Seefahrt: Unterschied zwischen den Versionen

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== Seefahrt und Religion ==
 
== Seefahrt und Religion ==
  
Der Buddhismus beeinflusste die Wahrnehmung von Meer und Seefahrern in Japan. Eschatologische Ansätze stellten das Meer als einen jenseitigen Raum dar, der mit Tod und Erlösung in Zusammenhang gebracht wurde. Manche von esoterischen Schulen entwickelt kosmologische Modelle wurden, welche schintoistische und buddhistische Vorstellungen miteinander vereinten, stellen Japan in das Zentrum des buddhistischen Kosmos mit dem Kaiser als Mittelpunkt der Reinheit in der Welt. Die Seewege, die Japan mit den fremden „Anderen“ verbindet, sind umso verunreinigter je weiter sie sich von Kyoto entfernen und je näher sie dem Fremden kommen. Über das Meer könnten möglicherweise dämonische Fremde, die Krankheiten übertragen oder die auf Eroberung aus sind, befördert werden. Diese Ansichten blieben bis weit in die Vormoderne bestehen. Für die Pockenepidemie von 735 bis 737 wurden die Barbaren verantwortlich gemacht. Die mongolischen Invasionen von 1274 und 1281 blieben als ständige Bedrohung der japanischen Elite lange im Gedächtnis.
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Der Buddhismus beeinflusste die Wahrnehmung von Meer und Seefahrern in Japan. Eschatologische Ansätze stellten das Meer als einen jenseitigen Raum dar, der mit Tod und Erlösung in Zusammenhang gebracht wurde. Manche von esoterischen Schulen entwickelt kosmologische Modelle wurden, welche schintoistische und buddhistische Vorstellungen miteinander vereinten, stellen Japan in das Zentrum des buddhistischen Kosmos mit dem Kaiser als Mittelpunkt der Reinheit in der Welt. Die Seewege, die Japan mit den fremden „Anderen“ verbindet, sind umso verunreinigter je weiter sie sich von Kyoto entfernen und je näher sie dem Fremden kommen. Über das Meer könnten möglicherweise dämonische Fremde, die Krankheiten übertragen oder die auf Eroberung aus sind, befördert werden. Diese Ansichten blieben bis weit in die Vormoderne bestehen. Für die Pockenepidemie von 735 bis 737 wurden die Barbaren verantwortlich gemacht. Die mongolischen Invasionen von 1274 und 1281 blieben als ständige Bedrohung der japanischen Elite lange im Gedächtnis (Shapinsky 2014: 50-51).
  
[[Bild:Shōmyōji_Karte_von_Japan.jpg|right|thumb|Abbildung 1: Shōmyōji-Karte von Japan]]Der Einfluss der buddhistischen Kosmologien zeigt sich auch in Landkarten aus dem Mittelalter. In Gyōki-Landkarten wird Japan in der Form eines ''vajra'' dargestellt. Die Bezeichnung Gyōki stammt von dem buddhistischen Mönch und Boddhisatva Gyōki (668-749), welcher angeblich die ersten Landkarten von Japan gezeichnet hat. Ein ''vajra'' ist ein wichtiger ritueller Gebrauchsgegenstand, der verwendet wird um den kosmischen Buddha Mahāvairocana (jp. Dainichi Nyōrai) zu verehren. In Abbildung 1 ist eine solche Gyōki Landkarte zu sehen, in der zu erkennen ist, dass man sich bei der Darstellung Japans auf das Festland konzentriert. Außerdem werden Japan, andere Inseln und Meere von einem schuppigen Rand umringt, welcher für den Teil eines Drachen gehalten wird, der Japan beschützt. Üblich bei diese vormodernen Darstellungen des Meeres in diesen Landkarten, erhält das Meer im Gegensatz zum Festland keine Bezeichnung. Jenseits des Drachens liegen Tsushima und die Oki-Inseln.
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[[Bild:Shōmyōji_Karte_von_Japan.jpg|right|thumb|Abbildung 1: Shōmyōji-Karte von Japan]]Der Einfluss der buddhistischen Kosmologien zeigt sich auch in Landkarten aus dem Mittelalter. In Gyōki-Landkarten wird Japan in der Form eines ''vajra'' dargestellt. Die Bezeichnung Gyōki stammt von dem buddhistischen Mönch und Boddhisatva Gyōki (668-749), welcher angeblich die ersten Landkarten von Japan gezeichnet hat. Ein ''vajra'' ist ein wichtiger ritueller Gebrauchsgegenstand, der verwendet wird um den kosmischen Buddha Mahāvairocana (jp. Dainichi Nyōrai) zu verehren. In Abbildung 1 ist eine solche Gyōki Landkarte zu sehen, in der zu erkennen ist, dass man sich bei der Darstellung Japans auf das Festland konzentriert. Außerdem werden Japan, andere Inseln und Meere von einem schuppigen Rand umringt, welcher für den Teil eines Drachen gehalten wird, der Japan beschützt. Üblich bei diese vormodernen Darstellungen des Meeres in diesen Landkarten, erhält das Meer im Gegensatz zum Festland keine Bezeichnung. Jenseits des Drachens liegen Tsushima und die Oki-Inseln (Shapinsky 2014: 51).
  
Buddhismus lieferte Wege, wie man das Meer in Japan integrieren konnte. Die Shōmyōji-Landkarte beschriftet angrenzende Gewässer innerhalb der Provinzen von Japan und innerhalb des vom angeblichen Drachenkörper umgebenen Gebietes. Außerdem sehen Texte und Diagramme, die Japan als ''vajra'' darstellen, Küstengewässer auch als Teil von Japan. Eine Tendai-Variante der esoterischen, buddhistischen Kosmografie identifiziert die drei Gewässer See Biwa, Ise Bucht und Tsuruga Bucht als „Koboldaugen“ (''kimoku'' 鬼目). Koboldaugen sind die verzierenden Kreise in der Mitte des Griffes eines ''vajra''. Durch das Indentifizieren dieser drei Gewässer als Teile eines ''vajra'', werden diese ein Teil des japanischen „Landes der Götter“. Weiters nutzten die vorherrschenden esoterischen, buddhistischen Kosmologien im vormodernen Japan das Konzept des „Inneren Meeres“ um die Gewässer, die die Säule des Universums, nämlich Berg Sumeru, umgeben, zu beschreiben. Manche mittelalterliche, japanische, esoterische Sekten glaubten, dass verschiedene Orte in Austausch mit Berg Sumeru standen und somit die Japan umgebenden Gewässer zu „Inneren Meere“ machten.
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Buddhismus lieferte Wege, wie man das Meer in Japan integrieren konnte. Die Shōmyōji-Landkarte beschriftet angrenzende Gewässer innerhalb der Provinzen von Japan und innerhalb des vom angeblichen Drachenkörper umgebenen Gebietes. Außerdem sehen Texte und Diagramme, die Japan als ''vajra'' darstellen, Küstengewässer auch als Teil von Japan. Eine Tendai-Variante der esoterischen, buddhistischen Kosmografie identifiziert die drei Gewässer See Biwa, Ise Bucht und Tsuruga Bucht als „Koboldaugen“ (''kimoku'' 鬼目). Koboldaugen sind die verzierenden Kreise in der Mitte des Griffes eines ''vajra''. Durch das Indentifizieren dieser drei Gewässer als Teile eines ''vajra'', werden diese ein Teil des japanischen „Landes der Götter“. Weiters nutzten die vorherrschenden esoterischen, buddhistischen Kosmologien im vormodernen Japan das Konzept des „Inneren Meeres“ um die Gewässer, die die Säule des Universums, nämlich Berg Sumeru, umgeben, zu beschreiben. Manche mittelalterliche, japanische, esoterische Sekten glaubten, dass verschiedene Orte in Austausch mit Berg Sumeru standen und somit die Japan umgebenden Gewässer zu „Inneren Meere“ machten (Shapinsky 2014: 52).
  
Diese kosmografischen Ansichten beeinflussten wie landgebundene Japaner Seefahrer und Meere betrachtet wurden. Die Vorstellung, dass Personen, die sich ihren Lebensunterhalt mit Fischerei, Piraterie und anderen Formen von potentieller tödlicher Gewalt verdienten, brachte die landgebundene Elite dazu diese Personen der Kategorie der buddhistischen Verdammten zuzuordnen.
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Diese kosmografischen Ansichten beeinflussten wie landgebundene Japaner Seefahrer und Meere betrachtet wurden. Die Vorstellung, dass Personen, die sich ihren Lebensunterhalt mit Fischerei, Piraterie und anderen Formen von potentieller tödlicher Gewalt verdienten, brachte die landgebundene Elite dazu diese Personen der Kategorie der buddhistischen Verdammten zuzuordnen (Shapinsky 2014: 53).
  
Seeleute wurden in einigen frühen Quellen als fremd angesehen. Das Kapitel über Japan in dem Werk „Chinesische Geschichte der südlichen Dynastien“ (''Nan shi'') beinhaltet eine Beschreibung, welche Seeleute als Fremde charakterisiert. Darin steht, dass sie über schwarze Haut und weiße Augen verfügen sowie dass sie nackt und hässlich sind. Außerdem bevorzugen sie es Fleisch zu essen und schießen auf und verspeisen Reisende.  
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Seeleute wurden in einigen frühen Quellen als fremd angesehen. Das Kapitel über Japan in dem Werk „Chinesische Geschichte der südlichen Dynastien“ (''Nan shi'') beinhaltet eine Beschreibung, welche Seeleute als Fremde charakterisiert. Darin steht, dass sie über schwarze Haut und weiße Augen verfügen sowie dass sie nackt und hässlich sind. Außerdem bevorzugen sie es Fleisch zu essen und schießen auf und verspeisen Reisende (Shapinsky 2014: 53).
  
 
Der Buddhismus inspirierte Geschichten in denen Seeleute in der Funktion als Piraten zu Bösewichte werden, die sich den Siegeszügen der Tugendhaften widersetzen und in denen die Vorteile, die durch buddhistische Reinheit entstehen, gezeigt werden.  
 
Der Buddhismus inspirierte Geschichten in denen Seeleute in der Funktion als Piraten zu Bösewichte werden, die sich den Siegeszügen der Tugendhaften widersetzen und in denen die Vorteile, die durch buddhistische Reinheit entstehen, gezeigt werden.  
Buddhismus hat auch zu der wachsenden gesellschaftlichen Akzeptanz von Piraterie beigetragen. Seeleute wurden zu Dienstboten des Shintō und von buddhistischen, religiösen Institutionen, denn manche übernahmen Positionen als lizensierte Lieferanten (''jinin'', ''kugonin'', ''gusainin'') für bestimmte Handelsgüter für welche sie von diesen religiösen Instituten Steuerbefreiung für ihre Seereisen erhielten. Andere Seefahrer positionierten sich in engen Seekanälen und Bergpässen und verdienten sich ihren Lebensunterhalt in dem sie die Sicherheit der Reisenden gewährleisteten. Als Gegenleistung für ihre Dienste verlangten sie Wegezoll, den sie den Göttern des Meeres oder der Berge als einen Teil der ersten Ernte des Jahres (''hatsuo'') darboten.
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Buddhismus hat auch zu der wachsenden gesellschaftlichen Akzeptanz von Piraterie beigetragen. Seeleute wurden zu Dienstboten des Shintō und von buddhistischen, religiösen Institutionen, denn manche übernahmen Positionen als lizensierte Lieferanten (''jinin'', ''kugonin'', ''gusainin'') für bestimmte Handelsgüter für welche sie von diesen religiösen Instituten Steuerbefreiung für ihre Seereisen erhielten. Andere Seefahrer positionierten sich in engen Seekanälen und Bergpässen und verdienten sich ihren Lebensunterhalt in dem sie die Sicherheit der Reisenden gewährleisteten. Als Gegenleistung für ihre Dienste verlangten sie Wegezoll, den sie den Göttern des Meeres oder der Berge als einen Teil der ersten Ernte des Jahres (''hatsuo'') darboten (Shapinsky 2014: 54).
  
 
== Siehe auch ==
 
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* Link zur LV: [[Kamigraphie:Seefahrt]]
 
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* [[Seefahrt/Literatur]]
 
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==Quellen==
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*{{Literatur:Shapinsky 2014}}

Version vom 3. April 2016, 22:01 Uhr

Allgemeines

Seefahrt und Religion

Der Buddhismus beeinflusste die Wahrnehmung von Meer und Seefahrern in Japan. Eschatologische Ansätze stellten das Meer als einen jenseitigen Raum dar, der mit Tod und Erlösung in Zusammenhang gebracht wurde. Manche von esoterischen Schulen entwickelt kosmologische Modelle wurden, welche schintoistische und buddhistische Vorstellungen miteinander vereinten, stellen Japan in das Zentrum des buddhistischen Kosmos mit dem Kaiser als Mittelpunkt der Reinheit in der Welt. Die Seewege, die Japan mit den fremden „Anderen“ verbindet, sind umso verunreinigter je weiter sie sich von Kyoto entfernen und je näher sie dem Fremden kommen. Über das Meer könnten möglicherweise dämonische Fremde, die Krankheiten übertragen oder die auf Eroberung aus sind, befördert werden. Diese Ansichten blieben bis weit in die Vormoderne bestehen. Für die Pockenepidemie von 735 bis 737 wurden die Barbaren verantwortlich gemacht. Die mongolischen Invasionen von 1274 und 1281 blieben als ständige Bedrohung der japanischen Elite lange im Gedächtnis (Shapinsky 2014: 50-51).

Abbildung 1: Shōmyōji-Karte von Japan

Der Einfluss der buddhistischen Kosmologien zeigt sich auch in Landkarten aus dem Mittelalter. In Gyōki-Landkarten wird Japan in der Form eines vajra dargestellt. Die Bezeichnung Gyōki stammt von dem buddhistischen Mönch und Boddhisatva Gyōki (668-749), welcher angeblich die ersten Landkarten von Japan gezeichnet hat. Ein vajra ist ein wichtiger ritueller Gebrauchsgegenstand, der verwendet wird um den kosmischen Buddha Mahāvairocana (jp. Dainichi Nyōrai) zu verehren. In Abbildung 1 ist eine solche Gyōki Landkarte zu sehen, in der zu erkennen ist, dass man sich bei der Darstellung Japans auf das Festland konzentriert. Außerdem werden Japan, andere Inseln und Meere von einem schuppigen Rand umringt, welcher für den Teil eines Drachen gehalten wird, der Japan beschützt. Üblich bei diese vormodernen Darstellungen des Meeres in diesen Landkarten, erhält das Meer im Gegensatz zum Festland keine Bezeichnung. Jenseits des Drachens liegen Tsushima und die Oki-Inseln (Shapinsky 2014: 51).

Buddhismus lieferte Wege, wie man das Meer in Japan integrieren konnte. Die Shōmyōji-Landkarte beschriftet angrenzende Gewässer innerhalb der Provinzen von Japan und innerhalb des vom angeblichen Drachenkörper umgebenen Gebietes. Außerdem sehen Texte und Diagramme, die Japan als vajra darstellen, Küstengewässer auch als Teil von Japan. Eine Tendai-Variante der esoterischen, buddhistischen Kosmografie identifiziert die drei Gewässer See Biwa, Ise Bucht und Tsuruga Bucht als „Koboldaugen“ (kimoku 鬼目). Koboldaugen sind die verzierenden Kreise in der Mitte des Griffes eines vajra. Durch das Indentifizieren dieser drei Gewässer als Teile eines vajra, werden diese ein Teil des japanischen „Landes der Götter“. Weiters nutzten die vorherrschenden esoterischen, buddhistischen Kosmologien im vormodernen Japan das Konzept des „Inneren Meeres“ um die Gewässer, die die Säule des Universums, nämlich Berg Sumeru, umgeben, zu beschreiben. Manche mittelalterliche, japanische, esoterische Sekten glaubten, dass verschiedene Orte in Austausch mit Berg Sumeru standen und somit die Japan umgebenden Gewässer zu „Inneren Meere“ machten (Shapinsky 2014: 52).

Diese kosmografischen Ansichten beeinflussten wie landgebundene Japaner Seefahrer und Meere betrachtet wurden. Die Vorstellung, dass Personen, die sich ihren Lebensunterhalt mit Fischerei, Piraterie und anderen Formen von potentieller tödlicher Gewalt verdienten, brachte die landgebundene Elite dazu diese Personen der Kategorie der buddhistischen Verdammten zuzuordnen (Shapinsky 2014: 53).

Seeleute wurden in einigen frühen Quellen als fremd angesehen. Das Kapitel über Japan in dem Werk „Chinesische Geschichte der südlichen Dynastien“ (Nan shi) beinhaltet eine Beschreibung, welche Seeleute als Fremde charakterisiert. Darin steht, dass sie über schwarze Haut und weiße Augen verfügen sowie dass sie nackt und hässlich sind. Außerdem bevorzugen sie es Fleisch zu essen und schießen auf und verspeisen Reisende (Shapinsky 2014: 53).

Der Buddhismus inspirierte Geschichten in denen Seeleute in der Funktion als Piraten zu Bösewichte werden, die sich den Siegeszügen der Tugendhaften widersetzen und in denen die Vorteile, die durch buddhistische Reinheit entstehen, gezeigt werden. Buddhismus hat auch zu der wachsenden gesellschaftlichen Akzeptanz von Piraterie beigetragen. Seeleute wurden zu Dienstboten des Shintō und von buddhistischen, religiösen Institutionen, denn manche übernahmen Positionen als lizensierte Lieferanten (jinin, kugonin, gusainin) für bestimmte Handelsgüter für welche sie von diesen religiösen Instituten Steuerbefreiung für ihre Seereisen erhielten. Andere Seefahrer positionierten sich in engen Seekanälen und Bergpässen und verdienten sich ihren Lebensunterhalt in dem sie die Sicherheit der Reisenden gewährleisteten. Als Gegenleistung für ihre Dienste verlangten sie Wegezoll, den sie den Göttern des Meeres oder der Berge als einen Teil der ersten Ernte des Jahres (hatsuo) darboten (Shapinsky 2014: 54).

Siehe auch


Quellen

  • Peter D. Shapinsky 2014
    Lords of the sea: Pirates, violence, and commerce in late medieval Japan. Ann Arbor, Michigan: The Univ. of Michigan 2014. (S.a. Exzerpt.)