der Änderung in der Betrachtungsweise der 'heiligen' Naturerscheinungen kann man vermutlich auf die Veränderung des Klimas zurückführen. Linhart schreibt außerdem, dass es in der späten Jômon-Zeit zu einer Verschlechterung des Klimas kam – diese Entwicklung brachte die Menschen dazu die unwirtlich gewordenen Berge zu verlassen und sich dem Leben der östlichen Küstenbewohner anzupassen und auch deren Bräuche und Eigenheiten anzunehmen. So weisen zum Beispiel, die in Nordjapan vorkommenden rund 30 Steinkreise, welche vermutlich als Begräbnisstätten gedient haben auf die vermutlich erste Form des Totenkults hin. Aber Linhart weist auch darauf hin, dass neben der Bestattungsfunktion diese Steinkreise auch als Zerimonialstätten für eine gute Lachsfangsaison gedient haben könnten – da Lachs im Norden eines der wichtigsten Nahrungsmittel darstellte. Diese Schlussfolgerung wird durch eingravierte Lachsdarstellungen in mehreren Steinen nahe gelegt.  
 +
 
 +
Eine andere Auslegung dieser Steinkreise wäre, dass es sich um Kultstätten für ein Sonnenverehrungsritual handelt. Interessant hierbei ist auch, dass es aus der späten und spätesten Jômon-Zeit viele Gegenstände bekannt sind, die in Zusammenhang mit diesem Kult gestanden haben dürften: Tonmasken, Tierdarstellungen und Tonfigürchen. Mittlerweile hat sich nun auch die  Ansicht laut Linhart durchgesetzt, dass  die einheimische japanische Religion wohl ihre Ursprünge im Kult der Jômon-Bevölkerung hat – somit würde auch erklärt werden können warum der Nassreisanbau so schnell in der darauffolgenden Yayoi-Zeit übernommen werden konnte, denn der Ackerbau wurde schon länger betrieben (Linhart, 1983).
 +
 
 +
 
 +
'''Yayoi-Zeit:'''
  
 
In der Yayoi-Zeit  (300 v. Chr. bis 300 n. Chr.) kam es zu mehreren großen Errungen-schaften. Sowohl aus gesellschaftlicher, handwerklicher als auch landwirtschaftlicher Sicht. Als größte Neuheit dieser 600 Jahre umfassenden Epoche kann die Einführung des Nassreisanbaus betrachtet werden. Diese Entwicklung forderte von den Menschen jedoch einige Änderungen in der Gesellschaftsstruktur. Linhart führt an, dass üblicherweise der Reisanbau mit einer höheren Bevölkerungsdichte in Verbindung gebracht werden kann. Er weist aber darauf hin, dass diese Entwicklung in Japan wohl etwas langsamer vorangegangen sein dürfte und anfangs nur dort Reis angebaut wurde, wo keine künstliche Bewässerung erforderlich war.  Die gesicherte Nahrungsmittelproduktion, welche der Nassreisanbau bot und die sesshafte Lebensweise, welche für einen produktiven Nassreisanbau notwendig war führten zu einer raschen Zunahme der Bevölkerung (Linhart, S. 260). Mit dem Nassreisanbau kamen allerdings auch die für Südostasien typischen Speicherbauten (takakura; 高倉) nach Japan. Diese Speicher, mit ihren erhöhten Fußboden welcher Schutz gegen Feuchtigkeit und Ratten bot, waren Zentrum des Dorfes, sie dienten der Aufbewahrung der Ernte – welche auch in Gegenwart der Götter gefeiert wurde (Kawazoe/Tange, 1962). Unter diesem Standpunkt fällt auch die Vorstellung nicht schwer, dass die Menschen der Yayoi-Zeit anfingen auch in Form von Räumen oder Gebäuden die Anwesenheit von Göttern wahrzunehmen.  
 
In der Yayoi-Zeit  (300 v. Chr. bis 300 n. Chr.) kam es zu mehreren großen Errungen-schaften. Sowohl aus gesellschaftlicher, handwerklicher als auch landwirtschaftlicher Sicht. Als größte Neuheit dieser 600 Jahre umfassenden Epoche kann die Einführung des Nassreisanbaus betrachtet werden. Diese Entwicklung forderte von den Menschen jedoch einige Änderungen in der Gesellschaftsstruktur. Linhart führt an, dass üblicherweise der Reisanbau mit einer höheren Bevölkerungsdichte in Verbindung gebracht werden kann. Er weist aber darauf hin, dass diese Entwicklung in Japan wohl etwas langsamer vorangegangen sein dürfte und anfangs nur dort Reis angebaut wurde, wo keine künstliche Bewässerung erforderlich war.  Die gesicherte Nahrungsmittelproduktion, welche der Nassreisanbau bot und die sesshafte Lebensweise, welche für einen produktiven Nassreisanbau notwendig war führten zu einer raschen Zunahme der Bevölkerung (Linhart, S. 260). Mit dem Nassreisanbau kamen allerdings auch die für Südostasien typischen Speicherbauten (takakura; 高倉) nach Japan. Diese Speicher, mit ihren erhöhten Fußboden welcher Schutz gegen Feuchtigkeit und Ratten bot, waren Zentrum des Dorfes, sie dienten der Aufbewahrung der Ernte – welche auch in Gegenwart der Götter gefeiert wurde (Kawazoe/Tange, 1962). Unter diesem Standpunkt fällt auch die Vorstellung nicht schwer, dass die Menschen der Yayoi-Zeit anfingen auch in Form von Räumen oder Gebäuden die Anwesenheit von Göttern wahrzunehmen.  
Es kristalisierten sich also verschieden gestaltete Räume heraus, von denen man annahm, dass sich dort Götter aufhalten sollen. Laut Tange lässt sich damit auch am besten erklären, warum einem bedeutenden Schrein wie dem Großschrein von Ise als architektonische Basis die Speicherbauweise zu Grunde liegt (Tange, S. 75). Wie bereits vorhin erwähnt, kam es ebenfalls auf handwerklicher Ebene zu neuen Errungenschaften. Eisen- und Bronzegeräte wurden laut Linhart zuerst aus Südkorea übernommen beziehungsweise importiert und vermutlich in Japan überarbeitet. Vor allem drei Arten von Gegenständen sind charakteristisch für die japanische Bronzekultur: Bronzespiegel, welche als Zeichen für Wohlhabenheit angesehen wurden, denen aber auch magische Kräfte zugeschrieben worden sein dürften – denn immerhin waren sie das Symbol der Sonne. Dazu kamen Bronzewaffen. Eine besondere Bedeutung wird aber auch den 'Glocken' (dôtaku, 銅鐸) beigemessen. Diese Glocken ohne Klöppel aus der Yayoi-Zeit dürften besonders wertvoll gewesen sein und fanden ebenfalls im Kult Verwendung. Was die Gesellschaft der Yayoi-Zeit betrifft weist Linhart darauf hin, dass es besonders interessant ist, dass immer wieder von "Höherstehenden" und "Niederstehenden" – also auf eine herrschende Schicht und eine untergebene Schicht hingewiesen wird. Auf welche Quellen er sich hierbei beruft geht allerdings nicht aus seinem Werk hervor. Von großem Interesse dürfte auch noch sein, dass in Gräbern der herrschenden Schicht aus dieser Zeit erstmals die späteren Throninsignien findet: Schwert, Spiegel und Krummjuwelen (magatama, 勾玉) – die am Beginn der japanischen Mythologie auftauchen. Linhart schließt daraus, dass sich schon damals Häuptlinge von kleinen politischen Gemeinschaften durch den Besitz dieser Gegenstände legitimiert haben dürften. Außerdem stellt er die Vermutung an, dass die Häuptlinge mit großer Wahr-scheinlichkeit auch als oberste Priester fungierten, was die Verbindung dieser drei Symbole und dem Kult betonen dürfte (Linhart, S. 266 – 267).
+
 
 +
Es kristalisierten sich also verschieden gestaltete Räume heraus, von denen man annahm, dass sich dort Götter aufhalten sollen. Laut Tange lässt sich damit auch am besten erklären, warum einem bedeutenden Schrein wie dem Großschrein von Ise als architektonische Basis die Speicherbauweise zu Grunde liegt (Tange, S. 75). Wie bereits vorhin erwähnt, kam es ebenfalls auf handwerklicher Ebene zu neuen Errungenschaften. Eisen- und Bronzegeräte wurden laut Linhart zuerst aus Südkorea übernommen beziehungsweise importiert und vermutlich in Japan überarbeitet. Vor allem drei Arten von Gegenständen sind charakteristisch für die japanische Bronzekultur: Bronzespiegel, welche als Zeichen für Wohlhabenheit angesehen wurden, denen aber auch magische Kräfte zugeschrieben worden sein dürften – denn immerhin waren sie das Symbol der Sonne. Dazu kamen Bronzewaffen. Eine besondere Bedeutung wird aber auch den 'Glocken' (dôtaku, 銅鐸) beigemessen. Diese Glocken ohne Klöppel aus der Yayoi-Zeit dürften besonders wertvoll gewesen sein und fanden ebenfalls im Kult Verwendung. Was die Gesellschaft der Yayoi-Zeit betrifft weist Linhart darauf hin, dass es besonders interessant ist, dass immer wieder von "Höherstehenden" und "Niederstehenden" – also auf eine herrschende Schicht und eine untergebene Schicht hingewiesen wird. Auf welche Quellen er sich hierbei beruft geht allerdings nicht aus seinem Werk hervor.  
 +
 
 +
Von großem Interesse dürfte auch noch sein, dass in Gräbern der herrschenden Schicht aus dieser Zeit erstmals die späteren Throninsignien findet: Schwert, Spiegel und Krummjuwelen (magatama, 勾玉) – die am Beginn der japanischen Mythologie auftauchen. Linhart schließt daraus, dass sich schon damals Häuptlinge von kleinen politischen Gemeinschaften durch den Besitz dieser Gegenstände legitimiert haben dürften. Außerdem stellt er die Vermutung an, dass die Häuptlinge mit großer Wahr-scheinlichkeit auch als oberste Priester fungierten, was die Verbindung dieser drei Symbole und dem Kult betonen dürfte (Linhart, S. 266 – 267).
  
 
===Bauweise und architektonische Besonderheiten===
 
===Bauweise und architektonische Besonderheiten===

Version vom 20. Januar 2012, 15:19 Uhr

Einführung

Der Großschrein von Ise kann als einer der bedeutensten Schreine Japans betrachtet werden. Der Großschrein selbst besteht aus:

  • 2 Hauptschreinen sowie
  • 123 Hilfs- und Nebenschreinen

Der Innere Schrein ist der Sonnengöttin Amaterasu (auch Amaterasu ômikami; 天照大御神) geweiht – die Ahnherrin des Kaiserhauses wird in diesem Schrein durch einen Spiegel namens yata no kagami symbolisiert. Die Funktion des Äußeren Schreins, welcher Toyouke (auch Toyouke ômikami; 豊受大御神) – der Göttin für Nahrung, Kleidung und Wohnung gewidmet ist, besteht unter anderem darin, Amaterasu mit den eben erwähnten Gütern zu versorgen. Allerdings habe ich hier bis jetzt leider noch keine Informationen gefunden wodurch sie genau symbolisiert wird. Die Distanz zwischen den beiden Schreinen beträgt ungefähr 5 Kilometer, wobei sich der Innere Schrein (naikû; 内宮) nahe der Stadt Uji und der Äußere Schrein (gekû; (外宮) nahe der Stadt Yamada – beide in der Nähe eines Flusses gelegen - befinden. Wenn man an die Bedeutung des Schreins denkt sind die Besucherzahlen von jährlich ca. 6 Millionen Menschen auch nicht verwunderlich. Die Mitglieder des japanischen Kaiserhauses statten dem Schrein regelmäßige Besuche zu wichtigen Ereignissen im Leben der kaiserlichen Familie ab. Zum Beispiel zu Inthronisierungsfeierlichkeiten oder auch nach einer Heirat. Auch der Premierminister und sein Kabinett besuchen regelmäßig zu Neujahr und nach Einsetzung einer neuen Regierung den Schrein, was seine heutige Bedeutung zusätzlich unterschreichen dürfte.

Die Entwicklung des architektonischen Stils

Um die Entstehung des architektonischen Stils des Großschreins von Ise besser nachvollziehen zu können ist es wohl unerlässlich sich mit der Entwicklung der Naturverehrung in Japan näher zu näher zu befassen.

Ursprünge der Naturverehrung

Jômon-Zeit:

Die Ursprünge der Naturverehrung sollen laut Kawazoe und Tange bereits in der mittleren Jômon-Zeit (8000 v. Chr. – 300 v. Chr.) gefunden werden können. In der mittleren Jomon-Zeit soll der Glaube vorgeherrscht haben, dass die gesamte Natur von übernatürlichen Kräften durchdrungen sei. Vor allem natürliche (wenn auch herausragende) Stein- und Felsformationen wurden als religiöse Symbole übernatürlicher Erscheinungen (kami; 神) angesehen und verehrt.

In der späten Jômon-Zeit vollzog sich dann ein Wandel – die natürlichen Formationen wurden nicht länger als eigentliche Besitzer der übernatürlichen Kräfte betrachtet sondern das diese Formationen eher als 'Wohnorte' der übernatürlichen Erscheinungen dienten. (Kawazoe/ Tange, S. 23). Im Hinblick auf die Entwicklung der Naturverehrung mag die Erklärung von Kawazoe und Tange durchaus stimmen, allerdings sollte darauf hingewiesen werden, dass die Angabe der Jahreszahlen fraglich ist. In verschiedenen Werken, welche die Geschichte Japans behandeln findet man teilweise sehr unterschiedliche Angaben. So dauert die Jômon-Zeit laut Linhart von 10 000 vor Christus bis 300 vor Christus – auch beschränkt er die mittlere Jômon-Zeit auf einen Zeitraum von 3500 vor Christus bis 2500 vor Christus (Linhart, S. 255 und 257). Als Erklärung der Änderung in der Betrachtungsweise der 'heiligen' Naturerscheinungen kann man vermutlich auf die Veränderung des Klimas zurückführen. Linhart schreibt außerdem, dass es in der späten Jômon-Zeit zu einer Verschlechterung des Klimas kam – diese Entwicklung brachte die Menschen dazu die unwirtlich gewordenen Berge zu verlassen und sich dem Leben der östlichen Küstenbewohner anzupassen und auch deren Bräuche und Eigenheiten anzunehmen. So weisen zum Beispiel, die in Nordjapan vorkommenden rund 30 Steinkreise, welche vermutlich als Begräbnisstätten gedient haben auf die vermutlich erste Form des Totenkults hin. Aber Linhart weist auch darauf hin, dass neben der Bestattungsfunktion diese Steinkreise auch als Zerimonialstätten für eine gute Lachsfangsaison gedient haben könnten – da Lachs im Norden eines der wichtigsten Nahrungsmittel darstellte. Diese Schlussfolgerung wird durch eingravierte Lachsdarstellungen in mehreren Steinen nahe gelegt.

Eine andere Auslegung dieser Steinkreise wäre, dass es sich um Kultstätten für ein Sonnenverehrungsritual handelt. Interessant hierbei ist auch, dass es aus der späten und spätesten Jômon-Zeit viele Gegenstände bekannt sind, die in Zusammenhang mit diesem Kult gestanden haben dürften: Tonmasken, Tierdarstellungen und Tonfigürchen. Mittlerweile hat sich nun auch die Ansicht laut Linhart durchgesetzt, dass die einheimische japanische Religion wohl ihre Ursprünge im Kult der Jômon-Bevölkerung hat – somit würde auch erklärt werden können warum der Nassreisanbau so schnell in der darauffolgenden Yayoi-Zeit übernommen werden konnte, denn der Ackerbau wurde schon länger betrieben (Linhart, 1983).


Yayoi-Zeit:

In der Yayoi-Zeit (300 v. Chr. bis 300 n. Chr.) kam es zu mehreren großen Errungen-schaften. Sowohl aus gesellschaftlicher, handwerklicher als auch landwirtschaftlicher Sicht. Als größte Neuheit dieser 600 Jahre umfassenden Epoche kann die Einführung des Nassreisanbaus betrachtet werden. Diese Entwicklung forderte von den Menschen jedoch einige Änderungen in der Gesellschaftsstruktur. Linhart führt an, dass üblicherweise der Reisanbau mit einer höheren Bevölkerungsdichte in Verbindung gebracht werden kann. Er weist aber darauf hin, dass diese Entwicklung in Japan wohl etwas langsamer vorangegangen sein dürfte und anfangs nur dort Reis angebaut wurde, wo keine künstliche Bewässerung erforderlich war. Die gesicherte Nahrungsmittelproduktion, welche der Nassreisanbau bot und die sesshafte Lebensweise, welche für einen produktiven Nassreisanbau notwendig war führten zu einer raschen Zunahme der Bevölkerung (Linhart, S. 260). Mit dem Nassreisanbau kamen allerdings auch die für Südostasien typischen Speicherbauten (takakura; 高倉) nach Japan. Diese Speicher, mit ihren erhöhten Fußboden welcher Schutz gegen Feuchtigkeit und Ratten bot, waren Zentrum des Dorfes, sie dienten der Aufbewahrung der Ernte – welche auch in Gegenwart der Götter gefeiert wurde (Kawazoe/Tange, 1962). Unter diesem Standpunkt fällt auch die Vorstellung nicht schwer, dass die Menschen der Yayoi-Zeit anfingen auch in Form von Räumen oder Gebäuden die Anwesenheit von Göttern wahrzunehmen.

Es kristalisierten sich also verschieden gestaltete Räume heraus, von denen man annahm, dass sich dort Götter aufhalten sollen. Laut Tange lässt sich damit auch am besten erklären, warum einem bedeutenden Schrein wie dem Großschrein von Ise als architektonische Basis die Speicherbauweise zu Grunde liegt (Tange, S. 75). Wie bereits vorhin erwähnt, kam es ebenfalls auf handwerklicher Ebene zu neuen Errungenschaften. Eisen- und Bronzegeräte wurden laut Linhart zuerst aus Südkorea übernommen beziehungsweise importiert und vermutlich in Japan überarbeitet. Vor allem drei Arten von Gegenständen sind charakteristisch für die japanische Bronzekultur: Bronzespiegel, welche als Zeichen für Wohlhabenheit angesehen wurden, denen aber auch magische Kräfte zugeschrieben worden sein dürften – denn immerhin waren sie das Symbol der Sonne. Dazu kamen Bronzewaffen. Eine besondere Bedeutung wird aber auch den 'Glocken' (dôtaku, 銅鐸) beigemessen. Diese Glocken ohne Klöppel aus der Yayoi-Zeit dürften besonders wertvoll gewesen sein und fanden ebenfalls im Kult Verwendung. Was die Gesellschaft der Yayoi-Zeit betrifft weist Linhart darauf hin, dass es besonders interessant ist, dass immer wieder von "Höherstehenden" und "Niederstehenden" – also auf eine herrschende Schicht und eine untergebene Schicht hingewiesen wird. Auf welche Quellen er sich hierbei beruft geht allerdings nicht aus seinem Werk hervor.

Von großem Interesse dürfte auch noch sein, dass in Gräbern der herrschenden Schicht aus dieser Zeit erstmals die späteren Throninsignien findet: Schwert, Spiegel und Krummjuwelen (magatama, 勾玉) – die am Beginn der japanischen Mythologie auftauchen. Linhart schließt daraus, dass sich schon damals Häuptlinge von kleinen politischen Gemeinschaften durch den Besitz dieser Gegenstände legitimiert haben dürften. Außerdem stellt er die Vermutung an, dass die Häuptlinge mit großer Wahr-scheinlichkeit auch als oberste Priester fungierten, was die Verbindung dieser drei Symbole und dem Kult betonen dürfte (Linhart, S. 266 – 267).

Bauweise und architektonische Besonderheiten

Die 123 Neben- und Hilfsschreine sind im Stil der Speicher- beziehungsweise Schatzhäuser namens hokura(保倉) errichtet. Die Proportionen sind immer konstant – allerdings unterscheidet sich die Größe je nach Wichtigkeit und Bedeutung. Hier werden als Baumaterialen ausschließlich Holz und Stroh verwendet – dieser Baustil trägt die japanische Bezeichnung shirakizuki (素木造). Die beiden Hauptschreine unterscheiden sich in einigen Punkten von den anderen Schreinen. Beide sind im yuiitsushinmeizukuri (唯一神明造) genannten Stil errichtet - welcher übersetzt soviel wie "Stil Göttlicher Klarheit" oder "Stil Göttlichen Glanzes" bedeutet – dieser Stil ist findet nirgendwo anders in der Shintô Architektur Verwendung. Hierbei muss angemerkt werden dass die beiden Hauptgebäude auch einige Elemente des Palastbaus aufweisen, jedoch nicht komplett diesem Stil entsprechen. Auch verfügen nur die Hauptgebäude über eine Galerie und ein Geländer. Die eigentliche Dachstütze hat eigentlich keine Funktion mehr – Ursprünglich wurden Speicher von der Firstseite betreten und hatten zum Schutz ein verlängertes Dach – welches allerdings bei den Schreinbauten nicht mehr existiert.

Shikinen sengû (式年遷宮)

Einführung des sengû-Systems

Was die Einführung des sengû-Systems betrifft – so wurde es gegen Ende des 7ten Jahrhunderts eingerichtet. Die Pläne dazu wurden von Tenmu Tennô entwickelt und vorangetrieben, doch letztendlich wurde das System durch einen Erlass seiner Witwe Jitô, welche dann auch Tennô wurde im Jahr 688 institutionalisiert. Unter anderem wurden dem Großschrein eine gesetzliche Grundlage mit zahlreichen Einrichtungen geben – zu diesen Einrichtungen zählt auch die Einsetzung einer Kultprinzessin und eines Zeremonienmeisters. Außerdem wurde veranlasst, dass die Familie Watarai, welche bis zu diesem Zeitpunkt die Hohepriester für den innneren Schrein (naikû; 内宮) und den äußeren Schrein (gekû; 外宮) gestellt hatte nur noch das Amt des Oberpriesters des gekû und die Familie Arakida das Amt des Oberpriesters im naikû stellen sollte. Die Institutionalisierung durch Jitô Tennô wird auch im daijingû shôzojiki erwähnt. Ebenfalls wird die alle 20 Jahre stattfindende Schreinüberführung von Jitô Tennô festgelegt. Angeblich soll die erste Schreinüberführung des naikû 690 und die des gekû 692 stattgefunden haben – allerdings ist die erste offizielle Schreinerneuerung laut kôtai jingû gishikichô im Jahr 785 durchgeführt worden.

Der 20 jährige Zyklus

Was sind nun die Gründe für den 20jährigen Zyklus. Hier muss festgehalten werden, dass die Schreingebäude ursprünglich nur temporäre Bauten waren, die speziell für besondere Feierlichkeiten errichtet und anschließend wieder abgerissen wurden. Diese Praxis findet auch heute bei Inthronisationsfeierlichkeiten Anwendung. Erst mit dem Auftreten der Speichergebäude wurden aus temporären dauerhafte Schreinbauten. Als praktische Gründe könnte man vielleicht anführen, dass die verwendeten Baumaterialien leicht der Zerstörung durch Unwetter und Feuer ausgesetzt sind – was zu regelmäßigen Reperaturen oder sogar zu vollständigen Instandsetzungen führt. in der Erde eingelassenen Gebäudepfeiler sind durch den ständigen Kontakt mit Feuchtigkeit und daraus resultierender Fäulnis einem schnellen Verfall ausgesetzt. Auch das Schilfstrohdach hat nur eine begrenzte Lebensdauer. Tokoro bezweifelt diese "Verfallstheorie" stark und vermutet, dass eine Verbindung zu einem alten Kalendergesetz besteht. Der Mondkalender teilt das Jahr in 12 Monate beziehungsweise in 353 Tage. Damit war das Jahr kürzer als das natürliche Jahr, und um die fehlenden tage auszugleichen, wurde ungefähr alle 30 Monate ein Schaltmonat eingefügt. So wurden in 19 Jahren – also 228 Monaten – sieben Schaltmonate eingefügt. Das ergibt die Summe von 235 Monaten, die vollen 19 Jahren entsprechen. Nach diesem Kalender fällt einmal in 20 Jahren der 1.11 auf die Wintersonnenwende – was von alters her vom Kaiserhof also gutes Omen verstanden wird und den Gedanken an eine Rückkehr zum Anfang beinhalten soll.

Umfang des Shikinen sengû

Das System sengû gibt es nicht nur im Großschrein von Ise. Der Nukisaki-Schrein in der Präfektur Gunma wird alle 13 Jahre, der Kasuga-Schrein in Nara alle 30 Jahre und der Kamo-Schrein in Kyôto alle 50 Jahre erneuert. Die Sitte des sengû im Ise-Schrein hat laut Obayashi und Watanabe wegen ihres Alters und ihrem Umfang eine besondere Bedeutung (Obayashi/Watanabe, 1982). Im Rahmen des shikinen sengû werden nicht nur die beiden Hauptschreine und die vierzehn Hilfsschreine erneuert, sondern auch die Heiligen Schätze und Gewänder – es gibt 491 geweihte Schatzgegenstände. 1085 geweihte Gewänder – darunter Kleidung für die Gottheit, Stoffe zur Verkleidung oder Dinge zum privaten Gebrauch der Göttin. Dazu kommen Ritualgegenstände. Dann wären noch die heiligen Schätze, also Geräte und Werkzeuge wie Pferdegeschirr, Musikinstrumente und Schreibutensilien – rein zur privaten Nutzung durch die Gottheit. Dazu kommen dann noch 60 Zeremonialschwerter – darunter das wertvolle tamamaki no ontachi, das mit Edelsteinen besetzt ist, Zeremonialbögen samt Zubehör, Speere, Schilder, Banner, 31 Spiegel, Kämme und ein Miniaturwebstuhl Nicht zuletzt hat die zyklische Schreinerneuerung dazu beigetragen, dass architektonische und handwerkliche Traditionen über die Jahrhunderte erhalten werden konnten.

Riten

Was die Riten des sengûsai betrifft, so finden diese bei besonderen Stationen im Bauverlauf, beim Austauschen der heiligen Schätze und Gewänder und schließlich bei der eigenen Überführung der Gottheiten zu ihren neuen Wohnsitzen statt. Somit kommt es innerhalb von 8 Jahren zu mehr als 30 Zeremonien, jeweils im Naikû, Gekû und den beiden wichtigsten Hilfsschreinen. Die 8jährige Vorbereitungszeit gibt es seit dem 46. sengû im Jahr 1869. Hier muss angemerkt werden , dass zahlreiche Festdaten einschließlich des Datums für das sengyo durch ein kaiserliches Dekret festgelegt werden.

Kritik am sengû-System

Die anfallenden Kosten für die 61. Schreinüberführung beliefen sich auch 32,7 Milliarden Yen was anhand des benötigten Materials und der Arbeitszeit nicht schwer zu glauben ist. Im Vergleich dazu die Kosten von 1973 mit 4,5 Milliarden Yen (Asahi Shinbun, 1993). Wenn man die Liste an benötigten Materialien betrachtet, so muss angemerkt werden, dass in diesem Zusammenhang in Japan Kritik laut wurde. Die Verschwendung von wertvollen Ressourcen sei nicht mehr ökologisch vertretbar. Dem hält der Großschrein mit Aufforstungsprogrammen und einem erworbenen Waldstück von 1000 Hektar entgegen. Seit dem 23.1.1946 haben alle Shintô-Schreine den rechtlichen Status von religiösen Körperschaften und über 80 000 Schreine sind in einem Dachverband vereinigt. Zuvor hatten die amerikanischen Besatzungsmächte die staatliche Kontrolle und Verbreitung des Staats-Shinto abgeschafft. Heute sieht Artikel 89 der japanischen Verfassung von 1974 die Trennung von Staat und Religion vor – was auch den Wegfall von staatlichen Geldern für Shinto-Schreine erklärt. Die Summe von 32,7 Milliarden Yen setzt sich ausschließlich aus Spendengeldern zusammen von dem 20 Milliarden aus dem Fond des Ise-Shreins stammen. Auch spendet der Tennô mit seinem Privatvermögen. Weiters kommen noch Spenden von Unternehmen und Privatpersonen.

Literatur

Felicia G. Bock 1974
„The rites of renewal at Ise.“ Monumenta Nipponica 29 (1974), S. 55–68.
Florian Coulmas 1994
„Eternal change at the grand shrine of Ise.“ Japan Quaterly 1 (1994), S. 36-43.
Robert S. Ellwood 1968
„Harvest and renewal at the Grand Shrine of Ise.“ Numen 15/3 (1968), S. 165-190.
Kawazoe Noboru 川添登 1962
„The Ise shrine.“ Japan Quarterly IX/3 (1962), S. 285-292.
Sepp Linhart 1983
„Japan.“ In: Otto Ladstätter und Sepp Linhart (Hg.), China und Japan - Die Kulturen Ostasiens. Wien: Ueberreuter 1983, S. 245-400.


  1. WEITERLEITUNG Literatur:Obayashi 1982
Tange Kenzō 丹下 健三 1965
Ise: Prototype of Japanese architecture. Cambridge: The M.I.T. Press 1965.
Klaus Zwerger 2000
Wood and wood joints: building traditions of Europe and Japan. Basel: Brickhäuser 2000.