Ansei-Erdbeben: Unterschied zwischen den Versionen

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Version vom 9. August 2021, 14:50 Uhr

Seiten-Infobox
Themengruppe Geschichte (historische Ereignisse, Perioden und Fachbegriffe)
Ereignis Ansei-Erdbeben
Bemerkung 11. November 1855, Erdbeben der Stärke 6.9 bis 7.1
Schlagworte Ansei-Ära 安政時代, Erdbeben
Diese Seite entstand im Kontext des Seminars Kamigraphie:Wintersemester 2011.

Der 27. November des Jahres 1854 wurde unter Kômei Tennô 孝明天皇 die Ansei-Ära 安政時代 ausgerufen.[1] Der Name dieser Zeit, der wörtlich „friedvolle Regierung(-szeit)“ lautet, muss vielmehr als Wunsch denn als Beschreibung einer Zeit gesehen werden, die kaum turbulenter hätte sein können. Nicht nur außen- sowie innenpolitische Veränderungen brachten das Shōgunat zum Schwanken, sogar die Erde schien sich zeitweise gegen die Verhältnisse aufzubäumen.

Das Beben

Am 11. November 1855 bebte die Erde mit dem Epizentrum direkt unter Edo, dem heutigen Tōkyō. Zwar war die geschätzte Stärke mit wohl 6.9 bis 7.1 auf der Richter-Skala vergleichsweise niedrig, jedoch lag die Zahl der Todesopfer allein auf ziviler Seite aufgrund der dichten Bebauung und der Tatsache, dass Edo mit damals bereits über einer Million Einwohnern zu einer der größten Städte der Welt zählte, bei 7.000 – 10.000. Neben den ca 7.000 Todesopfern[2] wurden auch über 50.000 Gebäude und rund 50 Tempelanlagen zerstört.[3] Auch war der Schaden an Wohnhäusern, Palästen und Tempeln sowie Warenhäusern signifikant: Während des nächtlichen Hauptbebens und den täglich über 80 Nachbeben, die erst neun Tage später abklangen, wurden mindesten 14.000 Gebäude zerstört.[2]

Namazu-e

Namazu taiji - Vernichtung des Namazu [Abb. 1]

Die Darstellung dieses Unglücks ist auch auf vielen „Welsbildern“ (Namazu-e 鯰絵) wiederzufinden. Namazu taiji 鯰退治, „die Vernichtung des Namazu“, zeigt eine wütende Menge, wie sie mit Werkzeugen, Stangen und Brettern auf den bereits bezwungenen Namazu einprügeln. Die Schriftzeichen der Grafik stehen für die vier Himmelsrichtungen und das Zentrum. Laut dem Text dient dieser Druck als Erdbeben-Talisman. Auf der rechten Seite des Bildes, eher unscheinbar, sieht man Frau und Kind des Namazu, wie sie scheinbar die Angreifer um Gnade bitten.

Geschädigte und Profiteure

Die Werkzeuge stellen vom Erdbeben profitierende Gruppen dar [Abb. 2]

Besonders schlimm hatte es das Vergnügungs- beziehungsweise Bordellviertel Shin-Yoshiwara 新吉原 getroffen. Um zu verhindern dass die teure Ware - in Form von Prostituierten - ihren Herren davonlaufen konnte, war das gesamte Areal von einem Wassergraben umgeben und nur durch ein einziges Tor passierbar. Da dieses jedoch nach dem Beben in Brand geraten war, waren sämtliche Prostituierten und Besucher des Viertels eingeschlossen und mussten dem Flammentod ins Auge blicken. Auch entschlossen sich unglücklicherweise viele Bordellbesitzer dazu, sich und alle Bordellangestellten in unterirdischen Lagerräumen einzuschließen. Dies mochte zwar vor herabfallenden Balken schützen, nicht aber vor Feuer. [4]

Ō-namazu nochi no namayoi - Trunkenheit nach dem Erdbeben (Namazu) [Abb. 3]

Neben den vielen Bevölkerungsgruppen, deren Lebensgrundlage vollends zerstört worden war, gab es auch Gruppen, die einen Nutzen aus der Katastrophe ziehen konnten: „The earthquake had harmed some social groups while benefiting others. [...] One’s occupation became the critical factor in viewing the earthquake as either a setback or an opportunity for profit.“[2] Auf vielen, in dieser Zeit enstandenen Namazu-e werden diese Gruppen dargestellt.

Hauptsächlich Handwerker die im Baugewerbe tätig waren, Rohstoffhändler und Erzeuger aber auch Verkäufer von Fertiglebensmitteln sowie Prostituierte, die außerhalb der staatlich lizensierten Freudenviertel tätig waren, zählten zu den vom Erdbeben profitierenden Gruppen. Auf dem Bild Ō-namazu-go no namayoi 大鯰後の生酔い werden all diese Gruppen dargestellt, aber auch jene, welchen die Lebensgrundlage geraubt wurde.

Verweise

Literatur

  • Stephan Köhn 2002
    Berichte über Gesehenes und Gehörtes aus der Ansei-Zeit: Kanagaki Robuns (1829-1894) Bericht über das große Ansei-Erdbeben 1855 als Repräsentant des Genres der „Katastrophendarstellungen“. Wiesbaden: Harrassowitz 2002.
  • Louis-Frédéric Nussbaum, Käthe Roth (Ü.) 2005
    Japan Encyclopedia. Cambridge: Harvard University Press 2005.
  • Gregory Smits 2006
    „Shaking up Japan: Edo society and the 1855 catfish picture prints.“ Journal of Social History 39/4 (2006), S. 1045–1078. (Exzerpt.)

Internetquellen

Fußnoten

  1. Nussbaum 2005:33
  2. 2,0 2,1 2,2
    Gregory Smits 2006
    „Shaking up Japan: Edo society and the 1855 catfish picture prints.“ Journal of Social History 39/4 (2006), S. 1045–1078. (Exzerpt.)
  3. National Geophysical Data Center(Stand: 2012/09/30). ngdc.noaa.gov
  4. Stephan Köhn 2002
    Berichte über Gesehenes und Gehörtes aus der Ansei-Zeit: Kanagaki Robuns (1829-1894) Bericht über das große Ansei-Erdbeben 1855 als Repräsentant des Genres der „Katastrophendarstellungen“. Wiesbaden: Harrassowitz 2002.

Bilder

Quellen und Erläuterungen zu den Bildern auf dieser Seite:

  1. Namazu taiji.jpg
    Namazu taiji Blockdruck, nishiki-e (Papier, Farbe). Edo-Zeit, 1855
    Bild © Pink Tentacle. (Letzter Zugriff: 2012/10/14)
    Siehe auch:
    Miyata Noboru 宮田登, Takada Mamoru 高田衛 (Hg.) 1995
    Namazue: Shinsai to Nihon bunka. Tokyo: Ribun Shuppan 1995. (Exzerpt.)
  2. Namazu.jpg
    Die Waffen des Benkei-Welses (Benkei namazu dōgu) Blockdruck; Leiden
    Bild © Literatur:Ouwehand 1964
    Rijksmuseum voor Volkenkunde
    Der Namazu tritt hier als der klassische Recke Benkei auf, seine Waffen sind aber die Geräte der Handwerker, die vom Wiederaufbau profitieren.
  3. Onamazu nochi no namayoi.jpg
    Ō-namazu nochi no namayoi Blockdruck (Papier)
    Bild © Shōbō bōsai hakubutsukan 消防防災博物館, virtuelles Museum der Katastrophenprävention. (Letzter Zugriff: 2012/10/13)

    Der von Kashima erdolchte Namazu teilt das Bild in zwei Hälften: oben die Profiteure des Erdebebens, unten all jene, denen das Erdbeben mehr Schaden als Profit gebracht hat. Deutlich erkennbar sind auch die fröhlichen Gesichter oben, im Gegensatz zu dem deutlichen Leid im unteren Teil des Bildes.