Meiji Tennō - Als mythischer Machthaber: Unterschied zwischen den Versionen

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Wie in [[Meiji Tennō - Fotographien]] erklärt, wurde der [[Tennō]] versucht als Oberhaupt des Staates und in gewisser Weise als Vaterfigur des Volkes zu etablieren. Ein für Propaganda-Zwecke oftmals gebrauchtes Motiv war das 1887<ref>Keene 2001:34</ref> oder 1888<ref>Fujitan 1996:177–178</ref> angefertigte Tennō-Porträt des italienischen Malers Edoardo Chiossone.
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Wie in [[Meiji Tennō - Fotographien]] erklärt, wurde der [[Tennō]] versucht als Oberhaupt des Staates und in gewisser Weise als Vaterfigur des Volkes zu etablieren. Ein für Propaganda-Zwecke oftmals gebrauchtes Motiv war das 1887<ref>Keene 2001, S. 34</ref> oder 1888<ref>Fujitan 1996, S. 177–178</ref> angefertigte Tennō-Porträt des italienischen Malers Edoardo Chiossone.
So wurde es etwa im Buch ''Kuni no hikari'' 国の光 (dt. „Licht der Nation“) in sehr glorifizierender Weise dargestellt. Auf Grund der Aversion Meijis fotografiert zu werden, konnte Chiossone, welcher für das königlichen Druckamt arbeitete, nur mit Hilfe von eigenen, im Verborgenen, angefertigten Skizzen das Bild malen.<ref>Keene 2002:417</ref>
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So wurde es etwa im Buch ''Kuni no hikari'' 国の光 (dt. „Licht der Nation“) in sehr glorifizierender Weise dargestellt. Auf Grund der Aversion Meijis fotografiert zu werden, konnte Chiossone, welcher für das königliche Druckamt arbeitete, nur mit Hilfe von eigenen, im Verborgenen, angefertigten Skizzen das Bild malen.<ref>Keene 2002, S. 417</ref>
  
 
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Auf dem Original erkennt man auch den Hut mit dem Federschmuck welcher Meiji oftmals von den restlichen Charakteren in ähnlicher Kleidung auf Bildern abhebt. Es wird auch berichtet, dass die japanische Öffentlichkeit Probleme hatte den Tennō während Feierlichkeiten manchmal zu identifizieren, da, wie ''ukiyo-e'' in anderen Kapiteln beweisen, die Anzüge anderer Würdenträger starke Ähnlichkeiten mit denen des Tennō hatten.<ref>Meech-Pekarik 1987:107</ref>
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Auf dem Original erkennt man auch den Hut mit dem Federschmuck, welcher Meiji oftmals von den restlichen Charakteren in ähnlicher Kleidung auf Bildern abhebt. Es wird auch berichtet, dass die japanische Öffentlichkeit Probleme hatte, den Tennō während Feierlichkeiten manchmal zu identifizieren, da, wie ''ukiyo-e'' in anderen Kapiteln beweisen, die Anzüge anderer Würdenträger starke Ähnlichkeiten mit denen des Tennō hatten.<ref>Meech-Pekarik 1987, S. 107</ref>
  
 
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Eine der interessantesten Verwendungen Chiossones Bildes ist in Form einer Lithographie aus dem Jahr 1889, genannt „Kaiserbild seiner Majestät, dem Oberbefehlshaber“ (''daigenshi heika goshinnei'' 大元師陛下御真影), in der sich die Glorifizierung des Tennō ganz deutlich erkennen lässt. In der unteren Hälfte sieht man das bekannte Motiv, allerdings leicht abgeändert. Meiji hält hier eine Schriftrolle in der Hand, die vermutlich die Meiji Verfassung darstellen soll, welche ich im Rahmen der ''ukiyo-e'' in Kapitel 3.3. und 3.4 näher beobachte. Im oberen Teil lässt sich eine geradezu leuchtende Figur erkennen. Hier wird eindeutig die Verbindung zur mythologischen Schöpfungsgeschichte und der Genealogie der Tennō versucht herzustellen, da es sich ziemlich sicher entweder um den mythologischen ersten Jinmu Tennō 神武天皇oder Meiji in Form des Jinmu handelt. Zu erkennen ist dies an Bogen in der Hand und Köcher auf dem Rücken, welche ähnlich denen des Jinmu sind. Die Figur ist umgeben von der japanischen Flagge zur Rechten und zur Linken. Über ihm sind entweder zwei Pfaue, welche in China und Japan als Symbol für Reichtum angesehen werden<ref>Wansbury 2006:39</ref> oder, wahrscheinlicher, zwei Phönixe, ein Symbol für das Kaiserhaus und positiver Attribute wie Gerechtigkeit.<ref>Schumacher o.J.:1</ref> Weiter wird sich auch dem Motiv der Chrysantheme, welche zu Füßen der Figur liegt, bedient. Zur gleichen Zeit (1889/90) wurde die Meiji Verfassung umgesetzt und wahrscheinlich sollte solches Bildmaterial die darin festgelegte Unantastbarkeit des Tennō fördern, welcher völlig hinter der neuen Verfassung steht.
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Eine der interessantesten Verwendungen Chiossones Bildes ist in Form einer Lithographie aus dem Jahr 1889, genannt „Kaiserbild seiner Majestät, dem Oberbefehlshaber“ (''daigenshi heika goshinnei'' 大元師陛下御真影), in der sich die Glorifizierung des Tennō ganz deutlich erkennen lässt. In der unteren Hälfte sieht man das bekannte Motiv, allerdings leicht abgeändert. Meiji hält hier eine Schriftrolle in der Hand, die vermutlich die Meiji Verfassung darstellen soll, welche ich im Rahmen der ''ukiyo-e'' in Kapitel 3.3. und 3.4 näher beobachte. Im oberen Teil lässt sich eine geradezu leuchtende Figur erkennen. Hier wird eindeutig die Verbindung zur mythologischen Schöpfungsgeschichte und der Genealogie der Tennō versucht herzustellen, da es sich ziemlich sicher entweder um den mythologischen ersten Jinmu Tennō 神武天皇oder Meiji in Form des Jinmu handelt. Zu erkennen ist dies an Bogen in der Hand und Köcher auf dem Rücken, welche ähnlich denen des Jinmu sind. Die Figur ist umgeben von der japanischen Flagge zur Rechten und zur Linken. Über ihm sind entweder zwei Pfaue, welche in China und Japan als Symbol für Reichtum angesehen werden<ref>Wansbury 2006, S. 39</ref> oder, wahrscheinlicher, zwei Phönixe, ein Symbol für das Kaiserhaus und positiver Attribute wie Gerechtigkeit.<ref>„[http://www.onmarkproductions.com/html/ho-oo-phoenix.shtml Hōō 鳳凰 Phoenix]“, ''A to Z Photo Dictionary of Japanese Culture and Art'' (Stand: 2021/08/19)</ref> Weiter wird sich auch dem Motiv der Chrysantheme, welche zu Füßen der Figur liegt, bedient. Zur gleichen Zeit (1889/90) wurde die Meiji Verfassung umgesetzt und wahrscheinlich sollte solches Bildmaterial die darin festgelegte Unantastbarkeit des Tennō fördern, welcher völlig hinter der neuen Verfassung steht.
  
Als das Portrait Chiossones dem Tennō präsentiert wurde, er wusste zuvor nichts von dessen Entstehung, gab dieser keinerlei Reaktion von sich, unterschrieb es aber zumindest später als es an andere Länder als repräsentatives Bild verschickt wurde.<ref>Keene 2002:417</ref>
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Als das Porträt Chiossones dem Tennō präsentiert wurde, er wusste zuvor nichts von dessen Entstehung, gab dieser keinerlei Reaktion von sich, unterschrieb es aber zumindest später, als es an andere Länder als repräsentatives Bild verschickt wurde.<ref>Keene 2002, S. 417</ref>
  
 
Das sicherlich am stärksten an die Tennō-Genealogie in Verbindung mit den kami angelehnte ''ukiyo-e'' wurde 1878 von Chikanobu  周延 angefertigt und heißt „Abbildung des göttlichen Kaiserhauses“ (''honchō haiji kiō kagami'' 本朝拝辞既往鏡).
 
Das sicherlich am stärksten an die Tennō-Genealogie in Verbindung mit den kami angelehnte ''ukiyo-e'' wurde 1878 von Chikanobu  周延 angefertigt und heißt „Abbildung des göttlichen Kaiserhauses“ (''honchō haiji kiō kagami'' 本朝拝辞既往鏡).
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Go-Sakuramachi Tennō wird hier zwar als Mann dargestellt, war aber eigentlich die letzte weibliche Tennō.<ref>Scheid 2010:5</ref> Diese falsche Darstellung könnte schon auf die Absicht einer ausschließlich für Männer zugelassene Tennō-Erbfolge hindeuten, wie sie später in der Meiji Verfassung im 2. Artikel festgelegt wurde.
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Go-Sakuramachi Tennō wird hier zwar als Mann dargestellt, war aber eigentlich die letzte weibliche Tennō.<ref>Scheid 2010, S. 5</ref> Diese falsche Darstellung könnte schon auf die Absicht einer ausschließlich für Männer zugelassene Tennō-Erbfolge hindeuten, wie sie später in der Meiji Verfassung im 2. Artikel festgelegt wurde.
In der Mitte befinden sich das Götterpaar [[Izanami]] (auch Izanami no mikoto 伊邪那美命) und [[Izanagi]] (auch Izanagi no mikoto 伊邪那岐命), sowie Kuni no tokotachi 国之常立神 (bzw. Kunitokotachi 国常立神) , der als einer der Urgötter und „Ursprung aller Kraft“ gilt.<ref>Kracht 1986:125–126</ref>. Links sieht man die Ernte-Gottheit Hiko-Hohodemi 日子穂穂手見命 (auch Hoori no mikoto 火遠理命) mit einer Angel in der Hand und seinem Sohn Ugayafukiaezu no mikoto 鵜葺草葺不合命.<ref>Coats 2006:73</ref> Dieser soll der Vater von Jinmu Tennō, auf der rechten Seite mit Bogen zu sehen, gewesen sein.<ref>Encyclopedia of Shintō 2005:1</ref> Hinter Jinmu steht [[Ninigi|Ninigi no mikoto 邇邇芸尊]] (bzw. 瓊瓊杵尊), welcher als „Friedensbringer“ von Amaterasu 天照, ganz im Hintergrund, mit den Reichsinsignien auf die Erde geschickt wurde.<ref>Aston 1896:76</ref>
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In der Mitte befinden sich das Götterpaar [[Izanami]] (auch Izanami no mikoto 伊邪那美命) und [[Izanagi]] (auch Izanagi no mikoto 伊邪那岐命), sowie Kuni no tokotachi 国之常立神 (bzw. Kunitokotachi 国常立神) , der als einer der Urgötter und „Ursprung aller Kraft“ gilt.<ref>Kracht 1986, S. 125–126</ref>. Links sieht man die Ernte-Gottheit Hiko-Hohodemi 日子穂穂手見命 (auch Hoori no mikoto 火遠理命) mit einer Angel in der Hand und seinem Sohn Ugayafukiaezu no mikoto 鵜葺草葺不合命.<ref>Coats 2006, S. 73</ref> Dieser soll der Vater von Jinmu Tennō, auf der rechten Seite mit Bogen zu sehen, gewesen sein.<ref>„[http://eos.kokugakuin.ac.jp/modules/xwords/entry.php?entryID=161 Ugayafukaezu]“, ''Encyclopedia of Shinto'' (Stand: 2021/08/19) </ref> Hinter Jinmu steht [[Ninigi|Ninigi no mikoto 邇邇芸尊]] (bzw. 瓊瓊杵尊), welcher als „Friedensbringer“ von Amaterasu 天照, ganz im Hintergrund, mit den Reichsinsignien auf die Erde geschickt wurde.<ref>Aston 1896, S. 76</ref>
 
Mit Ausnahme von Kōkaku richten alle Figuren ihre Augen auf das Zentrum des Bildes, also Meiji, sogar Kaiserin Shōken. Der anfängliche Trend, dass nur Meiji, nicht aber die Kaiserin in westlicher Kleidung dargestellt wird ist auch hier vorhanden. Zudem ist anzumerken, dass kein ikebana 生花 den Tisch ziert, sondern eine stark schnörkelig verzierte, westliche Vase mit Blumenstrauß.
 
Mit Ausnahme von Kōkaku richten alle Figuren ihre Augen auf das Zentrum des Bildes, also Meiji, sogar Kaiserin Shōken. Der anfängliche Trend, dass nur Meiji, nicht aber die Kaiserin in westlicher Kleidung dargestellt wird ist auch hier vorhanden. Zudem ist anzumerken, dass kein ikebana 生花 den Tisch ziert, sondern eine stark schnörkelig verzierte, westliche Vase mit Blumenstrauß.
  
Im gleichen Jahr wurde ebenfalls von Chikanobu ein ähnliches Bild angefertigt. Es stellt die Tennō 1 bis 14, die Auswahl dürfte kein Zufall sein (siehe unten), sowie Jingū Kōgō 神功皇后 (herrschte lt. Mythologie von 201 bis 269) und das Kaiserpaar dar. Auf der rechten Seite sind zwar 6 Figuren zu sehen, aber nur 5 Namensplaketten zu erkennen. Da hauptsächlich die Regentschaften der ersten 14 Tennō als wissenschaftlich nicht haltbar gilt, unter anderem wegen unrealistischen Lebensdaten von über 100 Jahren<ref>Shillony 2005:11</ref>, und es erst zu den Tennō ab dem 6. Jhd. gesicherte historische Daten gibt, liegt hier wohl, ähnlich „Abbildung des göttlichen Kaiserhauses“, der Versuch einer mythologischen Legitimierung vor.
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Im gleichen Jahr wurde ebenfalls von Chikanobu ein ähnliches Bild angefertigt. Es stellt die Tennō 1 bis 14, die Auswahl dürfte kein Zufall sein (siehe unten), sowie Jingū Kōgō 神功皇后 (herrschte lt. Mythologie von 201 bis 269) und das Kaiserpaar dar. Auf der rechten Seite sind zwar 6 Figuren zu sehen, aber nur 5 Namensplaketten zu erkennen. Da hauptsächlich die Regentschaften der ersten 14 Tennō als wissenschaftlich nicht haltbar gilt, unter anderem wegen unrealistischen Lebensdaten von über 100 Jahren<ref>Shillony 2005, S. 11</ref>, und es erst zu den Tennō ab dem 6. Jhd. gesicherte historische Daten gibt, liegt hier wohl, ähnlich „Abbildung des göttlichen Kaiserhauses“, der Versuch einer mythologischen Legitimierung vor.
  
 
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Unter anderem im Rahmen von Rundreisen, auf die Meiji zunächst nur wenig Lust hatte, aber immer wieder von seinen Beratern dazu gedrängt wurde<ref>Meech-Pekarik 1987:105</ref>, gab es auch kleine Andenken für das Volk. Etwa als farbiges ''nishiki-e'' 錦絵 mit der Kaiserin in traditioneller Kleidung und dem Tennō in westlicher, welches im Jahr 1876 in der Präfektur Fukushima verteilt wurde.<ref>Fukushima Prefectural Culture Foundation 2001:1</ref>
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Unter anderem im Rahmen von Rundreisen, auf die Meiji zunächst nur wenig Lust hatte, aber immer wieder von seinen Beratern dazu gedrängt wurde<ref>Meech-Pekarik 1987, S. 105</ref>, gab es auch kleine Andenken für das Volk. Etwa als farbiges ''nishiki-e'' 錦絵 mit der Kaiserin in traditioneller Kleidung und dem Tennō in westlicher, welches im Jahr 1876 in der Präfektur Fukushima verteilt wurde.<ref>„[https://web.archive.org/web/20101029173908/http://www.history-archives.fks.ed.jp/con8/061007.html Heisei 18-nendo shūzō shiryō tēma-ten 平成18年度 収蔵資料テーマ展]“, ''Fukushimaken Rekishi Shiryō-kan'' (Stand: 2021/08/19) </ref>
  
 
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Ein weiteres, interessanteres Beispiel ist eine Lithographie aus dem Jahr 1891. Das Kaiserpaar, die Kaiserin in traditioneller Kleidung, und der Thronfolger Yoshihito 嘉仁, posthum Taishō Tennō 大正天皇, werden hier umgeben von mehreren Motiven abgebildet.
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Ein weiteres interessanteres Beispiel ist eine Lithographie aus dem Jahr 1891. Das Kaiserpaar, die Kaiserin in traditioneller Kleidung, und der Thronfolger Yoshihito 嘉仁, posthum Taishō Tennō 大正天皇, werden hier umgeben von mehreren Motiven abgebildet.
  
 
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Zum einen lassen sich natürlich das Chrysanthemen-Symbol und die beiden japanischen Flaggen erkennen. Es sind auch zwei Libellen zu sehen, welche in Japan als Verkörperung von Mut, Stärke und Fröhlichkeit gelten. Der Legende nach wurde Jinmu Tennō von einem Moskito gebissen, der aber wiederum sofort von einer Libelle aufgefressen wurde. Außerdem wurde von ihm das alte Yamato als „Land der Drachenfliege“ (auf Grund der Form) erklärt.<ref>Mitchell und Lasswell 2005:30</ref>
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Zum einen lassen sich natürlich das Chrysanthemen-Symbol und die beiden japanischen Flaggen erkennen. Es sind auch zwei Libellen zu sehen, welche in Japan als Verkörperung von Mut, Stärke und Fröhlichkeit gelten. Der Legende nach wurde Jinmu Tennō von einem Moskito gebissen, der aber wiederum sofort von einer Libelle aufgefressen wurde. Außerdem wurde von ihm das alte Yamato als „Land der Drachenfliege“ (auf Grund der Form) erklärt.<ref>Mitchell und Lasswell 2005, S. 30</ref>
Der Kronprinz, in ähnlicher Kleidung wie der Vater abgebildet, erhielt seine erste Militäruniform bereits im Alter von 10 Jahren.<ref>Meech-Pekarik 1987:127</ref> Hier will man den Prinzen wohl nicht als hilfloses Kind darstellen und man versucht zu suggerieren, dass auch das zukünftige Japan mit dem nächsten Kaiser sich dem Westen und dem Militärstaat annähern soll.
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Der Kronprinz, in ähnlicher Kleidung wie der Vater abgebildet, erhielt seine erste Militäruniform bereits im Alter von 10 Jahren.<ref>Meech-Pekarik 1987, S. 127</ref> Hier will man den Prinzen wohl nicht als hilfloses Kind darstellen und man versucht zu suggerieren, dass auch das zukünftige Japan mit dem nächsten Kaiser sich dem Westen und dem Militärstaat annähern soll.
  
 
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Als kurzen Exkurs über die Darstellungen der Kaiserin und des Kronprinzen möchte ich zwei Beispiele heranziehen welche ich in meiner Recherche als besonders interessant empfand. Die Kaiserin wurde, wie bereits erwähnt, durchaus nicht sofort in westlicher Kleidung dargestellt. Auf den Abbildungen der 1870er und frühen 1880er wird sie in traditionell-japanischer Kleidung dargestellt. Dies änderte sich aber als Einflüsse von britischer Kleidung der Oberschicht nach Japan überschwappten und versucht wurde diese als höfische Kleidung zu etablieren. Es wurden teilweise sogar Motive nahezu 1:1 imitiert, wahrscheinlich damit die neue Kaiserin und ihr Sohn die westliche Mode korrekt repräsentieren. Die „Verwestlichung“ geht In einigen Motiven sogar so weit, dass bestimmte Haltungen welche als charakteristisch für europäische Hofdamen gelten, zwar nur subtil, aber doch, nachgeahmt werden (siehe Haltung der linken Hand in „Spiegel des japanischen Adels“).<ref>Meech-Pekarik 1987:139, 141</ref> Die für diese Zeit vorherrschende Meinung der „Rückbesinnung auf das ursprüngliche“<ref>Scheid 2010.:2</ref> zeigt sich auch in der Aussage der Kaiserin, dass die westliche Kleidung „sich wie die Kleidung unserer Vorfahren aus einem Oberteil und einem Rock zusammensetzt“, aber „man soll auf die Verwendung japanischer Produkte und Materialien achten“.<ref>Meech-Pekarik 1987:129</ref>
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Als kurzen Exkurs über die Darstellungen der Kaiserin und des Kronprinzen möchte ich zwei Beispiele heranziehen, welche ich in meiner Recherche als besonders interessant empfand. Die Kaiserin wurde, wie bereits erwähnt, durchaus nicht sofort in westlicher Kleidung dargestellt. Auf den Abbildungen der 1870er und frühen 1880er wird sie in traditionell-japanischer Kleidung dargestellt. Dies änderte sich aber, als Einflüsse von britischer Kleidung der Oberschicht nach Japan überschwappten und versucht wurde, diese als höfische Kleidung zu etablieren. Es wurden teilweise sogar Motive nahezu 1:1 imitiert, wahrscheinlich damit die neue Kaiserin und ihr Sohn die westliche Mode korrekt repräsentieren. Die „Verwestlichung“ geht in einigen Motiven sogar so weit, dass bestimmte Haltungen welche als charakteristisch für europäische Hofdamen gelten, zwar nur subtil, aber doch, nachgeahmt werden (siehe Haltung der linken Hand in „Spiegel des japanischen Adels“).<ref>Meech-Pekarik 1987, S. 139, 141</ref> Die für diese Zeit vorherrschende Meinung der „Rückbesinnung auf das ursprüngliche“<ref>Scheid 2010, S. 2</ref> zeigt sich auch in der Aussage der Kaiserin, dass die westliche Kleidung „sich wie die Kleidung unserer Vorfahren aus einem Oberteil und einem Rock zusammensetzt“, aber „man soll auf die Verwendung japanischer Produkte und Materialien achten“.<ref>Meech-Pekarik 1987, S. 129</ref>
  
 
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Betrachtet man das im August 1887 von Chikanobu angefertigte Bild „Spiegel des Adels“ (''fusō kōki kan'' 扶桑高貴鑑) fällt einem auf, dass die Kaiserfamilie in westlicher Kleidung dargestellt wird und im Zentrum der junge Kronprinz vor einem sehr ausladenden Blumenstrauß im westlichen Stil steht. Das Bild entstand zu einer Zeit als  in Japan Bildung ein populäres Thema war<ref>Meech-Pekarik 1987:125</ref> und es womöglich auch schon die Planung für das kaiserliche Erziehungsedikt gab welches 3 Jahre später ausgerufen wurde. Die Bücher auf dem Tisch sollen wohl die Schulbücher des Jungen darstellen, da dieser im gleichen Jahr mit seiner schulischen Ausbildung begann. Auch auf diesem Familienporträt verbinden sich die neuen, westlichen Objekte mit dem eigentlich sehr traditionell wirkenden, an ''sumi-e'' 墨絵 erinnernden, Hintergrund. Es wird mit ''fusō'' 扶桑 ein alter chinesische Name für Japan<ref>Wadoku o.J.:1</ref><ref>Jlex o.J.:1</ref> benutzt, was bedeuten könnte, dass dieses Bild nicht für das eigene Volk bestimmt war sondern speziell für China.
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Betrachtet man das im August 1887 von Chikanobu angefertigte Bild „Spiegel des Adels“ (''fusō kōki kan'' 扶桑高貴鑑) fällt einem auf, dass die Kaiserfamilie in westlicher Kleidung dargestellt wird und im Zentrum der junge Kronprinz vor einem sehr ausladenden Blumenstrauß im westlichen Stil steht. Das Bild entstand zu einer Zeit als  in Japan Bildung ein populäres Thema war<ref>Meech-Pekarik 1987, S. 125</ref> und es womöglich auch schon die Planung für das kaiserliche Erziehungsedikt gab, welches 3 Jahre später ausgerufen wurde. Die Bücher auf dem Tisch sollen wohl die Schulbücher des Jungen darstellen, da dieser im gleichen Jahr mit seiner schulischen Ausbildung begann. Auch auf diesem Familienporträt verbinden sich die neuen westlichen Objekte mit dem eigentlich sehr traditionell wirkenden, an ''sumi-e'' 墨絵 erinnernden, Hintergrund. Es wird mit ''fusō'' 扶桑 ein alter chinesische Name für Japan<ref>„[http://wadoku.de/wadoku/search/%E6%89%B6%E6%A1%91 Fusō 扶桑]“, ''Wadoku'' (Stand: 2021/08/19) </ref> benutzt, was bedeuten könnte, dass dieses Bild nicht für das eigene Volk bestimmt war, sondern speziell für China.
  
 
== Weitere relevante Bilder ==
 
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* [[Meiji Tenno - Vollständige Literaturliste]]
 
* [[Meiji Tenno - Vollständige Literaturliste]]
 
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* Encyclopedia of Shinto 2005 “Ugayafukaezu”. http://eos.kokugakuin.ac.jp/modules/xwords/entry.php?entryID=161 (19.12.2011).
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* {{Link:A to Z Dictionary of Japanese Sculpture and Art}}
* Fukushima Prefectural Culture Foundation 2001 “Jahr Heisei 18, Ausstellung zum Thema gelagerter Unterlagen“. http://www.history-archives.fks.ed.jp/con8/061007.html (01.02.2012).
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* {{Link:Encyclopedia of Shinto}}
* [https://www.univie.ac.at/rel_jap/an/Geschichte/Staatsshinto Staatsshinto] (Stand: 2012/01/04). Aus: {{Link:Religion in Japan}}
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* [https://web.archive.org/web/20110719071319/http://www.history-archives.fks.ed.jp/ ''Fukushimaken Rekishi Shiryō-kan'' 福島県歴史資料館]
* Schumacher, Mark o.J. “Hōhō Phoenix“. http://www.onmarkproductions.com/html/ho-oo-phoenix.shtml (12. Februar 2012).
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* [https://religion-in-japan.univie.ac.at/Handbuch/Geschichte/Staatsshinto Staatsshinto]“, {{Link:Religion in Japan}}
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* Verweisbox eingefügt. [[Benutzer:Sup|Sup]] ([[Benutzer Diskussion:Sup|Diskussion]]) 11:55, 30. Jul. 2021 (CEST)
 
* Bilder. [[Benutzer:Vicky Ficht|Vicky Ficht]] ([[Benutzer Diskussion:Vicky Ficht|Diskussion]]) 16:26, 3. Aug. 2021 (CEST)
 
* Seitenformatierung. [[Benutzer:Sup|Sup]] ([[Benutzer Diskussion:Sup|Diskussion]]) 14:11, 6. Aug. 2021 (CEST)
 
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Aktuelle Version vom 22. März 2022, 20:58 Uhr

Meiji Tenno Porträt 2.jpg
Malerei, Edoardo Chiossone, 1887/88[Abb. 1]
Seiten-Infobox
Themengruppe Personen (Einzelpersonen, Familien, Gruppen)
Name Meiji Tennō 明治天皇
Lebenszeit geb. 3.11.1852 in Kyōto, gest. 30.6.1912 in Tōkyō
Titel Tennō 天皇
Sonstige Namen Sachinomiya 祐宮, Mutsuhito 睦仁
Funktion, Amt 122. Tennō
Diese Seite entstand im Kontext des Seminars Kamigraphie:Japanische Mythologie.

Wie in Meiji Tennō - Fotographien erklärt, wurde der Tennō versucht als Oberhaupt des Staates und in gewisser Weise als Vaterfigur des Volkes zu etablieren. Ein für Propaganda-Zwecke oftmals gebrauchtes Motiv war das 1887[1] oder 1888[2] angefertigte Tennō-Porträt des italienischen Malers Edoardo Chiossone. So wurde es etwa im Buch Kuni no hikari 国の光 (dt. „Licht der Nation“) in sehr glorifizierender Weise dargestellt. Auf Grund der Aversion Meijis fotografiert zu werden, konnte Chiossone, welcher für das königliche Druckamt arbeitete, nur mit Hilfe von eigenen, im Verborgenen, angefertigten Skizzen das Bild malen.[3]

Auszug aus „kuni no hikari“, 1909 [Abb. 2]

Auf dem Original erkennt man auch den Hut mit dem Federschmuck, welcher Meiji oftmals von den restlichen Charakteren in ähnlicher Kleidung auf Bildern abhebt. Es wird auch berichtet, dass die japanische Öffentlichkeit Probleme hatte, den Tennō während Feierlichkeiten manchmal zu identifizieren, da, wie ukiyo-e in anderen Kapiteln beweisen, die Anzüge anderer Würdenträger starke Ähnlichkeiten mit denen des Tennō hatten.[4]

„Kaiserbild seiner Majestät, dem Oberbefehlshaber“, unbekannt, ca. 1889 [Abb. 3]

Eine der interessantesten Verwendungen Chiossones Bildes ist in Form einer Lithographie aus dem Jahr 1889, genannt „Kaiserbild seiner Majestät, dem Oberbefehlshaber“ (daigenshi heika goshinnei 大元師陛下御真影), in der sich die Glorifizierung des Tennō ganz deutlich erkennen lässt. In der unteren Hälfte sieht man das bekannte Motiv, allerdings leicht abgeändert. Meiji hält hier eine Schriftrolle in der Hand, die vermutlich die Meiji Verfassung darstellen soll, welche ich im Rahmen der ukiyo-e in Kapitel 3.3. und 3.4 näher beobachte. Im oberen Teil lässt sich eine geradezu leuchtende Figur erkennen. Hier wird eindeutig die Verbindung zur mythologischen Schöpfungsgeschichte und der Genealogie der Tennō versucht herzustellen, da es sich ziemlich sicher entweder um den mythologischen ersten Jinmu Tennō 神武天皇oder Meiji in Form des Jinmu handelt. Zu erkennen ist dies an Bogen in der Hand und Köcher auf dem Rücken, welche ähnlich denen des Jinmu sind. Die Figur ist umgeben von der japanischen Flagge zur Rechten und zur Linken. Über ihm sind entweder zwei Pfaue, welche in China und Japan als Symbol für Reichtum angesehen werden[5] oder, wahrscheinlicher, zwei Phönixe, ein Symbol für das Kaiserhaus und positiver Attribute wie Gerechtigkeit.[6] Weiter wird sich auch dem Motiv der Chrysantheme, welche zu Füßen der Figur liegt, bedient. Zur gleichen Zeit (1889/90) wurde die Meiji Verfassung umgesetzt und wahrscheinlich sollte solches Bildmaterial die darin festgelegte Unantastbarkeit des Tennō fördern, welcher völlig hinter der neuen Verfassung steht.

Als das Porträt Chiossones dem Tennō präsentiert wurde, er wusste zuvor nichts von dessen Entstehung, gab dieser keinerlei Reaktion von sich, unterschrieb es aber zumindest später, als es an andere Länder als repräsentatives Bild verschickt wurde.[7]

Das sicherlich am stärksten an die Tennō-Genealogie in Verbindung mit den kami angelehnte ukiyo-e wurde 1878 von Chikanobu 周延 angefertigt und heißt „Abbildung des göttlichen Kaiserhauses“ (honchō haiji kiō kagami 本朝拝辞既往鏡). Zu sehen sind hier zum einen die fünf Vorgänger Meijis:

•Go-Sakuramachi Tennō 後桜町天皇 (117. Tennō) – Rechtes Bild, neben Kōmei Tennō.
•Go-Momozono Tennō 語桃園天皇 (118.) – Linkes Bild, rote Kleidung.
•Kōkaku Tennō 光格天皇 (119.) – Linkes Bild, schwarze Kleidung.
•Ninkō Tennō 仁孝天皇 (120.) – Linkes Bild, grüne Kleidung.
•Kōmei Tennō 孝明天皇 (121.) – Rechtes Bild, sitzend.
"Abbildung des göttlichen Kaiserhauses“, Chikanobu, 1878 [Abb. 4]

Go-Sakuramachi Tennō wird hier zwar als Mann dargestellt, war aber eigentlich die letzte weibliche Tennō.[8] Diese falsche Darstellung könnte schon auf die Absicht einer ausschließlich für Männer zugelassene Tennō-Erbfolge hindeuten, wie sie später in der Meiji Verfassung im 2. Artikel festgelegt wurde. In der Mitte befinden sich das Götterpaar Izanami (auch Izanami no mikoto 伊邪那美命) und Izanagi (auch Izanagi no mikoto 伊邪那岐命), sowie Kuni no tokotachi 国之常立神 (bzw. Kunitokotachi 国常立神) , der als einer der Urgötter und „Ursprung aller Kraft“ gilt.[9]. Links sieht man die Ernte-Gottheit Hiko-Hohodemi 日子穂穂手見命 (auch Hoori no mikoto 火遠理命) mit einer Angel in der Hand und seinem Sohn Ugayafukiaezu no mikoto 鵜葺草葺不合命.[10] Dieser soll der Vater von Jinmu Tennō, auf der rechten Seite mit Bogen zu sehen, gewesen sein.[11] Hinter Jinmu steht Ninigi no mikoto 邇邇芸尊 (bzw. 瓊瓊杵尊), welcher als „Friedensbringer“ von Amaterasu 天照, ganz im Hintergrund, mit den Reichsinsignien auf die Erde geschickt wurde.[12] Mit Ausnahme von Kōkaku richten alle Figuren ihre Augen auf das Zentrum des Bildes, also Meiji, sogar Kaiserin Shōken. Der anfängliche Trend, dass nur Meiji, nicht aber die Kaiserin in westlicher Kleidung dargestellt wird ist auch hier vorhanden. Zudem ist anzumerken, dass kein ikebana 生花 den Tisch ziert, sondern eine stark schnörkelig verzierte, westliche Vase mit Blumenstrauß.

Im gleichen Jahr wurde ebenfalls von Chikanobu ein ähnliches Bild angefertigt. Es stellt die Tennō 1 bis 14, die Auswahl dürfte kein Zufall sein (siehe unten), sowie Jingū Kōgō 神功皇后 (herrschte lt. Mythologie von 201 bis 269) und das Kaiserpaar dar. Auf der rechten Seite sind zwar 6 Figuren zu sehen, aber nur 5 Namensplaketten zu erkennen. Da hauptsächlich die Regentschaften der ersten 14 Tennō als wissenschaftlich nicht haltbar gilt, unter anderem wegen unrealistischen Lebensdaten von über 100 Jahren[13], und es erst zu den Tennō ab dem 6. Jhd. gesicherte historische Daten gibt, liegt hier wohl, ähnlich „Abbildung des göttlichen Kaiserhauses“, der Versuch einer mythologischen Legitimierung vor.

„Abriss der japanischen Kaiserlinie“, Chikanobu, 1878 [Abb. 5]

Unter anderem im Rahmen von Rundreisen, auf die Meiji zunächst nur wenig Lust hatte, aber immer wieder von seinen Beratern dazu gedrängt wurde[14], gab es auch kleine Andenken für das Volk. Etwa als farbiges nishiki-e 錦絵 mit der Kaiserin in traditioneller Kleidung und dem Tennō in westlicher, welches im Jahr 1876 in der Präfektur Fukushima verteilt wurde.[15]

Nishiki-e als Andenken, unbekannt, 1876 [Abb. 6]

Ein weiteres interessanteres Beispiel ist eine Lithographie aus dem Jahr 1891. Das Kaiserpaar, die Kaiserin in traditioneller Kleidung, und der Thronfolger Yoshihito 嘉仁, posthum Taishō Tennō 大正天皇, werden hier umgeben von mehreren Motiven abgebildet.

Bildnis der Kaiserfamilie, unbekannt, 1891 [Abb. 7]

Zum einen lassen sich natürlich das Chrysanthemen-Symbol und die beiden japanischen Flaggen erkennen. Es sind auch zwei Libellen zu sehen, welche in Japan als Verkörperung von Mut, Stärke und Fröhlichkeit gelten. Der Legende nach wurde Jinmu Tennō von einem Moskito gebissen, der aber wiederum sofort von einer Libelle aufgefressen wurde. Außerdem wurde von ihm das alte Yamato als „Land der Drachenfliege“ (auf Grund der Form) erklärt.[16] Der Kronprinz, in ähnlicher Kleidung wie der Vater abgebildet, erhielt seine erste Militäruniform bereits im Alter von 10 Jahren.[17] Hier will man den Prinzen wohl nicht als hilfloses Kind darstellen und man versucht zu suggerieren, dass auch das zukünftige Japan mit dem nächsten Kaiser sich dem Westen und dem Militärstaat annähern soll.

Britische (1882) und neue japanische (1887) Hofkleidung [Abb. 8]

Als kurzen Exkurs über die Darstellungen der Kaiserin und des Kronprinzen möchte ich zwei Beispiele heranziehen, welche ich in meiner Recherche als besonders interessant empfand. Die Kaiserin wurde, wie bereits erwähnt, durchaus nicht sofort in westlicher Kleidung dargestellt. Auf den Abbildungen der 1870er und frühen 1880er wird sie in traditionell-japanischer Kleidung dargestellt. Dies änderte sich aber, als Einflüsse von britischer Kleidung der Oberschicht nach Japan überschwappten und versucht wurde, diese als höfische Kleidung zu etablieren. Es wurden teilweise sogar Motive nahezu 1:1 imitiert, wahrscheinlich damit die neue Kaiserin und ihr Sohn die westliche Mode korrekt repräsentieren. Die „Verwestlichung“ geht in einigen Motiven sogar so weit, dass bestimmte Haltungen welche als charakteristisch für europäische Hofdamen gelten, zwar nur subtil, aber doch, nachgeahmt werden (siehe Haltung der linken Hand in „Spiegel des japanischen Adels“).[18] Die für diese Zeit vorherrschende Meinung der „Rückbesinnung auf das ursprüngliche“[19] zeigt sich auch in der Aussage der Kaiserin, dass die westliche Kleidung „sich wie die Kleidung unserer Vorfahren aus einem Oberteil und einem Rock zusammensetzt“, aber „man soll auf die Verwendung japanischer Produkte und Materialien achten“.[20]

„Spiegel des japanischen Adels“, Chikanobu, August 1887 [Abb. 9]

Betrachtet man das im August 1887 von Chikanobu angefertigte Bild „Spiegel des Adels“ (fusō kōki kan 扶桑高貴鑑) fällt einem auf, dass die Kaiserfamilie in westlicher Kleidung dargestellt wird und im Zentrum der junge Kronprinz vor einem sehr ausladenden Blumenstrauß im westlichen Stil steht. Das Bild entstand zu einer Zeit als in Japan Bildung ein populäres Thema war[21] und es womöglich auch schon die Planung für das kaiserliche Erziehungsedikt gab, welches 3 Jahre später ausgerufen wurde. Die Bücher auf dem Tisch sollen wohl die Schulbücher des Jungen darstellen, da dieser im gleichen Jahr mit seiner schulischen Ausbildung begann. Auch auf diesem Familienporträt verbinden sich die neuen westlichen Objekte mit dem eigentlich sehr traditionell wirkenden, an sumi-e 墨絵 erinnernden, Hintergrund. Es wird mit fusō 扶桑 ein alter chinesische Name für Japan[22] benutzt, was bedeuten könnte, dass dieses Bild nicht für das eigene Volk bestimmt war, sondern speziell für China.

Weitere relevante Bilder


Verweise

Verwandte Themen

Literatur

  • William George Aston (Ü.) 1896
    Nihongi: Chronicles of Japan from the earliest times to a.d. 697. London: Kegan Paul 1896. (Zahlreiche Neuauflagen, JHTI Onlineversion, Onlineversion (Wiki-Source).)
  • Bruce Arthur Coats 2006
    Chikanobu: Modernity and nostalgia in Japanese prints. Leiden: Hotei 2006.
  • Takashi Fujitan 1996
    Splendid monarchy: Power and peagantry in modern Japan. Berkeley u.a.: Univ. of California Press 1996.
  • Donald Keene, Hg. von Louise Virgin 2001
    Japan at the dawn of the modern age. Boston: MFA Publ. 2001.
  • Donald Keene 2002
    Emperor of Japan: Meiji and his world, 1852-1912. New York: Columbia Univ. Press. 2002.
  • Klaus Kracht 1986
    Studien zur Geschichte des Denkens im Japan des 17. Bis 19. Jahrhunderts. Wiesbaden: Harrassowiz 1986.
  • Julia Meech-Pekarik 1987
    The world of the Meiji print: Impressions of a new civilization. New York u.a.: Weatherhill 1987.
  • Forrest Lee Mitchell, James Lasswell 2005
    A dazzle of dragonflies. Texas: Texas A&M University Press 2005.
  • Ben-Ami Shillony 2005
    Enigma of the emperors: Sacred subservience in Japanese history. Folkestone: Global Oriental 2005.
  • Andrea Wansbury 2006
    Birds: Divine messengers. Findhorn: Findhorn Press 2006.
  • Meiji Tenno - Vollständige Literaturliste

Internetquellen

  • Wadoku  和独 (Akademische HP/ Online-Wörterbuch, Wadoku e.V.).
Letzte Überprüfung der Linkadressen: 2021/08/19

Fußnoten

  1. Keene 2001, S. 34
  2. Fujitan 1996, S. 177–178
  3. Keene 2002, S. 417
  4. Meech-Pekarik 1987, S. 107
  5. Wansbury 2006, S. 39
  6. Hōō 鳳凰 Phoenix“, A to Z Photo Dictionary of Japanese Culture and Art (Stand: 2021/08/19)
  7. Keene 2002, S. 417
  8. Scheid 2010, S. 5
  9. Kracht 1986, S. 125–126
  10. Coats 2006, S. 73
  11. Ugayafukaezu“, Encyclopedia of Shinto (Stand: 2021/08/19)
  12. Aston 1896, S. 76
  13. Shillony 2005, S. 11
  14. Meech-Pekarik 1987, S. 105
  15. Heisei 18-nendo shūzō shiryō tēma-ten 平成18年度 収蔵資料テーマ展“, Fukushimaken Rekishi Shiryō-kan (Stand: 2021/08/19)
  16. Mitchell und Lasswell 2005, S. 30
  17. Meech-Pekarik 1987, S. 127
  18. Meech-Pekarik 1987, S. 139, 141
  19. Scheid 2010, S. 2
  20. Meech-Pekarik 1987, S. 129
  21. Meech-Pekarik 1987, S. 125
  22. Fusō 扶桑“, Wadoku (Stand: 2021/08/19)

Bilder

Quellen und Erläuterungen zu den Bildern auf dieser Seite:

  1. Meiji Tenno Porträt 2.jpg
    Meiji Tennō - Porträt in militärischer Kleidung 2 Personen (Papier) von Maler: Edoardo Chiossone (1833–98); Fotograph: Maruki Riyō 丸木 利陽 (1854–1923). Meiji-Zeit, 1888
    Bild © Wikipedia, Original aus Tenno Yondai No Shozo (天皇四代の肖像). Tokyo, Japan: Mainichi Shinbun Sha 毎日新聞社, November 1999. (Letzter Zugriff: 2012/10/15)

    Fotografie eines Gemäldes.

  2. Meiji Tenno - Buchauszug.jpg
    Meiji Tenno - Buchillustration Buchillustration. Meiji-Zeit, 1909
    Bild © Wikimedia, Original aus Kuni no hikari 國の光 (dt. "Das Licht der Nation"), publiziert von Asahi Shinbun.. (Letzter Zugriff: 2012/10/15)
    Buchillustration basierend auf dem Bild Chiossones.
  3. Meiji Tenno - Lithographie (Jimmu).jpg
    Meiji Tenno - Lithographie (Jinmu) Hängerollbild von Edoardo Chiossone (originales Bild in der unteren Hälfte) (1833-1898). Meiji-Zeit, 1889 (Porträt von 1887); Museum of Fine Arts, Boston; 178.5 x 66 cm
    Bild © Museum of Fine Arts, Boston. (Letzter Zugriff: 2012/1/19)
    Jean S. and Frederic A. Sharf Collection
  4. Meiji Tenno und verschiedene kami.jpg
    Meiji Tennō mit Ahnen und Ahnen-kami Blockdruck (Farbe) von Toyohara Chikanobu 豊原周延, auch Yōshū Chikanobu 楊洲周延 (1838-1912). Meiji-Zeit, 1878
    Bild © Wikimedia Commons. (Letzter Zugriff: 2012/10/15)
    Links:
    Go-momozono Tennō (rote Kleidung)
    Kōkaku Tennō (schwarze Kleidung)
    Ninkō Tennō (grüne Kleidung)
    Kami Hiko-hohodemi (weiße Kleidung)
    Kami Ugayafukiaezu (gelbe Kleidung)

    Mitte:

    Im Vordergrund

    Meiji Tennō
    Kaiserin Shōken

    im Hintergrund

    Kami Izanami (weiße Kleidung, links)
    Kami Kuni no tokotachi (gelbe Kleidung)
    Kami Izanagi (helle Kleidung, rechts)

    Rechts:

    Kami Amaterasu mit Spiegel, Schwert und Krummjuwelen (Reichsinsignien)
    Kami Ninigi-no-Mikoto
    Kōmei Tennō (Vordergrund, sitzend)
    Go-Sakuramachi Tennō (eig. weiblich, hier irrtümlich als Mann dargestellt)
    Jinmu Tennō (mit Bogen und Yatagarasu Krähe)
  5. Chikanobu Toyohara - Imperial Lineage.jpg
    扶桑皇統畧 (Fusō kōtō ryaku) Blockdruck von Toyohara Chikanobu. 1878
    Bild © Wikipedia. (Letzter Zugriff: 2012/3/12)
    "Abriss der japanischen Kaiserlinie"
  6. Nishikie für Rundreise.jpg
    Blockdruck, nishiki-e von unbekannt. Meiji-Zeit, 1876
    Bild © Fukushima Prefectural Culture Foundation. (Letzter Zugriff: 2012/10/14)

    Unter anderem im Rahmen von Rundreisen, gab es auch kleine Andenken für das Volk. Etwa als farbiges nishiki-e mit der Kaiserin in traditioneller Kleidung und dem Kaiser Meiji in westlicher.

  7. Meiji Familie - Porträts.jpg
    Meiji Familie - Porträts Blockdruck. Meiji-Zeit, 1881
    Bild © Geocities - Hasegawa Rey. (Letzter Zugriff: 2012/01/20)
  8. World S139 cut.jpg
    Britische (1882) und neue japanische (1887) Hofkleidung Blockdruck von Chikanobu Toyohara (Rechter Holzschnitt). Meiji-Zeit, 1882 (Gemälde) und 1887 (Holzschnitt)

    Aus "The world of the Meiji print" (1987) von Meech-Pekarik, Julia. New York u.a.: Weatherhill. Seite 139.

  9. Meiji Familie - Blockdruck.jpg
    A Mirror of Japanese Nobility Blockdruck von Toyohara Chikanobu (1838-1912). Meiji-Zeit, August 1887
    Bild © Massachusetts Institute of Technology. (Letzter Zugriff: 2012/10/13)
    Jean S. and Frederic A. Sharf Collection
  10. Meiji Familie.jpg
    Porträt der Familie des Meiji Tennō Blockdruck (Farbe) von Torajirō Kasai. Meiji-Zeit, Oktober 1900; 45,5 x 61,9 cm
    Bild © Wikipedia. (Letzter Zugriff: 2012/10/15)
  11. Meiji - Farbporträt.jpg
    Meiji Tennō Personen. Meiji-Zeit
    Bild © larousse.fr. (Letzter Zugriff: 2012/10/13)