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'''Autorin''': [[Nelly Naumann]] war eine deutsche Japanologin. Sie wurde am 20. Dezember 1922 in Lörrach unter dem bürgerlichen Namen Thusnelda Jost geboren und verstarb am 29. September 2000. Sie galt in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts als größte Autorität auf dem Gebiet der japanischen Volkskunde und Mythenfoschung im deutschen Sprachraum. | '''Autorin''': [[Nelly Naumann]] war eine deutsche Japanologin. Sie wurde am 20. Dezember 1922 in Lörrach unter dem bürgerlichen Namen Thusnelda Jost geboren und verstarb am 29. September 2000. Sie galt in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts als größte Autorität auf dem Gebiet der japanischen Volkskunde und Mythenfoschung im deutschen Sprachraum. | ||
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Naumann beginnt die Einführung mit dem Versuch den Mythosbegriff zu erläutern. Dabei zitiert sie u.a. den Mythenforscher [[Mircea Eliade]] sowie den Philosophen Franz Vonessen. Eliade wird in ihren Ausführungen damit angeführt, dass die Ereignisse, von denen „echte Mythen“ berichten, mit einer mythischen Ur-Zeit gleichgesetzt werden (''in illo tempore''). Diese Zeit bestimmt gemäß dem mythischen Denken alle Ereignisse und Handlungen von Wesen in dieser Welt, den Menschen eingeschlossen. Franz Vonessen vertritt die Meinung, der Mythos sei „die Übersetzung der Sprache des Seins“ und man müsse, um einen Mythos zu begreifen „die Sache selbst zum Sprechen kommen lassen“. Letztere Herangehensweise an den Mythosbegriff wird von Naumann übernommen und liegt ihrem Buch zugrunde. | Naumann beginnt die Einführung mit dem Versuch den Mythosbegriff zu erläutern. Dabei zitiert sie u.a. den Mythenforscher [[Mircea Eliade]] sowie den Philosophen Franz Vonessen. Eliade wird in ihren Ausführungen damit angeführt, dass die Ereignisse, von denen „echte Mythen“ berichten, mit einer mythischen Ur-Zeit gleichgesetzt werden (''in illo tempore''). Diese Zeit bestimmt gemäß dem mythischen Denken alle Ereignisse und Handlungen von Wesen in dieser Welt, den Menschen eingeschlossen. Franz Vonessen vertritt die Meinung, der Mythos sei „die Übersetzung der Sprache des Seins“ und man müsse, um einen Mythos zu begreifen „die Sache selbst zum Sprechen kommen lassen“. Letztere Herangehensweise an den Mythosbegriff wird von Naumann übernommen und liegt ihrem Buch zugrunde. | ||
− | Des Weiteren verwendet sie als Quellen der vorgestellen japanischen Mythen das ''Nihongi''/ ''[[Nihon Shoki]]'' (Annalen Japans) sowie das ''[[Kojiki]]'' (Aufzeichnung alter Geschehnisse). Beide Werke stellen eine Überlieferung von Mythen, Volks- und Familienüberlieferungen und Kaiserlisten dar. Im Laufe der Einführung unterlegt Naumann beide Werke mit Hinweisen zu ihrer Entstehung und Bedeutung. | + | ====Die japanischen Mythen (S. 3-15)==== |
+ | Des Weiteren verwendet sie als Quellen der vorgestellen japanischen Mythen das ''Nihongi''/ ''[[Nihon Shoki]]'' (Annalen Japans) sowie das ''[[Kojiki]]'' (Aufzeichnung alter Geschehnisse). Beide Werke stellen eine Überlieferung von Mythen, Volks- und Familienüberlieferungen und Kaiserlisten dar. Im Laufe der Einführung unterlegt Naumann beide Werke mit Hinweisen zu ihrer Entstehung und Bedeutung. Durch die beiden Werke soll der Herrschaftsanspruch und die Legitimation des Herrscherhauses durch die göttliche Abstammung und den göttlichen Auftrag begründet und die ununterbrochene Folge der „Einen Dynastie durch alle Generationen“ bestätigt werden. | ||
− | Neben eigenen Forschungen führt sie die vorangegangene Mythenforschung an und unterscheidet dabei vormorderne und moderne Forschung. Der bekannteste Vertreter der vormordernen Forschung war der Gelehrte Motoori Noringa (1730-1801). Er beschäftigte sich eingehend mit dem ''Kojiki'', das für ihn den Idealzustand im „Zeitalter der Götter“ reflektierte. Die geschilderten Mythen entsprachen seiner Auffasung nach der göttlichen Wahrheit und gaben Aufschluss über die Taten der Götter. Falls diese jedoch nicht für den Menschen nachvollziehbar seien, liege das nur an der Begrenztheit des menschlichen Verstandes. Motoori war ein Vertreter der '' | + | Auch anderen Adelsfamilien war daran gelegen ihre eigenen Rechtsansprüche und Privilegien in einer Schrift überliefert zu sehen. Zu diesem Zweck wurde das ''[[Kogo shūi|Kogo-shūi]]'' (Gesammelte Reste alter Geschichten) von [[Inbe]] no Hironari verfasst. Es ist eine Kurzfassung der Mythen mit eigenen Zusätzen und bezweckt einzig und allein die Wiederherstellung von Familienprivilegien. |
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+ | Neben eigenen Forschungen führt sie die vorangegangene Mythenforschung an und unterscheidet dabei vormorderne und moderne Forschung. Der bekannteste Vertreter der vormordernen Forschung war der Gelehrte Motoori Noringa (1730-1801). Er beschäftigte sich eingehend mit dem ''Kojiki'', das für ihn den Idealzustand im „Zeitalter der Götter“ reflektierte. Die geschilderten Mythen entsprachen seiner Auffasung nach der göttlichen Wahrheit und gaben Aufschluss über die Taten der Götter. Falls diese jedoch nicht für den Menschen nachvollziehbar seien, liege das nur an der Begrenztheit des menschlichen Verstandes. Motoori war ein Vertreter der ''kokugaku'' 国学 „Nationalen Schule“, die Naumann ebenfalls erwähnt. Diese Schule hat sich zur Aufgabe gemacht, den politisch geschwächten Kaiser zu stärken und spielte eine wichtige Rolle bei der Restauration des Kaisertums 1868 als auch bei der Entstehung von ultranationalistischen Ideen zwischen den beiden Weltkriegen. | ||
Konträr zu Motoori steht Tsuda Sōkichi (1873–1961) als Repräsentant der modernen Forschung. Nachdem er in seinen Arbeiten das ''Nihongi'' und das ''Kojiki'' als fiktive Erzählungen und nicht als Tatsachenberichte interpretierte, musste er für drei Monate in Haft. Der Grund liegt darin, dass objektive Mythenforschung in Japan vor allem in der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg so gut wie unmöglich war; ''Kojiki'' und ''Nihongi'' wurden offiziell als historische Wahrheit interpretiert. Zweifel an dieser Interpretation konnten wie im Fall Tsudas staatliche Repressionen nach sich ziehen. | Konträr zu Motoori steht Tsuda Sōkichi (1873–1961) als Repräsentant der modernen Forschung. Nachdem er in seinen Arbeiten das ''Nihongi'' und das ''Kojiki'' als fiktive Erzählungen und nicht als Tatsachenberichte interpretierte, musste er für drei Monate in Haft. Der Grund liegt darin, dass objektive Mythenforschung in Japan vor allem in der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg so gut wie unmöglich war; ''Kojiki'' und ''Nihongi'' wurden offiziell als historische Wahrheit interpretiert. Zweifel an dieser Interpretation konnten wie im Fall Tsudas staatliche Repressionen nach sich ziehen. | ||
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Um, wie von den Himmelsgöttern vorgesehen, einen Dynastie zu begründen, die die Mittellande dauerhaft beherrschen sollte, musste [[Ninigi|Ninigi no mikoto]] sich vermählen und Kinder zeugen. In diesem Zusammenhang wurden Mythen vom Volk der Hayato in den Zyklus eingebunden, um sie in die eigene Überlieferung zu integireren. So wird die Frau des [[Ninigi|Ninigi no mikoto]], Konohana Sakuya-bime, als "Prinzessin von Ata" bezeichnet und soll zu den Hayato gehört haben. | Um, wie von den Himmelsgöttern vorgesehen, einen Dynastie zu begründen, die die Mittellande dauerhaft beherrschen sollte, musste [[Ninigi|Ninigi no mikoto]] sich vermählen und Kinder zeugen. In diesem Zusammenhang wurden Mythen vom Volk der Hayato in den Zyklus eingebunden, um sie in die eigene Überlieferung zu integireren. So wird die Frau des [[Ninigi|Ninigi no mikoto]], Konohana Sakuya-bime, als "Prinzessin von Ata" bezeichnet und soll zu den Hayato gehört haben. | ||
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Die Geschichte vom Berggott und seinen Töchtern beschreibt, wie sich [[Ninigi no mikoto]] eine Frau erwählt, wobei er sich für die jüngere und schönere der Schwestern Konohana Sakuya-bime entscheidet. Durch diese Wahl wurde der Überlieferung zufolge die Sterblichkeit des Kaiserhauses besiegelt, durch ein ukehi (hier „Fluch“, im Kojiki ausgesprochen durch den Berggott, im Nihongi durch die verschmähte Schwester), wurden die Lebensspanne der Nachkommen, wie es der Name der Mutter verheißt, kurz wie eine Blume. Hätte [[Ninigi no mikoto]] die ältere Schwester Ihanaga-hime erwählt, so wären die Nachkommen, auch hier entsprechend des Namens, langlebig wie der Fels gewesen. Naumann zieht hier Parallelen zu einem indonesischen Mythos wo die Sterblichkeit der Menschen ebenfalls in der Wahl zwischen zwei Optionen begründet ist, in diesem Fall allerdings der Wahl zwischen einem Stein und einer Banane. | Die Geschichte vom Berggott und seinen Töchtern beschreibt, wie sich [[Ninigi no mikoto]] eine Frau erwählt, wobei er sich für die jüngere und schönere der Schwestern Konohana Sakuya-bime entscheidet. Durch diese Wahl wurde der Überlieferung zufolge die Sterblichkeit des Kaiserhauses besiegelt, durch ein ukehi (hier „Fluch“, im Kojiki ausgesprochen durch den Berggott, im Nihongi durch die verschmähte Schwester), wurden die Lebensspanne der Nachkommen, wie es der Name der Mutter verheißt, kurz wie eine Blume. Hätte [[Ninigi no mikoto]] die ältere Schwester Ihanaga-hime erwählt, so wären die Nachkommen, auch hier entsprechend des Namens, langlebig wie der Fels gewesen. Naumann zieht hier Parallelen zu einem indonesischen Mythos wo die Sterblichkeit der Menschen ebenfalls in der Wahl zwischen zwei Optionen begründet ist, in diesem Fall allerdings der Wahl zwischen einem Stein und einer Banane. | ||
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Eine Variante des Nihongi berichtet davon, dass Konohana Sayaku-bime bzw. hier Kamu-Atakashitsu-hime das ''nihinahe'' ("Kosten des Neuen") vollzieht. Sie ahmt damit das Handeln der Sonnengöttin nach. Dieses Ritual wurde später im Hofzeremoniell institutionalisiert und ist eine der wichtigsten religiösen Handlungen des Tenno, die alljährlich durchgeführt wurde. | Eine Variante des Nihongi berichtet davon, dass Konohana Sayaku-bime bzw. hier Kamu-Atakashitsu-hime das ''nihinahe'' ("Kosten des Neuen") vollzieht. Sie ahmt damit das Handeln der Sonnengöttin nach. Dieses Ritual wurde später im Hofzeremoniell institutionalisiert und ist eine der wichtigsten religiösen Handlungen des Tenno, die alljährlich durchgeführt wurde. | ||
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==== Bergglückprinz und Meerglückprinz (S. 165-176) ==== | ==== Bergglückprinz und Meerglückprinz (S. 165-176) ==== | ||
Dieser Teil des Mythos handelt von zwei Brüdern, Hoderi no Mikoto und Howori no Mikoto (auch Hohodemi), die ihre Talente als Fischer und Jäger, symbolisiert in Form eines Angelhakens und eines Pfeil und Bogens, tauschen. Howori verliert den Angelhaken und sein Bruder verlangt ihn zurück. Jener bekommt den Rat den Meeresgott aufzusuchen. Dort verliebt sich Howori in die Tochter des Meeresgottes und sie heiraten. Nach einiger Zeit erinnert sich Howori an seine Schuld bezüglich seines Bruders. Der Meeresgott gibt Howori Instruktionen, wie er seinen Bruder beherrschen kann, falls dieser mit der Rückgabe allein nicht zufrieden ist. So setzt sich Howori mit göttlicher Hilfe gegen den Bruder durch. Die Nachkommen des unterlegenen Bruders sind der Hayato-Stamm. Einige leben am Kaiserhof und dienen als Wachen und Unterhalter, so Naumann. | Dieser Teil des Mythos handelt von zwei Brüdern, Hoderi no Mikoto und Howori no Mikoto (auch Hohodemi), die ihre Talente als Fischer und Jäger, symbolisiert in Form eines Angelhakens und eines Pfeil und Bogens, tauschen. Howori verliert den Angelhaken und sein Bruder verlangt ihn zurück. Jener bekommt den Rat den Meeresgott aufzusuchen. Dort verliebt sich Howori in die Tochter des Meeresgottes und sie heiraten. Nach einiger Zeit erinnert sich Howori an seine Schuld bezüglich seines Bruders. Der Meeresgott gibt Howori Instruktionen, wie er seinen Bruder beherrschen kann, falls dieser mit der Rückgabe allein nicht zufrieden ist. So setzt sich Howori mit göttlicher Hilfe gegen den Bruder durch. Die Nachkommen des unterlegenen Bruders sind der Hayato-Stamm. Einige leben am Kaiserhof und dienen als Wachen und Unterhalter, so Naumann. | ||
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Aktuelle Version vom 18. Oktober 2021, 15:28 Uhr
Rezensiertes Werk:
Autorin: Nelly Naumann war eine deutsche Japanologin. Sie wurde am 20. Dezember 1922 in Lörrach unter dem bürgerlichen Namen Thusnelda Jost geboren und verstarb am 29. September 2000. Sie galt in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts als größte Autorität auf dem Gebiet der japanischen Volkskunde und Mythenfoschung im deutschen Sprachraum.
Werk: Nelly Naumanns Buch Die Mythen des alten Japan folgt einer Einteilung in vier Abschnitte. Der Erste stellt eine allgemeine Einführung in die Mythenforschung dar und beschäftigt sich mit dem Versuch einer Definition von Mythos und Mythologie. Abschnitt zwei trägt den Titel „Theogonie, Kosmogonie, Kosmologie“ und beschäftigt sich mit Mythen zur Weltentstehung. „Die mythische Weltordnung“ und „Der politische Mythos“ bilden die beiden Schlussteile.
Einführung
Naumann beginnt die Einführung mit dem Versuch den Mythosbegriff zu erläutern. Dabei zitiert sie u.a. den Mythenforscher Mircea Eliade sowie den Philosophen Franz Vonessen. Eliade wird in ihren Ausführungen damit angeführt, dass die Ereignisse, von denen „echte Mythen“ berichten, mit einer mythischen Ur-Zeit gleichgesetzt werden (in illo tempore). Diese Zeit bestimmt gemäß dem mythischen Denken alle Ereignisse und Handlungen von Wesen in dieser Welt, den Menschen eingeschlossen. Franz Vonessen vertritt die Meinung, der Mythos sei „die Übersetzung der Sprache des Seins“ und man müsse, um einen Mythos zu begreifen „die Sache selbst zum Sprechen kommen lassen“. Letztere Herangehensweise an den Mythosbegriff wird von Naumann übernommen und liegt ihrem Buch zugrunde.
Die japanischen Mythen (S. 3-15)
Des Weiteren verwendet sie als Quellen der vorgestellen japanischen Mythen das Nihongi/ Nihon Shoki (Annalen Japans) sowie das Kojiki (Aufzeichnung alter Geschehnisse). Beide Werke stellen eine Überlieferung von Mythen, Volks- und Familienüberlieferungen und Kaiserlisten dar. Im Laufe der Einführung unterlegt Naumann beide Werke mit Hinweisen zu ihrer Entstehung und Bedeutung. Durch die beiden Werke soll der Herrschaftsanspruch und die Legitimation des Herrscherhauses durch die göttliche Abstammung und den göttlichen Auftrag begründet und die ununterbrochene Folge der „Einen Dynastie durch alle Generationen“ bestätigt werden.
Auch anderen Adelsfamilien war daran gelegen ihre eigenen Rechtsansprüche und Privilegien in einer Schrift überliefert zu sehen. Zu diesem Zweck wurde das Kogo-shūi (Gesammelte Reste alter Geschichten) von Inbe no Hironari verfasst. Es ist eine Kurzfassung der Mythen mit eigenen Zusätzen und bezweckt einzig und allein die Wiederherstellung von Familienprivilegien.
Die japanischen Mythen als Gegenstand der Forschung (S. 15-22)
Neben eigenen Forschungen führt sie die vorangegangene Mythenforschung an und unterscheidet dabei vormorderne und moderne Forschung. Der bekannteste Vertreter der vormordernen Forschung war der Gelehrte Motoori Noringa (1730-1801). Er beschäftigte sich eingehend mit dem Kojiki, das für ihn den Idealzustand im „Zeitalter der Götter“ reflektierte. Die geschilderten Mythen entsprachen seiner Auffasung nach der göttlichen Wahrheit und gaben Aufschluss über die Taten der Götter. Falls diese jedoch nicht für den Menschen nachvollziehbar seien, liege das nur an der Begrenztheit des menschlichen Verstandes. Motoori war ein Vertreter der kokugaku 国学 „Nationalen Schule“, die Naumann ebenfalls erwähnt. Diese Schule hat sich zur Aufgabe gemacht, den politisch geschwächten Kaiser zu stärken und spielte eine wichtige Rolle bei der Restauration des Kaisertums 1868 als auch bei der Entstehung von ultranationalistischen Ideen zwischen den beiden Weltkriegen.
Konträr zu Motoori steht Tsuda Sōkichi (1873–1961) als Repräsentant der modernen Forschung. Nachdem er in seinen Arbeiten das Nihongi und das Kojiki als fiktive Erzählungen und nicht als Tatsachenberichte interpretierte, musste er für drei Monate in Haft. Der Grund liegt darin, dass objektive Mythenforschung in Japan vor allem in der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg so gut wie unmöglich war; Kojiki und Nihongi wurden offiziell als historische Wahrheit interpretiert. Zweifel an dieser Interpretation konnten wie im Fall Tsudas staatliche Repressionen nach sich ziehen.
Weiterhin erwähnt Naumann bekannte und wichtige Werke der westlichen Mythenforschung. Zum einen sind die englischen Übersetzungen des Kojiki und des Nihongi zu erwähnen, die von Basil Hall Chamberlain einerseits und von William George Aston andererseits angefertigt wurden. Astons Übersetzung dient Naumann u.a. als Vergleich zu ihrer japanischen Hauptquelle, der Edition des Nihon shoki in der Reihe Nihon koten bungaku taikei („Abriss der klassischen japanischen Literatur“).
Theogonie, Kosmogonie, Kosmologie
Der Anfang (S. 23-29)
Nihongi und Kojiki beginnen den Schöpfungsbericht unterschiedlich. Im Nihongi finden sich gleich zu Beginn Hinweise auf chinesische Prinzipien wie etwa Ying und Yang. Auch durch das Bild des Hühnereis wird auf daoistische Schriften verwiesen. Das Kojiki setzt drei Schöpfergottheiten allen anderen voran. Die ersten Sätze dort schildern zudem laut Naumann keine mythische Handlung, sondern äußern lediglich Feststellungen, wie etwa die Nennung der Götternamen, von denen aber nicht berichtet wird, wie sie entstanden. Hierhin sieht sie einen Hinweis darauf, dass die drei nicht im ursprünglichen Mythos vorkamen, sondern aus religiösen oder politischen Gründen später eingefügt worden.
Die Ureltern (S. 30-40)
Sowohl im Kojiki als auch im Nihongi werden Izanagi und Izanami als letztes Paar einer — laut Naumann — spekulativ erdachten Götterreihe gezeichnet. Laut Nihongi experimentieren sie aus eigenem Entschluss mit der Möglichkeit, dass sich irgendwo Land befindet, wohingegen im Kojiki die Himmelsgötter den beiden befehlen, Land zu festigen. Laut Nihongi machen sie die erste Insel zum Pfeiler der Landmitte, den sie in entgegengesetzter Richtung umschreiten. Dies ist nach Nelly Naumann zugleich ein wichtiger Aspekt des Mythos, der die Eheschließung des Urpaares im Zentrum der Welt symbolisiert.
Unklar ist, was das Umschreiten des Pfeilers im Nihongi bedeutet. Für ein besseres Verständnis sollten deshalb auch außerjapanische Mythen in den Blick genommen. Ein weltweit verbreitetes Motiv ist das entgegengesetzte Weltumschreiten, das dem ehelichen Vollzug vorausgeht. In einem südjapanischen Mythos etwa wird das erste Paar, zwei Geschwister, am Weltenbeginn als einzige Überlebende einer Flut zum Inzest gezwungen, um Leben zu erzeugen. Vorher erfolgt eine Wanderung um die Welt in entgegengesetzter Richtung, um Gewissheit zu haben, dass sonst niemand mehr lebt. Die einzige Erinnerung an ein Mythenmotiv mit ähnlich großer Verbreitung wie auch das Inzestmotiv zeigt laut Naumann der Satz „zu einer Zeit als Himmel und Erde noch nicht weit voneinander entfernt waren“ im Nihongi.
Die Geburt des Feuergottes und der Tod der Urmutter Izanami (S. 41-45)
Die Urmutter stirbt, nachdem sie sich bei der Geburt die Scham verbrannt hat, die Schöpfung findet so ein natürliches Ende. Sie, die alles Lebendige geboren hat, muss sterben. Die generative Kraft der Urmutter ist somit zerstört. Izanamis Tod an sich besteht in einer Transformation, denn aus ihren Exkrementen, Blut und Erbrochenen entstehen neue Götter. Das Feuer ist hier kein häusliches, von Menschen beherrschtes Feuer, sondern wird als zerstörerische Urkraft präsentiert, die noch gebändigt werden muss. Die Tötung des Feuergottes durch seinen eigenen Vater sei ebenfalls nicht als Tod im eigentlichen Sinne zu verstehen, sondern wieder als Transformation, da aus seinem Blut neue Götter hervorgehen.
Der Totenweltbesuch des Urvaters (S. 46-56)
Der Tod der Urmutter steht als neue Erfahrung in der Erzählung und wirft die Frage auf, was Sterben eigentlich ist. Izanami ist davongegangen in das Land der Finsternis, Sterben bedeutet demnach davongehen. Im Mythos ist dies keine Metapher, sondern Realität. „Der Kochherd des Landes der Finsternis“, von dem sie laut eigener Aussagen gegessen hat und der sie nun an einer Rückkehr zu den Lebenden hindert, erinnert an den griechischen Demeter-Hymnus, wo Demeters Tochter Persephone die Granatapfelkerne isst und deshalb einen Großteil des Jahres in der Unterwelt verbringen muss.
Izanagi will seine Frau aus der Unterwelt holen, ähnlich wie Orpheus, der Eurydike aus dem Hades zurückführen will. Gemeinsam ist beiden auch, dass sie ein Tabu brechen, als sie nach der Toten sehen. Allerdings wird das Tabu im japanischen Fall von der Frau selbst ausgesprochen.
Die Konfrontation des Urpaares am Schluss des japanischen Mythos repräsentiert das Ende ihrer Gemeinschaft und ist von enormer Bedeutung für die ganze Menschheit. Durch die von Izanagi ausgesprochene Scheidungsformel bleiben Diesseits und Jenseits für immer getrennt. Die drastische Leichenbeschreibung verdeutlicht die Unreinheit der Totenwelt, Izangi flieht aus Angst davor, außerdem hat er Izanami durch Anzünden des Lichts Schande zugefügt, weil er so ihr grauenvolles Äußeres sichtbar machte.
Viele Märchen auf der ganzen Welt berichten, wie der Held der Geschichte Dämonen entkommt, indem er auf der Flucht drei Gegenstände hinter sich wirft, die sich sodann in Hindernisse verwandeln (Magische Flucht). Izanagis Flucht ist der älteste Beleg für dieses Motiv.
Die Rückkehr ins Diesseits wird durch eine Reinigung (jap. misogi) markiert, die Schmutz, Befleckung und Ansteckung des Todes abwaschen soll. Die innere Notwendigkeit hinter der Reinigung kommt Naumann zufolge zum Ausdruck bei der den Abschluss der Reinigung markierenden Entstehung der drei erlauchten Kinder: Izanagi wäscht so die Dunkelheit des Jenseits von seinen Augen und mit Sonne und Mond bricht neues Leben hervor.
Die mythische Weltordnung
Zwei mythische Modelle (S. 57)
Laut Namann gibt es in diesem Abschnitt mehrere auf einander bezogene Handlungsstränge, die spiegelbildlich angeordnet sind.
- a — Susa no Wo erhält das Wurzelland als Herrschaftsgebiet
- b — Susa no Wo steigt zum Himmel auf; Erzeugen von Kindern
- c — Untaten des Susa no Wo
- d — Verbergen der Sonnengöttin
- d — Wiedererscheinen der Sonnengöttin
- c — Susa no Wo wird ein harahe (Strafe/Exorzismus) auferlegt
- b — Susa no Wo steigt vom Himmel herab, Sieg über die Schlange; Erzeugen von Kindern
- a — Susa no Wo begibt sich ins Wurzelland
Die Herrschaftsgebiete der Drei Erlauchten Kinder
- Kojiki: Izanagi hat viele Kinder gezeugt, jedoch nur 3 Erlauchte Kinder; Er teilt diesen Kindern "Hohe Himmelsgefilde", "NAcht", "Meer" zu; Susa no Wo herrscht nicht über zugewiesenes Reich, sondern weint heftig; Daraufhin trocknen Flüsse und Meere trocknen aus und Susa no Wo wird vertrieben
- im Nihongi gibt es 4 verschiedene Varianten, jedoch ähneln sich alle, dass Susa no Wo grausam und wild ist und dass er heftig weinte, sodass die Meere austrockneten
Die Bestallung der Drei Erlauchten Kinder
- viele Unklarheiten: weist auf Vorliegen von Bruch in der mythischen Erzählung --> zwei in ihrem Wesen nach verschiedene Überlieferungen stoßen aufeinander
Der Tod der Nahrungsgötting und die Trennung von Sonne und Mond
- eine im Nihongi geschickt eingebaute Erzählung, wodurch sich Sonne und Mond trennen und die Nahrungsgöttin stirbt, wodurch sich alle für den Menschen als Nahrung dienenden Pflanzen bilden
- im Kojiki wird dieselbe Geschichte nur verkürzt und an einer anderen Stelle des mythischen Geschehens eingebaut ohne Bezug auf Sonne und Mond
- Mythos vom Tod der Nahrungsgöttin ergibt kein schlüssiges Bild, wesentliche Aussage: Nahrung, die der Mensch zu sich nimmt ist Teil der Gottheit
Das Weinen des Susa no Wo
- als Folge des Weinens wird das Wasser in der gesamten Natur entzogen
- ursprünglich als Gott des Lebens bestimmt, wird Susa no Wo durch das Weinen zum Gott des Todes --> Totenreich "Wurzelland"
Susa no Wo steigt zum Himmel auf
- Susa no Wo will sich noch von Amaterasu verabschieden und steigt zum Himmel auf
- Kinder werden gezeugt durch die jeweilige Waffe des Anderen (Susa no Wo zerkaut Juwuelenschnur von Amaterasu und Amaterasu zerkaut das Schwert von Susa no Wo, durch das Herausblasen entstehen Kinder)
Die feierliche Beschwörung
- Susa no Wos Unschuld soll durch ein ukehi (Schwur, Beschwörung) bewiesen werden
Die Kinder und ihre Verteilung
- 3 Mädchen sind Gottheiten von Munakata --> von dort führt eine Linie an den Hof Kaiser Temmus, 2 der männlichen Kinder werden als Ahnen zahlreicher Familien
- ganze Episode verfolgt den Zweck, dass das erste der männlichen Nachkommen parallel zum Abstieg Susa no Wos vom Himmel eingeführt wird (genaue Begründung fehlt)
- Kaiserlicher Stammbaum wird vorbereitet --> Susa no Wo nimmt in der Abstammung der kaiserlichen Linie durchaus denselben Rang ein, wie die Sonnengöttin
Izanagi tritt ab
Der Tod des Lichtes
- Susa no Wo tat Übles, jedoch beschönigte die Sonnengöttin es bisher immer; daraufhin macht er noch Schlimmeres, sodass die himmlische Weberin stirbt und die Sonnengöttin sich vor Zorn in das himmlische Felsenhaus einschließt und alles dunkel wird
Die üblen Bubenstreiche des Susanoo
- Susanoo benimmt sich schlecht und fügt dem Reisanbau Schaden zu
- böswilliges menschliches Handeln wurde in den mythischen Bereich übertragen --> Götter erscheinen vermenschlicht
Das umgekehrte Schinden
- Pferd wird gehäutet --> göttliche Weberin stirbt dabei
- Vorstellung, dass die Umkehrung einer Segenshandlung auch die Umkehrung ihrer Wirkung nach sich zeiht, d.h. der Gegensatz tritt ein (Leben und Tod)
- Naumanns Interpretation: neue Haut als Symbol wie auch Mittel für Erneuerung des Lebens, Bsp. Schlange, Gedanke der Wiederbelebung durch die neue Haut lässt sich in Japan in sehr viel frühere Zeit zurückverfolgen
--> Varianten des Nihongi, wo nur vom Häuten oder von Häuten bei lebendigem Leib die Rede ist, zeigen, dass dieser Zusammenhang nicht mehr verstanden wurde
Das himmlisch gescheckte Pferd
- allen Versionen gemeinsam, dass das Pferd gescheckt ist
- Wechsel von hell und dunkel in Verbindung mit Phasen des Mondes --> Mondtier
- Mondtier findet durch umgekehrtes Schinden seinen Tod --> neue Haut wird zu einem Instrument des Todes
Die Heilige Webehalle
- Bruchlinie zwischen den beiden Überlieferungen sichtbar
--> aufgrund verschiedener Orte mit unterschiedlichem mythischen Ursprung
Die Weberin des Lichts
- Susa no Wo besetzt den höchsten Platz des Universums, da er an der höchsten Stelle des Welthauses ein Loch in den First bricht
- Unterschied zwischen Kojiki und Nihongi --> Weberin und/oder nur Sonnengöttin
- in allen Varianten verschwindet die Sonnengötting --> auch hier, hat Susa no Wo den Tod gebracht (Sonne verschwindet)
Amaterasu verbirgt sich
- Welt wird dunkel; parallel laufende Handlung eines anderen Überlieferungsstranges zeigt sich hier deutlich, der vom Verschwinden des Lichts berichtet, jedoch nicht von seinem Tod
- Naumanns Interpretation: "sich im Fels verbergen" ist ein Euphemismus für sterben, jedoch ist in diesem Fall die Sonnengöttin nicht tot, nur verborgen und es müssen Wege und Mittel gefunden werden, um sie wieder hervorzulocken
Das Herauslocken der Sonnengöttin
- im Kojiki versammeln sich 800 Myriaden Götter und nur ein Gott denkt nach; Götter versuchen mehrere Möglichkeiten, um die Sonnengöttin wieder hervorzulocken (Bsp: fertigten Spiegel, Krummjuwelen, usw. an und rissen den 500-zweigigen Baum des Himmlischen Kagu-Berges aus und behängten die Äste); eine Göttin vollzog ein Gott-Besessensein und zeigt ihre Brüste und ihre Scham (erotischer Tanz), wodurch alle Götter anfangen zu lachen und die Neugierde der Sonnengöttin geweckt wird und sie herauskommt
- im Nihongi versammeln sich nur 80 Myriaden Götter und alle zusammen halten Rat; die Sonnengöttin kommt schließlich durch göttliches Beten heraus
Das Lachen der Götter
- Beispiel des griechischen Demeter-Baubo-Mythos
- enge Verbindung der Sonnengöttin mit dem Reisanbau manifestiert sich durch diese ganze mythische Abfolge hindurch
- Schwinden der Sonnenkraft im Winter und das Wiedererstarken für den Sommer --> Modell fpr einen Ritus
- Mythos begründet das jährlich wiederkehrende Naturgeschehen (Winter/Sommer)
Das Gott-Besessensein
- Laut Naumann liegt die Vermutung nahe, dass das Gott-Besessensein,da es in der Szene völlig funktionslos bleibt, nur dazu diene, einer realen Praxis einen mythischen Hintergrund zu verschaffen
Kultgegenstände, Kultprivilegien und ihr 'mythischer Präzedenzfall'
- Einführung der Gegenstände und Praktiken des offiziellen Kultes --> Begründung fehlt
- Gottheiten, die als Spiegelmacher oder Juwelenschleifer auftreten, werden als die Urahnen des Gewerbes veehrt
Der Himmels- oder Weltbaum
- der mit Spiegel, Krummjuwelen und den "weichen Opfergaben" behängter Baum ist ein Herrschaftssymbol --> Herrschaftssymbole sind in der Regel Weltsymbole
- Spiegel, Schwert und Krummjuwelen bilden bis heute die japanische Throninsignien
- der geschmückte Baum soll den Himmels- oder Weltbaum darstellen
Die Himmelsgeographie
- Weltbaum repräsentiert die Weltachse; er wächst auf dem "Nabel der Erde"
Das harahe in seiner doppelten Bedeutung (S. 87-103)
Kojiki und Nihongi:
Nach den verschiedenen Untaten des Susanoo halten 800 Götter Rat und beschließen, dass dieser Buße tun soll indem er 1000 Tische mit Bußgaben bedecken. Desweiteren werden ihm Haare Finger- und Fußnägel abgeschnitten, danach findet eine Reinigung statt und er wird schließlich verjagt. Im Nihongi wird zusätzlich darauf hingewiesen, dass er ins Wurzelland gehen soll.
Bei dem beschriebenen Vorgang – harahe (mod.jap. harae) - handelt es sich um eine Wiedergutmachung der angerichteten Schäden. Diese Praxis der Schuldbereinigung war im Yamato-Staat gängig, wodurch Naumann davon ausgeht, dass diese Rechtspraxis im Mythos übernommen wurde. Die 1000 Tische mit Bußgaben sind schlicht und einfach als materielle Wiedergutmachungen der angerichteten Schäden zu verstehen. Die Bedeutung des Ausreißens von Haaren und Nägeln ist jedoch umstritten. Zum Einen könne es sich dabei um eine körperliche Strafe handeln und somit eine Entmachtung, beziehungsweise Schwächung des Gottes (Haar gilt als Sitz des Lebens). Zum Anderen könnte es sich jedoch um das Austreiben negativer dämonischer Kräfte handeln. Naumann geht von letzterer Interpretation aus. Sie argumentiert, dass Susanoo eigentlich ein Gott des Lebens sei, durch sein Handeln aber zu einem Gott des Todes geworden wäre. Es ist daher eine Art Exorzismus nötig, um die negativen Kräfte zu vertreiben und seine ursprüngliche Kraft zu reaktivieren.
Naumann geht im Folgenden auf den weinenden Susanoo ein. Haben seine Tränen (auch Speichel und Nasenfluss) zuvor Leben genommen, geben sie es nun wieder. Sie bezeichnet Tränen, Speichel und Nasenfluss als weiche Opfergaben, die durch den Exorzismus, welchem sich der Gott unterziehen musste, zum Wasser des Lebens wurden. Susanoo habe somit den ewigen Kreislauf von Leben und Tod in Gang gehalten. Diese Theorie bestärkt sie durch den Fund von Masken und Tonfiguren, die im Bereich der Gesichtsöffnungen Striche aufweisen, was sie als die oben genannten Ausflüsse interpretiert. Vorläufer solcher Darstellungen habe es bereits in China (4. Jt. v. Chr.) und Mesopotamien (8. Jt. v. Chr.) gegeben. Da es sich bei diesen um die Darstellungen von Mondgottheiten handle, argumentiert Naumann, auch Susanoo könnte eine solche Mondgottheit sein, die das Wasser des Lebens besitzt und Lebensspender ist: Er ist ein Gott, der Leben nimmt und gibt.
Kaiser Tenmu gab dem harahe einen neuen Sinn. Erstmals 676 n. Chr. wurden aus allen Provinzen Opfergaben gebracht. Dies entwickelte sich zu einer Kulthandlung, die im 8. Jh. institutionalisiert wurde. Bei dem Ritual wird auf die Untaten des Susanoo hingewiesen, aber auch irdische Untaten werden aufgezählt. Sie alle werden als tsumi (Schuld) bezeichnet, welche schließlich durch eine bestimmte Zeremonie ‚weggewischt‘ (harae) werden.
Wie bereits im Nihongi angesprochen, wurde Susanoo ins Wurzelland verjagt. Naumann schreibt ihm eine Art Sündenbockfunktion zu, da er alle auf sich geladenen tsumi mit in das Wurzelland genommen habe und sie dadurch verschwanden. Sie geht des Weiteren davon aus, dass es sich beim Wurzelland nicht um ein ‚totes‘ Jenseits handelt, denn die vorhandenen Wurzeln würden auf Leben hinweisen. Somit spiegelt das Wurzelland mit dem ihm zugeschriebenen Kreislauf von Leben und Tod den Charakter des Gottes Susanoo wider.
Abschließend hält Naumann fest, dass Mythen dem Wandel der Geschichte unterliegen und beeinflusst werden.
Die bedrohte Welt und ihre Rettung (S. 103-111)
Kojiki und Nihongi:
Susanoo stieg im Land Izumo herab und traf dort ein Paar, welches seine Tochter dem achtgabeligen Schlangenungeheuer opfern sollte. Susanoo nimmt das Mädchen zum Schutz in seine Obhut. Das Paar soll durch achtfach gebrauten Wein das Monster betäuben. Daraufhin erschlägt Susanoo es. Aus dem Körper trat ein Schwert hervor - Kusanagi. Er brachte es in den Himmel. Anschließend, ehelichte er das Mädchen und zeugte Nachkommen mit ihm. Der wichtigste ist Okuninushi. Laut Nihongi ging er anschließend ins Wurzelland.
Bei Izumo handelt es sich um einen mythischen Ort. Hier wird die Einteilung in himmlische und irdische Götter wichtig, da die in Izumo lebenden Menschen als (irdische) Götter bezeichnet werden. Eine strikte Einteilung ist jedoch nicht vorhanden.
Im Bezug auf den Mythos ist die Zahl Acht von großer Bedeutung, da sie als allumfassend gilt. Somit habe das achtköpfige Schlangenmonster eine allumfassende Kraft. Durch eine List tötet Susanoo es und erhält das kusanagi-Schwert, welches die Kraft des Ungeheuers in sich birgt und somit als Inkarnation der alles zerstörenden Kraft angesehen werden kann. Darüber, wo Susanoo das Schwert hinbringt, besteht jedoch Uneinigkeit in den Quellen. Der laut Naumann politisch motivierte Mythos geht davon aus, dass er es zu der Sonnengöttin Amaterasu gebracht habe, da sich so die kaiserliche Linie legitimieren lässt. Denn das Schwert dient dem Kaiser neben Spiegel und Krummschwert als Throninsignie. Laut dem eigentlichen Mythos habe Susanoo es jedoch mit sich genommen.
Herrschaft über das Mittelland der Schilfgefilde (S. 111-129)
Kojiki:
Ōkuninushi hat 80 Brüder. Sie alle wollen die Yame-hime von Inaba heiraten. Unterwegs treffen sie einen gehäuteten Hasen, der sein Fell durch eine Wette mit einem Krokodil verlor. Die Brüder geben ihm einen hinterhältigen Rat, woraufhin sich seine Schmerzen verschlimmern. Ōkuninushi hilft ihm jedoch. Er hat somit die Prüfung des Hasen bestanden und heiratet die Yame-hime. Seine Brüder sind eifersüchtig und versuchen ihn umzubringen, dies gelingt ihnen aber nicht. Ōkuninushis Mutter hilft ihm und schickt ihn ins Wurzelland zu Susanoo. Dort verliebt er sich in dessen Tochter Suseri-hime. Auch Susanoo unterzieht Ōkuninushi Prüfungen, welche er ebenfalls besteht. Zu guter letzt trickst er Susanoo aus, stiehlt seine Waffen und flieht mit Suseri-hime. Susanoo verfolgt die beiden, aber nur um seinen Sohn zum "Großen Landesherren" (Ōkuninushi), den Herrscher des Landes zu erklären.
In diesem Part des 2. Kapitels geht Naumann mehr auf die Nachfolge Susanoos, durch seinen Sohn Ōkuninushi ein. Sie vermutet hinter der Prüfung durch den Hasen und durch Susanoo Initiationsriten. Dazu setzt sie den Hasen in Beziehung zu dem, in einem vorherigen Mythos erwähnten, falsch herum gehäuteten Pferd, welches ein Mondtier ist. Der Hase ist für sie auch ein Mondtier, welches das Leben verkörpert. Das Krokodil jedoch verkörpert das Jenseits und verschlingt quasi durch das Häuten des Hasen den Mond und das Leben. Weil Ōkuninushi nun aber dem Hasen hilft, bringt er den Kreislauf von Leben und Tod erneut in Gang, wie es sein Vater zuvor tat. Da Ōkuninushi die Prüfungen (allerdings jeweils mit Hilfe) bestanden hat, wird er durch das Kusanagi-Schwert, welches ihm sein Vater übergibt, zum Herrscher von Izumo. Zusammen mit dem Gott Sukunabikona vollendet er die Schaffung des Landes und macht es bewohnbar. (Auf diesen Mythos wird an dieser Stelle nicht weiter eingegangen).
Naumann sieht in diesem Mythos südchinesische Einflüsse, da es in Japan an sich keine Krokodile gibt, wohl aber in Südchina. Also kann auch an diesem Mythos erkannt werden, wie überregionale Einflüsse in die japanische Mythologie eingeflossen sind.
Politischer Mythos
Die Unterwerfung Japans (S.130-141)
Die Versammlung der Götter trifft sich im Flussbett des Yasu-Flusses um einen Plan zur Befriedung der Mittellande zu entwickeln. Omohikane no kami fungierte dabei wieder als Vordenker beim Erdenken einer Strategie (→ vgl. Verschwinden Licht / Hervorlocken Amaterasu). Dem Nihongi zufolge wollte Takamimusubi no kami von Beginn an seinen Enkel Ninigi no mikoto als Herrscher der Mittellande einsetzen. Zuvor soll jedoch das Land befriedet werden, zu diesem Zweck werden mehrere Gesandtschaften in die Mittellande geschickt, die jedoch zunächst scheitern. Den Gesandtschaften werden besondere Waffen mitgegeben, diese kommen nur im Zusammenhang mit dem Abstieg des erlauchten Enkels vor (z.B. makako-Bogen und haha-Pfeile). Die Namensbedeutung ist allerdings laut Naumann unklar. Der derzeitige Herrscher der Mittellande ist Ohokuni-nushi no kami ( s.o.), ihm geliegt es immer wieder die Gesandten von ihrer eigentlichen Aufgabe abzulenken.
Der Tod von Ame no Waka-hiko (Mitglied einer Gesandtschaft) wird außerdem im Kojiki zum Anlass genommen die damals üblichen Trauerriten zu beschreiben.
Der letzte Gesandtschaft, bestehend aus Takemikazuchi no kami und Ame no Toribune no kami (Kojiki) bzw. Futsu-nushi no kami, gelingt es schließlich Ohokuni-nushi und seine Söhne davon zu überzeugen die Herrschaft an den Himmelsenkel abzutreten. Dazu führen sie Wettkämpfe mit den Söhnen durch bzw. handeln mit Ohokuni-nushi die Bedingungen seines Rücktritts aus (Errichtung eines Palastes, Opferfeste). Letztendlich verbleiben sie so, dass Ohokuni-nushi die Verantwortung für die für „göttlichen, verborgenen Angelegenheiten“ behält, während der Himmelsenkel die „öffentlichen Angelegenheiten“ führen soll. Im folgenden verbirgt sich Ohokuni-nushi "in der achtzigsten - nicht ganz hundertsten - Wegkrümmung", was eine sonst für Japan unübliche Jenseitsvorstellung in Form eines Labyrinths darstellt. Im Nihongi übergibt Ohokuni-nushi vor seinem Verbergen einen „breiten Speer“, Naumann interpretiert dies als verklausulierte Beschreibung des "kusanagi"-Schwerts. Danach gilt das Mittelland als befriedet und die Boten kehren in den Himmel zurück um das Ende der Mission mitzuteilen.
Der Abstieg des Himmelsenkels (S. 141-155)
In der Überlieferung des Herabstiegs des Himmelenkels besteht eine gewisse Diskrepanz zwischen Kojiki und Nihongi. Dem Kojiki zufolge soll zunächst der Sohn von Amaterasu (Masakatsu-akatsu-kachihayahi Ame no Oshihomimi) als Herrscher in die Mittellande gesendet werden. In dieser Überlieferung wird außerdem der Herrschaftsauftrag gemeinsam von Amaterasu und Takamimusubi no kami erteilt. Im Nihongi sieht Takamimusubi no kami von vorherein seinen Enkel als Herrscher vor.
Gemeinsam haben beide Berichte, dass dem Himmelsenkel gewissen Zeichen der Legitimation mitgegebn werden. Besondere Aufmerksamkeit lässt Naumann dabei dem "yata"-Spiegel zukommen. Im Kojiki wird bereits eine Verbindung zum Ise-Schrein hergestellt, in dem der Spiegel heute noch verehrt wird. Diese Verehrung erhält unter dem Tenmu-tennō eine neue Blüte, der Innere Ise-Schrein besteht allerdings bereits seit dem 4. Jahrhundert. Als Amaterasu den Spiegel übergibt bezeichnet sie ihn im Kojiki als ihr tama (vergleichbar mit einem essenziellen Wesensteil oder einer Seele). Im Nihongi sagt sie: "Betrachte ihn als ob du mich betrachtest". In einer Version des Nihongi wird außerdem davon berichtet, dass Amatersau zusätzlich zu den drei Throninsignien auch noch Reisähren aus ihrem himmlischen Garten mitgibt, was ihren Status als Reisgottheit unterstreicht.
Im Unterschied zum gemeinsamen Herrschaftsauftrag des Kojiki, wird in einer Version des Nihongi dieser Auftrag allein durch Amaterasu erteilt. Dieser Erlass wird oft als Ausgangspunkt für die Legitimation der Dynastie herangezogen. Naumann datiert in diesem Zusammenhang den letzten Dynastiewechsel auf kurz vor 520. Im Unterschied zur vergleichsweise späten Dynastiegründung werden die Throninsignien auf vorgeschichtliche Zeit zurückgeführt und lassen sich bereits im 4. Jahrhundert großflächig in Hügelgräbern finden. Unter den Throninsignien ist der Spiegel insofern besonders, als das er sowohl als Kultobjekt, als auch als Herrschaftssymbol fungierte. Naumann sieht in dem Spiegel eine Art asiatischen Reichsapfel und ein Symbol für den Kosmos. Der Spiegel und das Schwert wurden erstmals 690 bei einer Inthronisationszeremonie verwendet, das Krummjuwel kam erst später hinzu. Im Nihongi wird dem Himmelsenkel außerdem eine Investitur durch Takamimusubi no kami zuteil, der ihn in die "Decke des Wahren Sitzes" (Decke seines Thrones) einhüllt. Hier sieht Naumann Parallelen zu den chinesischen Herrschergewändern die ab dem 8. Jahrhundert in Japan nachgeahmt wurden und ebenfalls ein Sinnbild für den Kosmos darstellen.
Dem Himmelsenkel werden bei seinem Abstieg fünf Gottheiten als Begleiter*innen an die Seite gestellt, die bereits bei dem Herauslocken der Sonnengöttin beteiligt waren. Sie sind jeweils Vorfahr*innen bestimmter Berufsgruppen bzw. Familien mit gewissen Privilegien und spiegeln dadurch die politischen Verhältnisse der Entstehungszeit des Textes wieder.
Der Absteig des Himmelenkels selbst wird sehr formelhaft geschildert und Naumann geht davon aus, dass die wirkliche Bedeutung bereits in Vergessenheit geraten war. Auf dem Gipfel in Kyushuu wird Ninigi von zwei bewaffneten Kriegern erwartet, die Aufgrund des Zählwortes eindeutig als Menschen zu indentifizieren sind, auch hier werden wieder realpolitische Einflüsse aufgegriffen.
Der Große Berggott und seine Töchter (S. 156-164)
Um, wie von den Himmelsgöttern vorgesehen, einen Dynastie zu begründen, die die Mittellande dauerhaft beherrschen sollte, musste Ninigi no mikoto sich vermählen und Kinder zeugen. In diesem Zusammenhang wurden Mythen vom Volk der Hayato in den Zyklus eingebunden, um sie in die eigene Überlieferung zu integireren. So wird die Frau des Ninigi no mikoto, Konohana Sakuya-bime, als "Prinzessin von Ata" bezeichnet und soll zu den Hayato gehört haben.
Die Geschichte vom Berggott und seinen Töchtern beschreibt, wie sich Ninigi no mikoto eine Frau erwählt, wobei er sich für die jüngere und schönere der Schwestern Konohana Sakuya-bime entscheidet. Durch diese Wahl wurde der Überlieferung zufolge die Sterblichkeit des Kaiserhauses besiegelt, durch ein ukehi (hier „Fluch“, im Kojiki ausgesprochen durch den Berggott, im Nihongi durch die verschmähte Schwester), wurden die Lebensspanne der Nachkommen, wie es der Name der Mutter verheißt, kurz wie eine Blume. Hätte Ninigi no mikoto die ältere Schwester Ihanaga-hime erwählt, so wären die Nachkommen, auch hier entsprechend des Namens, langlebig wie der Fels gewesen. Naumann zieht hier Parallelen zu einem indonesischen Mythos wo die Sterblichkeit der Menschen ebenfalls in der Wahl zwischen zwei Optionen begründet ist, in diesem Fall allerdings der Wahl zwischen einem Stein und einer Banane.
Die Herkunft des Berggottes wird auf einen koreanischen Ursprung zurückgeführt. Er war bereits vor dem 8. Jahrhundert von großer Bedeutung und kann mit seinem Einfluss auf die Lebensspanne (Kojiki) direkt in das Schicksal eingreifen. Im Nihongi kommt im Zusammenhang mit dem ukehi der Ihanaga-hime auch wieder das Motive des todbringenen Weinens vor, welches bereits bei Susanoo eine wichtige Rolle spielte.
In einer Variante des Nihongi wird den beiden Schwestern eine stärkere kosmologische und schicksalsbestimmende Bedeutung gegeben, indem sie als Weberinnen dargestellt werden. Die hier wiederkehrende Verbindung findet sich auch in anderen mythologischen Vorstellungen (Bsp. Hellenismus, die Moiren Klotho, Lachesis und Atropos weben den Lebensfaden und bestimmen mit ihm die Länge der Lebensspanne). Das "Weben des Lebens" wird zum Teil noch in Liedern als Bild erwähnt, allerdings ist auch hier, nach Naumann, die Gleichsetzung von Leben und Faden schon lange in der Erinnerung verwischt.
Zu einem weiteren ukehi, diesmal durch Konohana Sayaku-bime, kommt es im Zuge der Geburt der Nachkommen des Himmelsenkels. Dieser zweifelt seine Vaterschaft an, da Konohana Sayaku-bime bereits nach einer Nacht schwanger ist und drei Söhne gebärt. Sie errichtet dazu eine Gebärhütte, was zum einen ein Rückbezug auf die Scheidung von Izanami und Izanagi ist und zum anderen den Brauch wiederspiegelt gebärende und menstruierende Frauen zum Schutz vor Befleckung von der Gemeinschaft zu separieren. Letztendlich bestätigt das ukehi die Vaterschaft des Ninigi no mikoto. Einer der Söhne, Ho no Susori no mikoto, wird in einer Glosse als Urahn der Hayato bezeichnet, also auch hier wieder eine Einbeziehung der fremden Kultur zur Assimilierung der eroberten Gebiete.
Ninigi no mikoto stirbt, demzufolge war er bereits trotz seiner Herkunft sterblich. Sein Titel mikoto kann sowohl für Menschen, als auch für Götter verwendet werden, weshalb eine eindeutige Zuordnung schwierig ist. Der reale Ort seines Grabes lässt sich nicht bestimmen, allerdings gibt es einen Disput zweier Schreine, die jeweils für sich beanspruchen die historische Grabstelle zu beherbergen.
Eine Variante des Nihongi berichtet davon, dass Konohana Sayaku-bime bzw. hier Kamu-Atakashitsu-hime das nihinahe ("Kosten des Neuen") vollzieht. Sie ahmt damit das Handeln der Sonnengöttin nach. Dieses Ritual wurde später im Hofzeremoniell institutionalisiert und ist eine der wichtigsten religiösen Handlungen des Tenno, die alljährlich durchgeführt wurde.
Bergglückprinz und Meerglückprinz (S. 165-176)
Dieser Teil des Mythos handelt von zwei Brüdern, Hoderi no Mikoto und Howori no Mikoto (auch Hohodemi), die ihre Talente als Fischer und Jäger, symbolisiert in Form eines Angelhakens und eines Pfeil und Bogens, tauschen. Howori verliert den Angelhaken und sein Bruder verlangt ihn zurück. Jener bekommt den Rat den Meeresgott aufzusuchen. Dort verliebt sich Howori in die Tochter des Meeresgottes und sie heiraten. Nach einiger Zeit erinnert sich Howori an seine Schuld bezüglich seines Bruders. Der Meeresgott gibt Howori Instruktionen, wie er seinen Bruder beherrschen kann, falls dieser mit der Rückgabe allein nicht zufrieden ist. So setzt sich Howori mit göttlicher Hilfe gegen den Bruder durch. Die Nachkommen des unterlegenen Bruders sind der Hayato-Stamm. Einige leben am Kaiserhof und dienen als Wachen und Unterhalter, so Naumann.
Die Prinzessin des Meeres, Toyotama-bime, entbindet ein Kind und gibt ihrem Mann noch ausdrücklich die Anweisung, er solle nicht dabei zusehen. Voll Neugier vermag Howori das nicht, erkennt die Krokodil-/Drachengestalt seiner Frau und sie trennen sich. Dies bedeutet eine Trennung von Wasser und Land und ist laut Naumann analog zu der Trennung von Izanagi und Izanami. [1]
Vom Mythos zur Pseudogeschichte (S.176-194)
Kamu-Yamato Ihare-Biko no Mikoto (der spätere Jinmu Tennō) und sein älterer Bruder Itsuse no mikoto beratschlagen, wie sie das Erdreich regieren wollen. Sie ziehen von Kyushu aus durch das Land und kämpfen gegen verschiedene Gruppen. Itsuse erleidet eine Verletzung und stirbt. Zuvor erteilt er seinem Bruder den Rat, als Nachkomme der Sonnengottheit Amaterasu doch mit der Sonne im Rücken zu kämpfen um zu siegen. Die Truppen ziehen weiter. Als ein Bär ihren Weg kreuzt, erleiden alle einen Schwächeanfall. Der Bär ist nach Naumann eine Gestalt des Berggottes und die Schwächung als eine Strafe zu sehen. Ihare-biko wird von einem Fremden aufgesucht, der ihm ein Schwert überreicht. So haben es ihm die Götter aufgetragen, da sie sahen, dass ihr Nachkomme im Kampf Probleme hat. Es folgen weitere Auseinandersetzungen: mit zwei Brüdern, einer unterwirft sich, der andere wird hingegen getötet. Außerdem trifft Ihare-biko, der erste menschliche Kaiser, auf ein Junggesellenhaus, wo Kriegslieder gesungen werden. Auch diese Junggesellen werden unterworfen. Sie sind nach Naumann mit dem Stamm Kume zu identifizieren.
Am 5.Tag des 10.Monats (667 v. Chr.) führt der Kaiser nun seine Truppen gen Osten, wo seine Residenz errichtet werden soll. Ein letztes Dorf kann er nicht erobern. Er betet und bekommt Anweisungen, die ihm zum Sieg verhelfen: er soll Lehmerde vom Kagu-Berg holen, daraus je 80 Schüsseln und Krüge formen und aus diesen opfern. Nun ist es ihm möglich zu siegen und das ganze Erdreich (ganz Japan) zu befrieden. Der erste Menschenkaiser ist an der Macht.
Naumann merkt an, dass die Region Osaka die des ersten Kampfes sei. Weiter erwähnt sie, dass im Nihongi eine anachronistische Übertreibung zu beobachten sei, da sich mit diesem Teil auch die älteste Gesetzessammlung des Kaiserhauses verbinde. Kaiser Tenmu habe sich im Mythos um Folgerichtigkeit und Harmonie bemüht. Ein weiterer ihrer Gedanken ist, dass im Himmelsenkel zwei Traditionen, die südasiatische und die nordasiatische, verbunden sind.
Naumann erkennt im Mythos drei rote Fäden:
1. Herrschaftsauftrag des Susa no Wo an seinen Sohn Ohokuni-Nushi, damit dieser sie wiederum an den Himmelsenkel weitergeben könne: Abstammung von den Göttern.
2. Das Leben der Amaterasu: ihre Geburt, ihr Verschwinden und erneutes Erscheinen ist als Ahnherrin des Kaiserhauses von besonderer Bedeutung.
3. Der Himmelsgott Takamimusubi bildet zusammen mit zwei anderen Göttern den Anfang der Schöpfung. Seine Präsenz zeigt sich stets in Angelegenheiten des Kaiserhauses. Der Himmelsbaum ist sein Symbol. Daran hängt auch der Spiegel der Amaterasu. Er schickt seinen Enkel zur Herrschaft auf die Erde und er ist es, dem in je 80 Tonschalen und Krügen geopfert wird um zu siegen.
Anmerkungen
- ↑ Ein von Nauman nicht speziell hervorgehobener Aspekt dieser Geschichte könnte darin liegen, die Unterordnung verschiedener Volksgruppen unter das Mandat der Tennō-Dynastie zu legitimieren.