Tamon-ten: Unterschied zwischen den Versionen

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Version vom 21. Juli 2021, 12:31 Uhr

Tamonten todaiji.jpg
Seiten-Infobox
Themengruppe Gottheiten (Götter, numinose Erscheinungen)
Name Tamon-ten 多聞 („alles Hörende“)
Religiöse Titel Ten 天
Rel. Zugehörigkeiten Buddhismus
Herkunft Indien
Ikonographie Rüstung
Diese Seite entstand im Kontext des Seminars Kamigraphie: Wintersemester 2011.
Tamonten des Hōryū-ji

Diese Seite widmet sich der Unterscheidung Bishamon-ten und Tamon-ten sowie ihrer gemeinsamen ikonographischen Grundform. [1]

Zur Entwicklungsgeschichte Bishamons siehe Bishamon-ten.

Bishamon und Tamon

Bishamon leitet sich von der brahmanischen Gottheit Vaiśravaṇa her. Der Unterschied zwischen Bishamon 毘沙門天 und Tamon-ten 多聞天 liegt zunächst in der unterschiedlichen Übersetzung dieses Namens. Bishamon leitet sich vom Chinesischen Píshāmén ab, einer phonetischen Übertragung des Sanskrit-Namens Vaiśravaṇa; Tamon, der „alles Hörende“, stellt eine bedeutungstechnische Übersetzung dar (Baskhi 1979:152; Schumacher 1995-2011). Obgleich beide Namen undifferenziert dieselbe Gestalt bezeichnen, machte man sich diese Unterscheidung in der Ikonographie zu nutzen: Wird Bishamon einzeln dargestellt, nennt man ihn Bishamon; ist er in die Gruppe der Shitennō 四天王 [2] eingebunden, Tamon-ten. Das öfters vorgebrachte Argument (siehe z.B. Schumacher), beide ließen sich auch durch die Position der Pagode (das wichtigste ikonographische Merkmal) unterscheiden, Bishamon halte sie links, Tamon rechts, ist meiner Beobachtung nach nicht haltbar.

Bishamon und Tamon werden ikonographisch fast identisch abgebildet: Beide erscheinen in voller Rüstung, yoroi 鎧, und stehen auf einem, selten zwei Dämonen, die ihnen als Podest dienen. Diese Dämonen werden als jyaki 邪鬼 bezeichnet und symbolisieren den Sieg über das Böse. In ihrer Art als buddhistische Schutzgötter, Dharmapāla [3] werden sie mit grimmigem Gesichtsausdruck, funnusō 忿怒相, wiedergegeben. In einer Hand halten sie ihr primäres Identifikationsmerkmal, die Pagode, hōtō 宝塔/寶塔, in der anderen eine Waffe.

In Indien dienten die Vorgänger der Pagode, Stūpas, sotoba 卒塔婆/ 塔, als Grabmäler und Aufbewahrungsorte von Relikten, besonderen Mönchen oder Buddhas selbst; sie repräsentieren Buddha und die buddhistische Lehre, im esoterischen Buddhismus auch den Kosmos (Frédéric 1995:72; McArthur 2002:159; Schumacher 1995-2011). Waffen stehen im Buddhismus gemeinhin für den Kampf gegen das Böse und Feinde der Lehre. Bishamon ist zumeist mit Hellebarde bzw. Dreizack ausgestattet, weniger häutig mit Schwert, Stab oder Pfeil und Bogen. Der Speer, hoko 矛, wird mit Potenz, Penetration, Feuer sowie der Macht des Guten und der Wahrheit über die Verblendung [4] assoziiert. Seine Spitze bildet entweder die übliche Lanze, ein Vajra [5] oder ein Dreizack, sansasō 三叉槍/sansageki 三叉戟. Der Dreizack steht für die drei Körbe des Pāli-Kanon [6] oder die sanbō 三宝, die „drei Juwelen des Buddhismus“, Buddha, Dharma und Saṅgha [7] (McArthur 2002:141; Frédéric 1995:67). Pfeile, hōzen 宝箭, und Bogen, hōkyū 宝弓, stehen für die Vernichtung aller Leidenschaften; das Schwert, hōken 宝剣, für den Sieg über übelwollende Dämonen (Schumacher 1995-2011).


Tamon-ten des Hōryū-ji

Bereits die aus dem 7. Jh. n.Chr. stammende, älteste japanische Plastik Tamons weist die für ihn typische Ikonographie auf und zeigt, dass sich in nur 100 Jahren nach der Verbreitung des Buddhismus seine Ikonographie bereits so stark ausgebildet hatte, dass sie bis heute besteht. Man könnte hier auch vermuten, dass die Ikonographie Bishamons bereits in China ausgebildet wurde und bereits zum Zeitpunkt seiner Einführung in Japan standardisiert war. Sein Gesichtsausdruck ist hier, entgegen der meisten Darstellungen, entspannt [8] und er trägt eine Tiara auf dem Kopf. Die kamigami-jida 神々耳朶, Götterohrläppchen, wie auch die Aureole, kōhai 光背 [9], bezeugen seinen Götterstatus. Er hält die Pagode in der rechten und einen Dreizack in der linken Hand. Das Darani jikkyō 陀羅尼集經, eine Schrift des 7. Jhs., das u.A. auch ikonographische Anleitungen zur Herstellung von Plastiken beschreibt, meint zu Bishamon: „毘沙門天王像法。其像[…]衣服准前。左手同前。執槊拄地。右手屈肘擎於佛塔。作是像已。於道場北。面向南 […] Diese Statue trägt […] Kleidung wie oben [10] (genannt). Seine linke Hand ist wie oben [11] und hält einen Speer, der am Boden ansteht. Seine linke Hand ist am Ellbogen nach oben abgebogen und hält eine Pagode hoch. Aufgestellt wird Bishamons Statue im Norden der Meditationshalle nach Süden blickend“ (Taishō Shinshū Daizōkyō 18, 901: 879a23-25).

Weitere Darstellungen illustrieren die weit fortgeschrittene, ikonographische Standardisierung Tamon-tens. Die Pagode wechselt indifferent von einer Hand in die andere.

Bishamons Rüstung

Grundlegende Ikonographie

Mit der Standardisierung seiner Ikonographie einhergehend, ist auch die Rüstung Bishamons in all seine Erscheinungsformen vorwiegend gleichartig: Schulterpanzerung, kenkō 肩甲, oftmals in Gestalt eines Tieres mit aufgerissenem Maul; Brustplatten, myōkō 胸甲; Bauchpanzer, fukukō/fukkō 腹甲; Rock, mo 裳; Schützer am Schienbein, keikō 脛甲; schwere Stiefel, kutsu 沓裳. Auf seinem Bauchpanzer kann ein Löwenkopf, shikama 獅噛み, abgebildet sein. Auf dem Kopf trägt er eine Tiara oder einen Helm, kabuto 冑, mit Nackenschutz, shikoro 錏.

Als Waffen dienen ihm Dreizack bzw. Hellebarde, Dharma- oder Königsstab, selten Pfeil und Bogen oder Schwert. Der Dreizack ist die bedeutendste und am häufigsten abgebildete Waffe Bishamons, mit der alle ikonographischen Formen ausgerüstet sein können. Über Königsstab verfügen Tamon, Tobatsu Bishamon 兜跋毘沙門天 [12] und Jūni-ten-Bishamon 十二天 [13] dargestellt. Die Abbildung Bishamons auf einem der Hekija-e 辟邪絵 sowie Tōhachi Bishamon 刀八毘沙門 [14] tragen Schwerter. Auch der Glücksgott Bishamon wird auf dieselbe kriegerische Weise wie seine ikonographischen Vorgänger, mit Lanze oder Dreizack und Pagode dargestellt. Der einzige Unterschied liegt im fröhlicheren Gesichtsausdruck und der größeren Körperfülle. Zudem scheinen seine Attribute nicht mehr allzu verbindlich festgelegt zu sein. Bishamon erscheint hier auch ohne Pagode. Generell können die Waffen, die Position der Pagode und seine Kopfbedeckung von Darstellung zu Darstellung variieren und stellen keinen Garant für die zweifelsfreie Identifizierung der einzelnen ikonographischen Formen Bishamons dar, abgesehen von seiner Sonderform Tobatsu Bishamons. Die Pagode stellt das primäre Merkmal des Gottes dar. Bishamons wird niemals ohne gezeigt, sieht man von der Plastik des Kurama-dera 鞍馬寺 und seiner Darstellung als Glücksgott ab.

Quellen

  • Dwijendra Nath Bakshi 1979
    Hindu divinities in Japanese Buddhist pantheon. Calcutta: Benten Publishers 1979.
  • Louis Frédéric 1995
    Buddhism. Paris: Flammarion 1995.
  • Meher McArthur 2002
    Reading buddhist art: An illustrated guide to buddhist signs and symbols. London: Thames & Hudson 2002.
  • A to Z Photo Dictionary of Japanese Culture and Art (Online-Enzyklopädie, Mark Schumacher, seit 1995).
  • Takakusu Junjirō und Watanabe Kaigyoku (1922-1932): “Taishō shinshū daizōkyō 大正新修大蔵経”, The SAT Daizōkyō Text Database (10. 9. 2011)

Anmerkungen

  1. Die Ausführungen dieser Seite basieren auf den Forschungen von Sarah-Allegra Schönberger für ihre Masterarbeit Kriegsglück und Reichtum. Zur ikonographischen Transformation Bishamon-tens. Indien – Japan am Wiener Institut für Religionswissenschaft. Die Übersetzungen der klassisch-chinesischen Zitate stammen von Schönberger.
  2. Die Shitennō sind eine Gruppe von vier Figuren, die jeweils die Schutzherrschaft einer Himmelsrichtung übernehmen und den buddhistischen Dharma bewahren. Im Osten herrscht Jikoku-ten 持國天, Zōchō-ten 增長天 im Süden, Kōkomu-ten 廣目天 im Westen und Tamon-ten im Norden.
  3. Als Dharmapāla, „Dharmaschützer“ werden jene aus prä-buddhistischer Zeit stammende Gottheiten bezeichnet, die von Buddha bekehrt wurden und den Schutz der buddhistischen Lehre versprachen.
  4. Die Verblendung hält den Menschen von der Erleuchtung ab
  5. Der Donnerkeil, ein esoterisch-buddhistisches Ritualinstrument
  6. Der Pāli-Kanon ist der Korpus des frühen, orthodoxeren Buddhismus, zumeist als Therāvada bezeichnet
  7. die mönchische Gemeinschaft
  8. Vielleicht, weil im 7. Jh. der esoterische Buddhismus, in dem sich besonders die bewegten und grimmigen Emanationen und dharmapāla großer Beliebtheit erfreuen, noch nicht nach Japan gekommen war. Dessen Ausbreitung erfolgte unter dem Mönch Kūkai 空海 (744-835), durch den es zu zahlreichen Neuerungen in der japanisch-buddhistischen Ikonographie kam.
  9. Eine runde, kompakte Kopfaureole, zukōhai 頭光背, wird als rinkōhai 輪光背 bezeichnet
  10. „身著種種天衣。嚴飾極令精妙。Er trägt verschiedene göttliche Gewänder, die außerordentlich geschmückt und erlesen sind“ (Taishō Shinshū Daizōkyō 18, 901: 879a14-17).
  11. „左手申臂垂下 […] Die linke Hand seines herabhängenden Armes hält […]“(Taishō Shinshū Daizōkyō 18, 901: 879a14-17).
  12. Bishamon als Schutzherr der Nation
  13. Die Jūni-ten sind esoterisch-buddhistische Entsprechung der Shitennō.
  14. Eine ikonographische Sonderform Tobatsu Bishamons (?).