Kannon: Unterschied zwischen den Versionen

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Davis, Hadland F. (2007) ''Myths and Legends of Japan''. New York: Cosimo Inc. [1. Ausgabe 1913]
 
Davis, Hadland F. (2007) ''Myths and Legends of Japan''. New York: Cosimo Inc. [1. Ausgabe 1913]
  
Nakamura Kyōko (1973) ''Miraculous stories from the Japanese Buddhist tradition: the Nihon ryōiki of the monk Kyōkai''. Harvard University Press.
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Palmer, Martin, Jay Ramsay und Man-Ho Kwok (2009): ''Kuan Yin. Myths and Prophecies of the Chinese Goddess of Compassion''. San Francisco: Hampton Roads Pub Co Inc.
 
Palmer, Martin, Jay Ramsay und Man-Ho Kwok (2009): ''Kuan Yin. Myths and Prophecies of the Chinese Goddess of Compassion''. San Francisco: Hampton Roads Pub Co Inc.
  

Version vom 17. Januar 2014, 13:58 Uhr

Kannon.jpg
Seiten-Infobox
Themengruppe Gottheiten (Götter, numinose Erscheinungen)
Name Kannon oder Kanzeon 觀音 oder 觀世音 („die Gebete der Welt wahrnehmend“)
Sonstige Namen Guānyīn, Guānshìyīn oder Kuan Yin
Rel. Zugehörigkeiten Buddhismus
Herkunft Indien
Ikonographie u.a. mehrere Arme oder Köpfe, diverse Gegenstände wie Waffen oder Schmuck – Zeichen für übernatürliche Fähigkeiten
Funktion, Wirkkraft spendet Trost und Glück
Bemerkung weiblicher Bodhisattva des Mitgefühls

Kannon ist seit ihrer Ankunft Ende des sechsten Jahrhunderts in Japan eine der beliebtesten Gottheiten im buddhistischen Pantheon. Der Name Kannon ist eine Kurzform von 'Kanzeon' 觀世音und setzt sich aus den Schriftzeichen kan 觀 für „betrachten, anschauen, einen Blick auf etwas werfen“, oder „Anschauung, Ansicht“ und on 音 „Ton, Laut, Schall“ zusammen. Daraus ableitend bedeutet 觀世音 so viel wie "die Töne (oder auch Gebete) der Welt wahrnehmend". Aus dieser Beschreibung ergibt sich die Aufgabe der mitfühlenden Bodhisattva, nämlich den Gebeten und Rufen von den auf der Erde lebenden Menschen zu lauschen und ihnen zu helfen Erlösung zu finden. Da viele Menschen bei ihr Trost und Glück suchen, ist sie als eine der am meisten verehrten Figuren des ostasiatischen Buddhismus in zahlreichen Ikonographien, Texten und praktizierter Religion auffindbar[1].


Ursprung und Weg nach Japan

Der Ursprung der Bodhisattva Kannon wird dem indischen Raum zugeschrieben. Dort gab es den männlichen Bodhisattva (bosatsu 菩薩) des universellen Mitgefühls (Sanskrit karuna) namens Avalokiteshvara (wtl. "Herr, der alle beachtet")[2], welcher auch als Schutzpatron des Landes Tibet fungierte. Im ersten bzw. zweiten Jahrhundert begann er sich von dort aus in Ostasien auszubreiten und gelangte so nach China, Korea, Japan und andere asiatische Nationen[3]. Während der Ausbreitung verwandelte sich die Gestalt im ostasiatischen Mahayana-Buddhismus in den weiblichen Bodhisattva des Mitgefühls, Guānyīn (Chinesisch 觀音 oder 观音) genannt.

Die Verehrung in Japan selbst begann im späten sechsten Jahrhundert, kurz nach Ankunft des Buddhismus, welcher von China über Korea in das Land gelangte. Das Paradies, welches man durch Kannon erreichen kann, ist als Fudaraku-sen 補陀落山 bekannt und es wird angenommen, dass es an der südlichen Landspitze Indiens liegt[4]. Viele Statuen der anfänglichen Darstellung in Japan aus der Asuka-Zeit (538-710) sind immer noch vorhanden. Während das Geschlecht ursprünglich männlich war, wurde Kannon in Japan, China und anderen ostasiatischen Ländern als weibliche Bodhisattva dargestellt und je nach Land, spirituellen Konzepten und Charakterzügen waren auch ihre Kleider und die Symbole unterschiedlich. Desweiteren wird angenommen, dass viele verschiedene historische Figuren als Boten oder Gesandte Kannons tätig waren, wie beispielsweise der Prinzregent Shōtoku Taishi 聖徳太子 (Japans erster Förderer des Buddhismus), Daruma (der Begründer des Zen-Buddhismus) oder Chūjō Hime 中将姫 (Tochter von Fujiwara no Toyonari und Buddhismusanhängerin). Außerdem wird angenommen, dass der Schutzherr Bishamonten 毘沙門天 - der Herr des Nordens, einer der Vier Himmlischen Könige und einer der Sieben Glücksgötter Japans - eine Manifestation der Bodhisattva darstellt. Auch in anderen Kulturen bringt man Figuren mit Kannon in Verbindung, wie beispielsweise in Tibet, wo man glaubt, dass der derzeitige Dalai Lama eine Inkarnation Kannons ist.

Darstellung

Schon in der Táng-Dynastie (618-907) in China entstanden viele Statuen, wobei Guānyīn gemäß der Übersetzung zunächst noch als Mann dargestellt wurde. Dem Volk jedoch waren die Betonung des Mitgefühls und feminine Attribute so wichtig, dass es zu einer Wandlung kam. Zu jener Zeit war die aus dem Daoismus stammende Göttin Xīwángmǔ 西王母 ("die Königinmutter des Westens") . sehr beliebt und durch die Vermischung dieser und anderer religiöser Ideen entstand im Laufe der Zeit die Bodhisattva Guānyīn. So geschah es, dass sie bereits im neunten und zehnten Jahrhundert besonders im Nordwesten Chinas immer häufiger als Frau dargestellt wurde. Als Ende des sechzehnten Jahrhunderts Jesuiten nach Asien gelangten und eine Madonna-Statue im Gepäck hatten, nahmen die einheimischen Künstler dieses Motiv als Vorbild und fertigten neue Statuen. Andere Darstellungen der Bodhisattva orientieren sich an ihrer Ursprungsgestalt Avalokiteshvara, wodurch sie oft viele Augen, damit sie das Leid der Erde sehen und viele Arme, damit sie den Lebewesen helfen kann, hat. Diese vielfältigen Gliedmaßen an Körpern stehen zusammen mit diversen Gegenständen wie Waffen und Schmuck für die übernatürlichen Fähigkeiten der Bodhisattva. Sie unterschieden sich jedoch je nach Form – auch Inkarnationen oder Manifestationen genannt, in welchen Kannon den Menschen gegenüber tritt.

Roku Kannon 六觀音

In Japan ist Kannon nicht konfessionsgebunden und sehr weit verbreitet. Daher gibt es auch unzählige Erscheinungsformen, in welchen sie den Menschen auf der Erde Beistand leistet und ihnen hilft aus den rokudō 六道, den sechs Welten, in denen Lebewesen mit schlechtem Karma wiedergeboren werden, auszubrechen. Die am häufigsten verwendeten Manifestationen Kannons sind jene des Roku Kannon 六觀音 – jeweils ein Kannon für die sechs Reiche der karmischen Wiedergeburt:

  • Shō Kannon 聖観音 oder 正観音 ("Heilige Kannon"): Diese einfache Figur ist das Vorbild für weitere Erscheinungsformen und bildet somit eine Art Urfigur. Die Verehrung begann schon im ersten Jahrhundert in Indien. In Japan wird sie auch als Guze-Kannon bezeichnet und die erste je gefertigte Holzstatue befindet sich im Hōryū-ji Temple 法隆寺 in Nara. In traditionellen buddhistischen Werken wird Shō Kannon zumeist stehend, mit einer Lotos-Blüte oder einem Gefäß mit Wasser in der Hand dargestellt.


  • Jūichimen Kannon 十一面観音 ("Kannon mit den Elf Gesichtern"): Diese Ikonographie wurde im siebten Jahrhundert von China nach Japan gebracht. Kannon hat hierbei elf Gesichter als Krone auf ihrem Kopf, wobei es verschiedene Erklärungen für die Zahl 11 gibt. Laut einer Volkssage sind die elf Köpfe ein Symbol dafür, dass Kannon von dem vielen Leid auf der Erde so bedrückt war, dass sie ihren Kopf teilte, um so allen gerecht werden zu können. Eine weitere Erklärung ist, dass zehn Köpfe die zehn Stufen des Bodhisattva-Weges, die man durchlaufen muss um Erlösung zu finden, darstellen. Der elfte Kopf steht hierbei das Zentrum und die Erreichung der Buddhaschaft. Auch die Darstellung der Arme kann sich in ihrer Zahl unterscheiden und reicht von zwei bis hin zu acht.


  • Nyoirin Kannon 如意輪観音 ("Kannon mit der Wunscherfüllungsperle): Diese Erscheinungsform hat sich erst mit Beginn der Heian-Zeit (794-1185) etabliert. Die Figur wird meist sitzend – in der "Haltung königlicher Gelassenheit" – und mit sechs Armen dargestellt. Laut dem buddhistischen Gelehrten Matsunami Kōdō 松濤弘道 hat Kannon sechs Arme, um die Lebewesen in den sechs Reichen retten zu können: jene der Hölle, des Geisterreichs, des Tierreichs, dem Dämonenreich Asura, der Menschenwelt und dem Reich der Deva. Japans älteste Darstellung in dieser Manifestation befindet sich im Kanshinji Temple 観心寺 in Ōsaka und wurde um 840 fertiggestellt. Charakteristische Attribute sind das Wunsch erfüllende Juwel (nyoi hōju 如意宝珠) und ein radförmiges Altargerät (rinpō 輪宝).


  • Senju Kannon 千手觀音 ("Kannon mit den Tausend Händen"): Diese Manifestation ist eine der beliebtesten in der Esoterik. Seit dem achten Jahrhundert wurde Senju Kannon in Japan als zentrales Objekt der Hingabe verehrt und man betete oft zu ihr, wenn man Krankheiten, Augenprobleme oder Blindheit kurieren bzw. vermeiden wollte. Japan besitzt die ältesten noch erhaltenen Statuen, wie beispielsweise jene im Fujii-dera 葛井寺 in Ōsaka. Um den Lebewesen am besten helfen zu können aus dem Leidenskreislauf (Sanskrit samsara) auf Erden ausbrechen zu können, teilten sich ihre Hände und so entstand die Form mit den tausend Händen, welche oftmals auch noch mit je einem Auge dargestellt werden. Die meisten Statuen bzw. Darstellungen Senju Kannons haben jedoch insgesamt nur 42 Arme – zwei reguläre Arme des gasshō-in 合掌印 (Mudra der Verehrung) und die vierzig restlichen repräsentieren die 25 buddhistischen Welten[5]. Darstellungen mit allen 1000 Armen sind sehr selten und in Japan beispielsweise im Tōshōdaiji Temple 唐招提寺 in Nara und im Fujiidera Temple 葛井寺 in Ōsaka anzutreffen.


  • Suigetsu Kannon 水月観音 ("den Mond im Wasser betrachtende Kannon"): Diese Darstellung symbolisiert einen Spiegel, welcher die Leere aller Phänomene zeigt, wie beispielsweise, dass das Leben eine Illusion ist – das Wasser spiegelt somit die Realität wieder. Kannon wird hierbei oft in einem weißen Kleid und mit versunkenem Blick am Meer oder an einem See sitzend dargestellt.


  • Batō Kannon 馬頭観音 ("Kannon mit Pferdekopf"): Batō Kannon ist der Beschützer der Tiere und kommt im Dainichikyō 大日經 (Mahā-Vairocana-Sūtra), welches um das sechste oder siebte Jahrhundert entstand, vor. Batō Kannon ist eine der Myōō 明王, eine buddhistische Schutzgottheit, die mit wütendem Gesicht dargestellt wird und gehört zu den sogenannten Acht Großen Myōō 八大明王. In Japan beten v.a. Bauern um Schutz für ihre Herden, doch Batō Kannon kümmert sich nicht nur während des Lebens auf der Erde um die Tiere, sondern nimmt sich deren Seelen an und verhilft ihnen zu einem glücklichen Leben im Jenseits[6]. In einigen Bedeutungen wird auf die zornvolle Erscheinung von Kannon hingeweisen. Es wird gesagt, dass Batō die wütende Form des Buddha Muryōju 無量寿 ist, welcher einen weißen Pferdekopf als Krone trägt. Es gibt weitere verschiedene Darstellungen mit bis zu drei Gesichtern und acht Armen. Die berühmtesten Beispiele, welche auf die Kamakura und Muromachi-Zeit datiert werden können, befinden sich im Kanzeon Temple 観世音寺 in der Präfektur Fukuoka und im Jōruri Temple 浄瑠璃寺 in Kyōto.



Weitere Darstellungen

Fernerhin gibt es noch eine Vielzahl von weiteren unterschiedlichen Darstellungen Kannons, wobei sich die einzelnen Inkarnationen oft nur geringfügig voneinander unterscheiden.

In Japan waren feminine Formen von Kannon oft in Verbindung mit Mutterschaft dargestellt, wie beispielsweise bei Koyasu Kannon 子安観音 (sichere Geburt), Juntei Kannon 准胝観音 (die Reine, Mutter aller göttlicher Wesen) [7], Jibo Kannon 慈母観音 (liebende Mutter) und Mizuko Kuyō Kannon 水子供養観音 (Patronin von verstorbenen Seelen). Desweiteren gibt es noch die Maria Kannon, eine christliche Form der japanischen Bodhisattva. Während der Christenverfolgung in Japan, wo man sogenannte fumie 踏み絵 ("Tret-Bilder") verwendete, um Christen auszumachen, war die Maria Kannon beim Volk sehr beliebt, da sie die äußere Form von Kannon hatte, jedoch von den Besitzern als Maria angesehen wurde.

Die 33 Kannon (Sanjūsanshin Kannon 三十三身観音) ist ebenfalls eine weit verbreitete Darstellungsform, welche auf das Lotos-Sūtra zurückgeht, das diesem Bodhisattva ein eigenes Kapitel widmet und darin von den typischen 33 Erscheinungsformen berichtet. Neben zahlreichen Pilgerrouten, die auf der Zahl 33 basieren, ist die Darstellung im Hase Dera Temple 長谷寺 in Kamakura sehr bekannt. Der Shogun Yoshimasa (1449-1471) hat 33 Figuren in einen großen Holzblock schnitzen lassen, welche die Inkarnationen der Bodhisattva des Mitleids repräsentieren und in vielen verschiedenen Formen auftreten, um die Seelen vor Leid zu bewahren.

Eine weitere Manifestation ist jene des sieben Kannon (shichi kannon 七観音), welche der Shingon-Schule zufolge die Wesen in der Sphäre der Menschen in sieben verschiedenen Gestalten von ihren Leiden erlösen.

Schriften

Kannon ist eine Boddhisattva, welche Erleuchtung erlangt hat, jedoch die Buddhaschaft noch nicht angetreten hat, um so den Menschen und anderen Lebewesen helfen zu können. Daher wird Kannon in unzähligen schriftlichen Texten erwähnt, wie beispielsweise in verschiedenen Mahayana Sūtra (religiöse Texte). Das wohl wichtigste hierbei stellt das Lotos-Sūtra 法華経 (Hokekyō[8]) dar, welches zunächst von Kumārajīva 鳩摩羅什, einem aus Indien stammenden buddhistischen Mönch ins Chinesische übersetzt wurde und so schließlich nach Japan gelangte. Kannon ist u.a. auch in folgenden Schriften anzutreffen: dem Kegon-Sūtra 華厳経 (Sanskrit Avataṃsaka-Sūtra), dem Hannya shingyō 般若心経 (Sūtra von der Höchsten Erleuchtung, auch Herz-Sūtra), in Schriften des Amitabha-Buddhismus, welche sich mit der "Lehre vom Reinen Land" beschäftigen, wie beispielsweise dem Muryōju-kyō 無量寿経 und in anderen esoterischen Texten.


Verehrung

Kannon geweihte Tempel

Aufgrund der großen Beliebtheit Kannons finden sich verschiedene japanische Tempel, welche die Bodhisattva verehren, wodurch Tempel wie der bekannte Kiyomizu-dera 清水寺 in Kyōto oder der Asakusa Tempel 浅草寺 in Tōkyō dieser Boddhisattva geweiht sind.

  • Der Kiyomizu-dera 清水寺
    Kyoto kyomizu.jpg
    (auch Otowayama Kannon-Tempel) befindet sich auf halbem Weg zum Berg Otowa, im östlichen Teil Kyōtos und ist als historischer Tempel eine im Jahr 778 erbaute Sehenswürdigkeit der Stadt. Der Tempel ist aufgrund seiner Charakteristika, wie die terrassenartige Haupthalle oder einem wunderwirkenden Wasserfall (otowa no taki), der verantwortlich für die Namensgebung des Tempels war – kiyomizu = "Reines Wasser". Da der Tempel der Bodhisattva Kannon geweiht ist, befindet sich in der Haupthalle des Tempels eine Statue von ihr mit elf Köpfen und tausend Armen[9].
  • Asakusa Tempel 浅草寺 (auch Sensō-ji) war bereits seit der Edo-Zeit eines der Zentren des Kannon Glaubens. Der offizielle Name lautet Kinryū-zan Sensō-ji, was so viel wie "Tempel des niederen Grases" heißt und mit der Gründungslegende des Tempels zusammenhängt. Drei Fischer, zu denen auch der Dorfvorsteher Haji no Nakatomi gehörte, haben im Jahr 628 eine kleine Kannon-Figur aus reinem Gold in ihren Netzen gefunden. Daraufhin flochten sie einen Tempel aus Gras als Aufbewahrungsstätte, um ihr zu huldigen. Es heißt, dass diese Statue immer noch im Asakusa Tempel aufbewahrt wird, jedoch als "geheimer Buddha" (hibutsu 秘仏) wodurch sie nicht öffentlich ausgestellt wird. Der Asakusa Tempel ist der älteste Tempel Tōkyōs und mit einer Besucherzahl von 30 Millionen jedes Jahr immer noch ein wichtiges Zentrum zur Verehrung Kannons[10].

Kannon geweihte Tempel wurden oft auf einem Berg, neben Quellen oder sonstigen auffälligen landschaftlichen Gegebenheiten gebaut, da diese Orte bereits als heilig angesehen wurden und daher den buddhistischen Praktiken entsprachen. Beschreibungen hiervon findet man in engi 縁起 (Entstehungsgeschichten) und setsuwa 説話 (Volkslegenden). Desweiteren fanden sie auch Eingang in künstlerische Darstellungen und Bilder wie bei den shaji engi 社寺縁起 (Entstehung von Schreinen und Tempeln)

Kannon Pilgerfahrt.jpg

In Japan gibt es viele verschiedene Pilgerreisen, die man zu Ehren Kannons unternehmen kann und sich alle an der 33-gestaltigen Erscheinung der Bodhisattva orientieren. Einige der am bekanntesten sind die Saigoku-Pilgerreise zu den 33 Orten in Kansai, die Bandō-Pilgerreise zu den 33 in Kantō und die Chichibu-Pilgerreise zu 34 Orten im Saitama-Tal. Diese drei Reisen vereinen zusammen 100 Orte und es wird geglaubt, dass wenn man diese Orte in der richtigen Reihenfolge besucht, die Gläubigen vor der Hölle gerettet werden und sie durch die Tore des ewigen Lebens schreiten. Das Lotos-Sūtra ist die schriftliche Basis für diese Pilgerreisen.


Verbindung zu Amida-Buddha

Amida-sanzon.jpg

Da Kannon des Öfteren als Begleiterin eines Buddhas auftritt, hat sie auch in den Lehren der Sekte des Reinen Landes (jōdo 浄土 ) und dem Amitabha-Buddhismus eine besondere Rolle. Kannon gehört zusammen mit dem Seishi Bosatsu zu den wichtigsten Begleitern (kyōji 脇侍) des Amida Buddhas. Diese Gruppe wird auch als Amida Sanzon 阿弥陀三尊 (Amida Triad) bezeichnet und wird meist mit Amida in der Mitte, Seishi, welcher die Weisheit repräsentiert, auf der linken und Kannon, die für das Mitgefühl steht, auf der rechten Seite, dargestellt. In einer anderen Darstellung begleitet Kannon zusammen mit 24 anderen Bodhisattva Amida aus dem Himmel, um die sterbenden Seelen in Amidas "Reinem Land" willkommen zu heißen. Daher kann man in Statuen oder verschiedenen Zeichnungen in der Krone Kannons eine kleine Abbildung von Amida – diese wird kebutsu 化仏 ("kleine Buddhastatue") gennannt – entdecken, welche Kannons Rolle als Begleiterin verstärkt.

Mythen und Legenden

Die mysteriösen Legenden und Geschichten über Kannon, welche sich nach und nach in ganz Asien ausbreiteten und auch heute noch bekannt sind, haben ihren Ursprung in der chinesischen Táng-Dynastie 唐朝 (618-709). Eine der ältesten japanischen setsuwa 説話[11], was übersetzt so viel heißt wie Volkslegenden, ist das Nihon ryōiki 日本霊異記 (mit vollem Namen Nihonkoku genpō zen'aku ryōiki 日本国現報善悪霊異記, "Übernatürliche Geschichten von der Vergeltung des Karmas des Guten und Bösen in Japan") und von dem japanischen Mönch Kyōkai 景戒 verfasst wurde. In der englischen Übersetzung von Nakamura Kyōko wird erwähnt, dass sich insgesamt siebzehn Erzählungen um Kannon drehen[12]. So beschäftigen sich die Geschichten nicht nur mit einer Erscheinung Kannons, sondern auch mit Kannon in ihrer elfköpfigen Form oder der Erscheinung als Tausendarmige. Das Werk Kyōkais war sozusagen der Grundstein, von welchem aus sich weitere Mythen und Legenden gesponnen haben.

Auch in China wurden Legenden über Guānyīn überliefert, welche zum Teil bis nach Japan gelangten. Die drei wohl bekanntesten sind folgende:

  • Guānyīn als Schöpfer: Die Erzählung handelt von Guānyīn (auch Kuan Yin geschrieben), welche mit allen Geschöpfen in Harmonie auf der Erde lebt und sollten doch einmal Auseinandersetzungen stattfinden, so wurde Guānyīn um Rat gebeten. Als diese jedoch eines Tages in den Himmel zurückkehrte, nahmen die Feindseligkeiten auf der Erde überhand und das Klagen drang bis in den Himmel vor. Um der Situation gewachsen zu sein, gibt sie dem Pfau 100 Augen – für jede Schwanzfeder eines – und kann fortan die Geschöpfe auf der Erde beobachten. Somit wird festgestellt, dass für das friedvolle Zusammenleben ein gütiger Herrscher - in diesem Fall Guānyīn - erforderlich ist[13].
  • Die Legende von Miào Shàn: Die Erzählung handelt von einem Königspaar, welches drei Töchter hatte: die älteste Miào-Yen, die zweite Miào-Yin und die jüngste Miào-Shàn 妙善. Die jüngste Prinzessin war schon von Geburt an etwas besonderes, wurde jedoch von dem König und seiner Frau, welche schlechte Menschen waren, verachtet und sie sahen das Gute in ihrer Tochter nicht. Doch Miào-Shàn ließ sich nicht beirren und als ihr Vater erkrankt und sie ihm hilft, sehen auch die Eltern der Prinzessin das Gute und bemühen sich bessere Menschen zu werden. In vielen Überlieferungen wird Miào Shàn als eine Inkarnation von Guānyīn angesehen [14].
  • Guānyīn und die Brücke von Fukien: In China, nahe Fukien, gab es den breitesten und gefährlichsten Fluss des ganzen Landes, welcher die Bevölkerung beim Überqueren in Angst und Schrecken versetzte. Eines Tages erscheint die in ein weißes Kleid gehüllte Guānyīn und prophezeit einer jungen Frau, die den Fluss gerade überquert, einen Sohn, welcher eine Brücke über den Fluss bauen wird. Als der Sohn, Ts'ai Hsiang genannt, erwachsen ist, beginnt er mit dem Bau der Brücke, wobei er zuerst dem Wasserdrachengott ein Opfer bringt, um so die Stürme zu besänftigen. Auch die Bodhisattva kommt ihm zu Hilfe, um Geld für den Bau aufzutreiben und schließlich ist die Brücke vollendet[15].

Kannons Paradies

Fudarakusen.jpg

In Japan wird das durch Kannon erreichbare Paradies als Fudaraku-sen 補陀落山 (oder auch Fudarakusan) bezeichnet, was wörtlich übersetzt so viel wie "Berg Fudaraku" heißt (Sanskrit potalaka). Man nimmt an, dass es sich hierbei um ein inselartiges, bergiges Paradies an der Spitze von Indien handelt. In zahlreichen japanischen Darstellungen findet man Hinweise auf dieses Paradies, wie beispielsweise wenn Kannon sitzend auf einem Fels oder in Wassernähe dargestellt wird. Damit soll das Heilige Land Fudaraku-sen symbolisiert werden. Das Kegon-Sūtra 華厳経 und verschiedene andere frühe Texte beschreiben Kannons Paradies als eine grüne Insel im südlichen Ozean.

Anmerkungen

  1. wenn die Quellen nicht extra angegeben sind, so bezieht sich der Artikel auf Schuhmacher 2013
  2. Der Name Avalokiteshvara stammt aus dem Lotos-Sutra des Mahāyāna-Buddhismus und wurde aus dem Sanskrit als chinesischer Namen Guānshìyīn übersetzt.
  3. Die Namen, mit welchen man die Bodhisattva verehrt, unterscheiden sich jedoch: so wird in Vietnam Quan Âm oder Quan Thế Âm Bồ Tát verwendet, während man in Korea von Kwan Seum Bosal spricht
  4. wodurch die Theorie zum Ursprung der Bodhisattva unterstützt wird
  5. 40 Arme * 25 Welten ergibt 1000 - diese Annahme wurde vermutlich im späteren Verlauf der Geschichte hinzugefügt
  6. Davis 2007
  7. eine der sieben Kannon-Manifestationen 七観音
  8. steht in Verbindung mit dem großen Tempel der Nichiren-Schule in der Präfektur Chiba
  9. Homepage des Tempels http://www.kiyomizudera.or.jp/
  10. Homepage des Tempels http://www.senso-ji.jp/
  11. Setsuwa bungaku 説話文学 bezeichnet eine volkstümliche Gattung japanischer Erzählungsliteratur
  12. Nakamura 1973: 85
  13. Palmer 1995
  14. Dudbridge 1978: 25-34, Sangren 1983: 4-25
  15. Palmer 1995

Literatur

Blofeld, John (1988): Bodhisattva of Compassion. The Mystical Tradition of Kuan Yin. Boston: Shambhala.

Dudbridge, Glen (1978) The Legend of Miao-Shan. London: Ithaca Press.

Davis, Hadland F. (2007) Myths and Legends of Japan. New York: Cosimo Inc. [1. Ausgabe 1913]

Kyōko Nakamura 1997
Miraculous stories from the Japanese Buddhist tradition: The Nihon ryōiki of the monk Kyōkai. Cambridge: Harvard University Press 1997. (Erste Auflage 1973.)

Palmer, Martin, Jay Ramsay und Man-Ho Kwok (2009): Kuan Yin. Myths and Prophecies of the Chinese Goddess of Compassion. San Francisco: Hampton Roads Pub Co Inc.

Yü, Chün-fang (2001): Kuan-yin, The Chinese Transformation of Avalokitesvara. New York: Columbia University Press.

Sangren, Steven P. (1983) "Female Gender in Chinese Religious Symbols: Kuan Yin, Ma Tsu, and the 'Eternal Mother'", in Journal of Women in Culture and Society 9/1, 4-25.

Schenker, Daniela (2006): Kuan Yin - Begleiterin auf dem spirituellen Weg. Freiburg: Hans-Nietsch-Verlag.

Schuhmacher, Mark (2013) A to Z Photo Dictionary. Japanese Buddhist Statuary. Gods, Goddesses, Shinto Kami, Creatures & Demons. Copyright Mark Schumacher