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Version vom 7. Oktober 2012, 17:54 Uhr
Unter Bearbeitung, Barbara Sattler
Rezensiertes Werk:
Der Autor
Gregory James Smits ist Doktor der Philosophie an der Pennsylvania State University und unterrichtet für das Department of History and Religious Studies. Nach seinem Doktorandenstudium an derUniversity of Southern California in verschiedenen Feldern der japanischen Geschichte, veröffentlicht Smits unzählige Arbeiten zum Thema Ryukyu, immer mit Blick auf gesellschaftliche Themenfelder. Auch werden wissenschaftliche Texte in japanischer Sprache verfasst. Seine Forschungsarbeit befasst sich hauptsächlich mit den Themengebieten Japan, Okinawa, sozial- und kulturhistorische Forschung und Erdbeben.
Auch Smits Artikel “Shaking up Japan: Edo Society and the 1855 Catfish Picture Prints”, erschienen 2006 im Journal of Social History dreht sich um Erdbeben und welche Auswirkungen diese auf die Bevölkerung hatten. Hierbei betrachtet er ein bestimmtes Phänomen genauer: Namazu-e. Namazu-e oder auch Wels-Bilder genannt, traten lawinenartig direkt nach dem großen Ansei-Erdbeben 1855 auf, hatten laut Smits ihren Ursprung jedoch weitaus früher.
Inhalt
Der Artikel ist in acht Abschnitte unterteilt, welche alle mit einer zum jeweiligen Kapitel passenden Überschrift versehen sind. Leider scheinen die jeweiligen Überschriften untereinander wenig passend, da sie teils eher abstrakt gehalten sind, „ Big Black“ (S. 1062) teils sehr genau den Inhalt ankündigen, „Some Initial Reactions to the 1855 Ansei Edo Earthquake“. Diese Vorgehensweise fällt einem beim ersten Überfliegen des Textes sofort ins Auge und lässt eine gewisse Diskontinuität erahnen. Glücklicherweise gelingt es Smits dies durch einen klaren Schreibstil, genaue Formulierungen und ausführliche Erklärungen wett zu machen. Seine Erklärungen untermalt Smits häufig mit Beispielen, Namazu-e, leider fehlen jedoch zu einigen wenigen konkrete Abbildungen.
Der Autor beginnt seinen Artikel mit ein paar interessanten Fakten über das Ansei-Erdbeben. So schreibt er, dass der entstandene Schaden, für ein Erdbeben der Stärke 6,9 – 7,1, mit 7000 bis 10.000 Toten vergleichsweise hoch einzuschätzen ist und somit auch die psychologische Wirkung nicht zu unterschätzen ist. Schon wenige Tage nach dem Erdbeben entstehen nun also die ersten Namazu-e um sich innerhalb der nächsten Wochen auf über 400 auszuweiten. Abgebildet werden größtenteils Namazu , häufig auch in vermenschlichter Form. Grund hierfür ist, laut Smits, der alte Volksglaube, ein riesiger Wels würde unter der Erde wüten und so das Erdbeben auslösen. Jedoch ist sich Smits sicher, dass dieser Aberglaube nicht der einzige Auslöser für ein solch vermehrtes Auftreten der Namazu-e sein kann. Er meint, dass die Namazu-e lediglich ein Ausdruck der politischen Schwierigkeiten während dem Ende der Tokugawa-Zeit und des wachsenden politischen Bewusstsein der Bevölkerung sind. (S.1045). Ziel des Textes ist es also die Namazu-e im Hinblick auf die politische Situation gegen Ende des Bakufu-Regimes zu untersuchen, als politisch Strukturen geschwächt waren und schließlich durch neue ersetzt wurden. Smits möchte den Fokus auf die „political consciousness among Edo’s commoners in 1855“ legen.
Im Kapitel „A World in Mounting Turmoil 1830 – 1855“ beschreibt Smits die lange Reihe von Katastrophen und bedeutenden Ereignissen, in die sich das Ansei-Erdbeben lediglich als Teil von Verkettungen einreiht, die das Fass letzten Endes zum überlaufen brachten. Beginnend mit der Tempô-Hungersnot bis hin zu Commodore Perrys „Schwarzen Schiffen“, erklärt Smits die politisch wichtigen Ereignisse dieser Zeit, die zum Fall der Tokugawa-Regierung führten. So beschreibt er die Sichtweise der Bevölkerung wie folgt:„As this divergence between cosmic moral principles and the state of government increased, strange atmospheric phenomena, crop failures, epidemics, earthquakes, and other natural disasters became the concrete manifestations of cosmic “displeasure.”“ Die öffentliche Meinung über das Bakufu war demnach stark geschwächt.
Das Kapitel „Causes of Earthquakes“ geht genauer auf die Entstehung des Volksglaubens über die Namazu ein. Laut Smits war diese allgemeine Überzeugung nämlich keineswegs althergebracht sondern vielmehr zusammengesetzt aus chinesichen sowie alten japanischen Vorstellungen und war tatsächlich nur im Volk verbreitet. Erst mi 17. Jahrhundert entstand eine Verbindung zwischen dem Kashima-Schrein, Erdbeben und den Namazu. Die „wissenschaftliche“ Erklärung bestand vielmehr aus einem Ungleichgewicht zwischen Yin und Yang. Heutzutage, so Smits, ist das Wissen über den Glauben an die Namazu kaum noch verbreitet. „Some initial Reaction to the Ansei-Edo-Earthquake“ heisst der nächste Abschnitt beschäftigt sich mit verschiedenen Namazu-e und geht auf deren Besonderheiten ein. So meint Smits beispielsweise, dass auf den Namazu-e bereits eine beginnende Nationalisierung der Bevölkerung zu erkennen ist. So wird hier zum Beispiel der Gott Kashima, dessen Aufgabe es eigentlich war die Namazu in Zaum zu halten, durch die Sonnengöttin Amaterasu, als Beschützerin und Ahnengöttin des Japanischen Volkes ersetzt.
„Complex Society“ beschäftig sich mit den Verschiedene Bevölkerungsgruppen und wie diese durch das Erdbeben gelitten aber auch profitiert haben. „The earthquake had harmed some social groups while benefiting others“. Zu den Gruppen die vom Erdbeben profitierten zählt Smits u.a. Handwerker und Lebensmittelverkäufer, da deren Absatz folglich stark erhöht war.
Die Kapitel „Strong Medicine“ und „Big Black“ hätte man, meiner Meinung nach, auch in einem zusammenfassen können, da sie den Selben Grundgedanken Vertreten. Smits beschreibt in den beiden Abschnitten den Glauben der Bevölkerung an die heilende Kraft eines Unglücks oder Großereignisses. Für die Bevölkerung nicht nur Edos sonder eines Großteils Japans war klar, dass dieses Erdbeben und auch die Ankunft der Schwarzen Schiffe die Antwort auf das zuvor, durch ungleiche Verteilung des Wohlstandes und das geschwächte Regime, entstandene Ungleichgewicht war. Besonders die Schwarzen Schiffen Commodore Perrys wurden oft als Methapher in späteren Namazu-e verwendet.
Smits geht im letzten Teil „Broader Significance of the Earthquake and the Namazu-e“ auf die politische Bedeutung des Erdbeben und den darauf folgenden Namazu-e ein. Der Autor beschreibt die Namazu-e als unterschwellige Kritik an den vorherrschenden Verhältnissen und am Bakufu. Außerdem hat bezeichnet er diese Zeit als „Protonationalismus“, da erst jetzt ein gewisses Gemeinschaftsgefühl, „wir Japaner“, aufkommt.(S.1068) An dieser Stelle kritisiert Smits u.a. die Autoren Hobsbawm, Geller und Anderson, die dieses Nationalgefühl bereits viel früher als gegeben angenommen haben. Für das Bakufu-Regime haben das Ansei-Erdbeben und die Schwarzen Schiffe das Ende eingeläutet und, laut Smits, haben die Namazu-e Künstler entschieden dazu begetragen.