Die Namazu-Mythologie: Unterschied zwischen den Versionen
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In den von Kitani untersuchten renga, Anfang der Edo-Zeit gibt es Zusammenhänge zwischen dem kanameishi | In den von Kitani untersuchten renga, Anfang der Edo-Zeit gibt es Zusammenhänge zwischen dem kanameishi |
Version vom 21. September 2012, 16:01 Uhr
Die Suche nach dem Ursprung
Wann genau die Vorstellung, dass ein riesiger Wels unter der Erde für die Erdbeben verantwortlich sein soll ihren Ursprung hatte, ist, wie bei jeder Legende, kaum mehr nach zu verfolgen.
In seinem Artikel „ Kurobune to Jishinnamazu - Fūdo to Jidai.“ untersucht Kitani anhand von bestimmten renga 連歌- einem Genre der japanischen Dichtkunst, aus dem auch die modernen Haiku hervorgegangen sind - das Auftreten der darin verwendeten tsukeai 付合. Tsukeai bezeichnen ungewöhnliche Wortzusammenstellungen, die ein bestimmtes Bild beim Leser hervorrufen sollen [1].
In den von Kitani untersuchten renga, Anfang der Edo-Zeit gibt es Zusammenhänge zwischen dem kanameishi und Kashima.Auch kommt selten der Namazu vor, jedoch ist er nicht für die Erdbeben verantwortlich. Vielmehr taucht im Zusammenhang mit dem Wort „Erdbeben“ 地震 der „Fasan“ 雉 auf, entsprechend der Legende, dass der Schrei eines Fasans ein Erdbeben ankündigen soll. In dem 1675 erschienenen „danrin toppyakuin“ 談林十百韻 („Tausend Reime aus dem Studierzimmer“) zum Beispiel: 「要石なんば掘っても抜けませぬ」 - „Egal wie viel man auch gräbt man kann den kanameishi nicht herausziehen“. Und später: 「候に刺さった鯰の骨は抜けにくい」- „Die Knochen des vom Landesfürsten erstochenen Namazu sind schwer heraus zu ziehen“. Mit den „Landesfürsten“ 候 dürfte in diesem Fall Tokugawa Mitsukuni 徳川 光圀, der zu dieser Zeit Daimyô des Mito han war, gemeint sein. Interessanterweise ersticht im zweiten Reim nicht Kashima sonder der Daimyô den Namazu, was eventuell darauf schließen lässt, dass diese renga-Sammlung von eben diesem in Auftrag geben worden sein dürfte. Man kann an diesem Beispiel klar erkennen, dass zwar die einzelnen Elemente vorhanden sind, aber nur entfernt in Verbindung stehen dürften. Aufgrund dieser und weiterer renga liegt für Kitani der Ursprung der Namazu-Mythologie zwischen der Kanbun 寛文(1661-1673) und der Enpô-Ära 延宝(1673-1681) [2].
Smits hingegen legt diese Entwicklung bereits gegen 1650 (Keian-Ära 慶安) an. Er beruft sich auf das um ca. 1650 erschienene Flugblatt „Jishin to Tsunami no Setsu“ 地震并津 波之説 („Die Erklärung für Erdbeben und Tsunami“). Das Flugblatt stellt einen schlangenartigen Drachen dar dessen Kopf durch ein mit „kanameishi“ beschriftetes Schwert festgehalten wird. Zwar wird hier der Namazu nicht explizit dargestellt oder erwähnt, Smits Ansicht nach ist ein Zusammenhang aber deutlich zu sehen [3].
Erste Namazu-e
Bis Mitte des 19. Jahrhunderts war der Wels als Erdbebenfisch, trotz gelegentlicher Erwähnungen in Texten und Drucken, kaum in den Köpfen der Bürger verankert. Bereits in den Jahren vor dem Ansei-Erdbeben, oder Ansei Daijishin 安政大地震, hatte es auf Honshû mehrere starke Erdbeben gegeben, die zum Teil sogar höher auf der Richterskala einzuordnen gewesen wären, jedoch waren die psychologischen und politischen Auswirkungen dieser Katastrophen kaum mit jenen 1855 vergleichbar. Beginnend mit dem Zenkôji 善光寺Erdbeben am 24. Tag des dritten Monats, Kôka 弘化4 (1847), kam es ab Mitte der 1840er Jahre zu einer Reihe mittlerer bis schwerer Erdbeben. Beim Tôkaidô- Erdbeben 1854, am vierten Tag des 11. Monats, Kaei 嘉永7, und einem Begleitbeben nichteinmal zwei Tage danach, kamen während dem Beben und dem darauf folgenden Tsunami mindestens 15 000 Menschen ums Leben [4].
Der tatsächliche Auslöser für das erste Auftreten der Namazu-e wie wir sie heute kennen lag in den Wirrungen des Zenkôji-Erdbeben. Während dieser Zeit wurde im Zenkôji-Tempel in der Provinz Shinano 信濃, heutiges Nagano, das sogenannte (go)kaichô (御) 開帳 abgehalten. Der Begriff kaichô bezeichnet die öffentliche Ausstellung von Heiligen Figuren, im Normalfall Buddhastatuen, die während des restlichen Jahres im Tempel nur für die Mönche zugänglich waren. Deshalb auch die Bezeichnung hibutsu 秘仏、 “geheimer“ oder „verborgener Buddha“. Meist wurde ein kaichô von einem großen Tempelfest, Schaustellern und Essenshändlern begleitet [5].
Tieferer Sinn der Veranstaltung war einerseits für die Pilger Mittel zur Heilserlangung und Besichtigung des für sie sonst unzugänglichen Heiligtums, für die Tempel jedoch wurde es schlicht zur Finanzierung der Tempelanlagen. Eintrittsgelder sowie Spenden die durch die zahlreichen Pilgerströme in die Tempelkassen gespült wurden, waren gerade gegen Ende der Tokugawa- Zeit eine wichtige Einkommensquelle für die zum Teil unter Geldnot leidenden Tempel [6].
Beim kaichô 1847 war auch eine große Zahl Pilger die extra für dieses Ereignis aus Edo angereist. Dies war auch der Grund, dass wider Erwarten, die ersten Namazu-e nicht in der Provinz Shinano entstanden sind, sondern, wie auch die 1855 gedruckten Namazu-e, in Edo selbst. Inspiriert durch die Erzählungen der heimgekehrten Pilger entstanden Bilder zum Beispiel durch Künstler wie Utagawa Kuniteru 歌川国輝. Auch in den Namazu-e von 1855 findet das Zenkôji-Erdbeben häufig Erwähnung [7].
Verweise
Quellen
- Makoto Kitani 1995„Kurobune to jishin namazu: fūdo to jidai.“ In: Miyata Noboru 宮田登 und Takada Mamoru 高田衛 (Hg.), Namazue: Shinsai to Nihon bunka. Tokyo: Ribun Shuppan 1995, S. 52-62.
- Stephan Köhn 2002Berichte über Gesehenes und Gehörtes aus der Ansei-Zeit: Kanagaki Robuns (1829-1894) Bericht über das große Ansei-Erdbeben 1855 als Repräsentant des Genres der „Katastrophendarstellungen“. Wiesbaden: Harrassowitz 2002.
- Ruth Ludwin, Gregory Smits 2007„Folklore and earthquakes: Native American oral traditions from Cascadia compared with written traditions from Japan.“ In: Luigi Piccardi, W. Bruce Masse (Hg.), Myth and geology. London: Geological Society 2007.
- Wakamizu Suguru 若水優 2007Edokko kishitsu to namazu-e. Tokyo: Kadokawa Gakugei Shuppan 2007.